Niedermarsberg. Beim Schützenfest in Niedermarsberg explodieren zwei Salutkanonen. Schützenkönig André Bieker wird von Trümmerteilen getroffen und stirbt.
Als die Sanitäter den 30-jährigen André Bieker zum Transport auf die Trage legen, drückt Propst Meinolf Kemper dem Schwerverletzten ein Kreuz auf die Stirn. Es ist das erste Schützenfest, das der im Herbst nach Marsberg gekommene Geistliche als Präses der St.-Magnus-Bruderschaft mitfeiert. Er steht gerade einmal drei Meter von dem König entfernt, als das furchtbare Unglück passiert.
Es war der große Traum von Andre Bieker
Gerade noch hat er dem König zum Fest gratuliert. „Wir haben es zusammen vorbereitet. Es sollte der schönste Tag in seinem Leben werden.“ Am Samstag aber, beim Anböllern des Schützenfestes in Niedermarsberg im Sauerland kommt André Bieker ums Leben. Zwei Böllerkanonen explodieren, umherfliegende Trümmerteile verletzen den König tödlich.
Auch interessant
Schützenkönig zu sein, das war sein großer Traum. André Bieker (30) hatte sich diesen Traum genau vor einem Jahr erfüllt. Er war der erste König seiner Familie. Nach mehreren Anläufen hatte der aktive Trommler und Kassierer des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr Marsberg den Vogel am Schützenfestmontag 2014 von der Stange geholt. Seither regierte er gemeinsam mit seiner Ehefrau die Schützenbruderschaft St. Magnus.
Fest endete in einer Tragödie
Das Schützenfest 2015 sollte der Höhepunkt seiner Regentschaft sein. Doch das Fest endete in einer Tragödie. Beim traditionellen Anböllern um 12 Uhr auf dem Schützenplatz lösten sich aus zwei der drei Kanonen, die nach historischen Plänen 1998 erstellt worden waren, Metallteile, die Bieker im Beisein von Familie, Freunden und Schützenvorstand so schwer verletzten, dass er zwei Stunden später im Krankenhaus starb.
Den ersten Böllerschuss, so sieht es das Protokoll der St. Magnus-Schützen vor, gab der amtierende König gemeinsam mit seiner Frau unter Aufsicht der geschulten Böllerschützen ab. Diese Kanone funktionierte einwandfrei. Als anschließend die beiden kleinen Kanonen mit einem Elektrozünder ausgelöst wurden, kam es zu dem tragischen Unglück.
Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung
Beide Kanonen-Verschlüsse an den Rückseiten hielten der Belastung offenbar nicht stand. Gussteile wurden aus der Kanone gerissen und trafen André Bieker, andere durchschlugen ein Fenster sowie das Dach der Schützenhalle. Wie durch ein Wunder wurden nicht noch weitere der rund 30 Personen, die in einem Halbkreis um die Kanonen herumstanden, verletzt. Sie wurden von einem herbeigerufenen PSU-Team (Psychosoziale Unterstützung) seelsorgerisch betreut.
Fürchterliche Erinnerungen kommen wieder
Rainer Harnischmacher, Oberst des Schützenvereins Holzen-Bösperde-Landwehr, weist darauf hin, dass sein Verein „sehr, sehr viel Geld“ für die sachgerechte Ausbildung zum Kanonen-Schießen investiert und zudem regelmäßig entsprechende Nachschulungen stattfinden.
„Auch unsere Kanonen wurden gerade erst in der vergangenen Woche auf ihre Bedienungssicherheit geprüft. Aber wenn ich jetzt vom Unglück in Niedermarsberg höre, habe ich natürlich schon ein mulmiges Gefühl. Und dann kommen auch gleich wieder die Erinnerungen an den fürchterlichen Unfall vor sechs Jahren bei uns in Menden wieder zurück, als ein Auto in das Ende des Schützenzuges raste. Zwei Menschen starben damals und 50 wurden zum Teil schwer verletzt. Wir müssen uns wohl einfach eingestehen, dass es keine letzte Sicherheit gibt.“
Der Polizeisprecher des Hochsauerlandkreises, Ludger Rath, erklärte, dass die genaue Ursache sowie die Details des Hergangs noch unklar seien. Die Kriminalpolizei habe die Kanonen beschlagnahmt. Die Behörden haben ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eröffnet.
Marsberg befindet sich in einem Schockzustand
Der Vorstand der St. Magnus-Schützen sagte das Schützenfest umgehend nach dem Unglück ab, als alle Anwesenden noch von schweren Verletzungen ihres Königs ausgingen. „Wir sitzen hier mit dem Vorstand in der Halle zusammen und sind völlig leer. Unsere Trauer ist unbeschreiblich, wir finden einfach keine Worte“, schilderte Hauptmann Michael Martin die Gefühle der Magnus-Schützen. Die ganze Stadt befinde sich wie in einem Schockzustand. Am Sonntagmorgen fand ein ergreifender Gedenkgottesdienst in der Propsteikirche in Marsberg statt.
Auf der Internetseite der Schützenbruderschaft gingen Beileidsbekundungen aus ganz Deutschland ein. Besonders betroffen waren die zahlreichen Vereine, die am Wochenende selbst Schützenfest feierten. „Unsere Marsberger Schützenkollegen haben sich genau so auf ihr lange vorbereitetes Schützenfest gefreut wie wir. Dieses Ende ist einfach unbegreiflich“, brachte Hauptmann Rüdiger Eppner aus Hallenberg die allgemeine Bestürzung auf den Punkt.
Auf vielen Festen wurde mit Schweigeminuten des verstorbenen Königs und seiner Angehörigen gedacht.