Wie die drei Musketiere in Hallenberg das Hobby mit dem Beruf vereinbaren
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Hallenberg. Vom Verlademeister zum Musketier - oder wie sich das Schauspielen auf der Freilichtbühne Hallenberg mit dem täglichen Beruf vereinbaren lässt
Sie kämpfen wie die Haudegen. Oder sie befragen den Spiegel, wer die Schönste im Lande sei. Dabei verzichten sie auf vieles, bekommen aber dafür alles. Akteur auf der Freilichtbühne in Hallenberg zu sein, das bedeutet Einsatz und Engagement ohne Eitelkeiten, aber oft verbunden mit Eile. Das ist auch diesmal so. Am Sonntag geht „Schneewittchen“ unter die sieben Zwerge und zwei Wochen später lassen „Die drei Musketiere“ ihre Muskeln spielen. Doch der normale Arbeitsalltag neben der Bühne muss weiterlaufen.
Akteur, Meister und Spielleiter
Musketier Porthos ist eigentlich Verlademeister. Von 6 bis 16 Uhr sorgt der 37-jährige Stefan Pippel in einem großen Holzunternehmen dafür, dass die Lkw mit den richtigen Brettern und Bohlen beladen werden. Dann sagt er zu Hause kurz der Ehefrau und den beiden Kindern (7 und 2) „Hallo!“, bevor er Arbeitshose und Kanthölzer gegen Mantel und Degen tauscht. Neben einer der Hauptrollen hat Stefan Pippel auch noch die Aufgabe des Spielleiters übernommen. Das heißt: Nach der Premiere ist er dafür zuständig, dass jede Aufführung reibungslos läuft und jeder rechtzeitig an seinem Platz ist.
„Ja, die Arbeit, die Familie und die Bühne unter einen Hut zu bringen – das ist manchmal nicht einfach. Aber für mich ist das hier ein Ausgleich, ein Hobby, das ich mit Freunden teile, bei dem ich zur Ruhe komme und abschalten kann.“ Ähnlich sieht das Musketier Athos, der im wirklichen Leben Thomas Knecht heißt, technischer Zeichner ist und in der Konstruktion eines Heißkanalherstellers arbeitet. Das hat vereinfacht gesagt etwas mit der Kunststoffproduktion zu tun. Das Freilufttheater ist sein zweites Zuhause. Nur einmal musste er pausieren. Die Rolle im „Cyrano“ hatte er schon sicher, als der Einberufungsbescheid der Bundeswehr kam. „Da habe ich in der Bühnentechnik ausgeholfen.“ Seine Freundin spielt nicht mit, aber sie weiß, was ihm das Theater bedeutet und ermöglicht ihm das zeitaufwändige Hobby.
Drei Musketiere in Hallenberg
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Denn mit Textproben allein ist es nicht getan. Schon für das Fechten waren zig Trainingsstunden nötig. Eigens aus Leipzig reiste Professor Claus Großer, Hochschuldozent für Schauspiel und Bühnenfechten, nach Hallenberg – natürlich an Wochenenden. Dann wurde das Erlernte erst in der Sporthalle und später im Freien umgesetzt. Musketier - ein Fulltime-Job!
Das Handy unter dem Wams
Philipp Mause (Aramis) hat das Handy unter dem Gürtel im mittelalterlichen Wams verstaut. Rufbereitschaft. Bei einem großen Heizkesselhersteller arbeitet der Maschinenbautechniker in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Seit 1993 spielt er ohne Unterbrechung mit. Und selbst, als er neben der regulären Arbeit noch 16 Stunden für die Abendschule aufbringen musste, fehlte der 24-Jährige nicht. Es ist diese eigene Welt, der besondere Reiz, dem Alltag zu entfliehen und in eine andere Rolle zu schlüpfen. Und wäre das Motto nicht schon an die Musketiere vergeben, es würde auch für die Hallenberger gelten: „Einer für alle, alle für einen!“
Schneewittchen in Hallenberg
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Lukas Schöttler (21) hat das Schauspielfieber vollends gepackt. Als D’artagnan spielt der gelernte Fertigungs-Monteur die Hauptrolle. Tagsüber arbeitet er in zwei Schichten mal von 6 bis 14, dann von 14 bis 22 Uhr. Deshalb wurde er anfangs auch nur 14-tägig bei den Proben eingeplant. Jetzt darf er bis zur Premiere fünf Wochen am Stück Frühschicht machen und dann zum Degen greifen. „Es ist etwas komplett anderes; hier ist nichts verklemmt, alle sind locker“, schätzt Lukas die Atmosphäre. Regisseurin Birgit Simmler fördert sein Talent und bereitet den jungen Mann gerade für die Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule vor. Und wenn das klappen würde? „Das wäre ein Traum; aber vermutlich müsste ich dann umziehen und ob ich dann hier noch dabei sein könnte...“
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