Arnsberg. . Andreas Schulte und Etienne Lombaerts müssen bei der Freilichtbühne Herdringen alles können. Sie bauen die Requisiten und Kulissen für das Familientheater „Die kleine Hexe“ und das Erwachsenenstück „Heiße Ecke“
Hexenhaus und Heiße Ecke stehen noch dicht beieinander. Und doch liegen Welten dazwischen. Andreas Schulte und Etienne Lombaerts müssen beides können, das verwunschene Zuhause für die „Kleine Hexe“ herbeizaubern und den schrägen Kiez-Treff von St. Pauli für das Erwachsenmusical. „Wir brauchen das! Mach mal!“, so lautet üblicherweise die Anweisung an den Requisitenwart und den Bühnenbaumeister der Freilichtbühne Herdringen. Und es gibt praktisch nichts, was die beiden mit zwei weiteren Kollegen nicht in die grandiose Kulisse des aufgelassenen Steinbruchs stellen könnten.
Sarg und Suppentopf
Die Kameras für die „Heiße Ecke“ sind aus Holz. Das werden die Besucher nicht merken. Ein Dekostein bildet täuschend echt die Linse nach. „Mein Papa hat mir handwerklich viel beigebracht. Eigentlich mache ich handwerklich alles“, beschreibt Andreas Schulte das Anforderungsprofil für sein Ehrenamt. Der 47-Jährige ist im Hauptberuf Kfz-Mechaniker. Es ist seine erste Spielzeit als Requisitenwart; seit 2010 engagiert er sich bei der Freilichtbühne, mittlerweile macht die ganze Familie mit. Etienne Lombaerts ist 24 und steht kurz vor der Abschlussprüfung zum Industriemechaniker.
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Aus einem unscheinbaren Stück Holz oder einem einfachen Plastikteil richtige Theatermagie lebendig werden zu lassen, das ist die große Aufgabe bei diesem Job. Im Requisitenraum steht hier der Sarg von „Sugar“, dort das Weihwasserbecken aus „Don Camillo“ und dazwischen Pferdeköpfe, die aus Speiskübeln fabriziert wurden, neben dem Suppentopf mit dem offenen Boden aus „Alice im Wunderland“. Nichts kommt weg, alles wird wieder einmal Verwendung finden. „Jedes Teil kann eine Geschichte erzählen“, freut sich Christian Albrecht als Sprecher der Bühne über dieses kreative Archiv der vergangenen Inszenierungen.
Für zwei Stücke parallel müssen Schulte und Lombaerts Gebäudefassaden, Spezialeffekte und Ausstattung herstellen, und zwar so, dass alles schnell ab- und wieder aufgebaut werden kann. Deshalb ist die Heiße Ecke zum Beispiel luftbereift. „Das ist ein Riesenrequisit und trotzdem schwer zu fahren.“ Das Casino hat man auf Rollen gesetzt, die auf Schienen laufen, welche eigens in den Boden eingelassen wurden.
Erfindergeist ist gefragt, um den Zuschauern stimmungsvolle, ja unvergessliche Vorstellungen zu bieten, und das mit den Möglichkeiten eines Vereins von theaterbegeisterten Laien. Bei der „Kleinen Hexe“ nach Otfried Preußlers beliebtem Kinderbuch können sich alle Beteiligten richtig austoben, sogar auf einer Sommerrodelbahn. Die Schlittenkufen gleiten über Noppenfolie – gewusst wie ist der halbe Theatererfolg. Eine Windmaschine wird das Publikum zum Staunen bringen, und die Zauberinnen haben sich ihre Besen natürlich selber ausgesucht. Oberhexe Tatjana Paul reitet auf einem Staubsaugerrohr mit Beleuchtung, das sogar eine TÜV-Plakette vorweisen kann – schließlich sind heutige Hexen nicht von gestern.
Die „Sumse“ spielt mit
In der zweiten Spielzeit wirkt Patricia Hoffmann jetzt als Regisseurin in Herdringen. Die 36-jährige Choreographin aus Leipzig ist studierte Tänzerin, und das merkt man ihren Darstellern an. Denn sie achtet sorgfältig auf die Körpersprache, und das auch in der Riesentruppe von 90 Akteuren, die beim Familienstück aktiv sind. 60 davon sind Kinder und Jugendliche. Wie bändigt man die? „Das ist total spannend“, verrät Patricia Hoffmann. „Vor allem die Kinder haben noch so viel eigene Kreativität. Die haben eigene Ideen, die Emotionen sind noch ganz echt.“
Um die Bühnenelemente auch bei laufender Vorstellung zu bewegen, ist die Sumse unverzichtbar. Dabei handelt es sich um einen batteriebetriebenen Karren, der vormals bei der Post im Einsatz war. Die Sumse hat schon das Wikingerschiff von „Wickie“ in Herdringen in Fahrt gebracht, nun zieht sie in der „Kleinen Hexe“ die Marktstände über die Spielfläche.
Schulte und Lombaerts und ihre beiden Kollegen Friedel Radomski und Dirk Winkler lieben die Herausforderungen hinter den Kulissen. Schulte: „Die Abwechslung ist der Kick. Dass immer was Neues kommt. Und dass man seine eigenen Ideen und Fähigkeiten mit einbringen kann.“