Winterberg. . Mit Kinder-Schlitten rasten drei Männer heimlich in der Nacht die Eisrinne hinab - in ein Pistenfahrzeug. Ein Beteiligter starb an der Unfallstelle.

Ein 25 Jahre alter Mann aus Hamm ist bei einer heimlichen Schlittenpartie auf der Bobbahn am Samstagmorgen gestorben, zwei weitere Männer verletzten sich schwer. Nach dem Unglück herrscht große Betroffenheit in und um Winterberg. „Das ist eine schreckliche Geschichte“, sagte Jens Morgenstern vom BSC Winterberg und spricht aus, was die meisten denken.

Der vermeintliche Spaß endete in einer Tragödie: Der 25-Jährige war mit seinen 26 und 29 Jahre alten Freunden nachts auf das Gelände eingedrungen und mit Plastik-Bobs durch den Eiskanal gerutscht. Kurz vor der Zielkurve prallten die drei Männer gegen einen speziellen Trecker, der zur Präparierung der Kunsteisbahn eingesetzt wird. Der 25-jährige Mann verstarb noch an der Unfallstelle, die beiden anderen Männer verletzten sich schwer, sind inzwischen aber außer Lebensgefahr. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln derzeit den Hergang, anschließend werde auch eine mög­liche strafrechtliche Relevanz überprüft, erklärte Polizeipressesprecher Ludger Rath.

Schweigeminute für die Opfer

Auch am Sonntag hat Petra Sapp, Geschäftsführerin der Erholungs- und Sportzentrum Winterberg GmbH, das Geschehen noch nicht verarbeitet: „Ein Riesen-Unglück. Das ganze Team ist bedrückt und schockiert.“ Und doch mussten die Mitarbeiter sich zusammenreißen und ihren Aufgaben nachgehen, denn nach einer Sperrung wurde die Bahn am Samstagmittag von der Staatsanwaltschaft wieder freigegeben. Die Deutsche Meisterschaft im Skeletonfahren hat wie geplant am Sonntagmorgen begonnen – mit einer Schweigeminute für den Toten und die beiden Verletzten.

Die Entscheidung, die Meisterschaft durchzuführen, wurde am Samstag gemeinsam mit den Sportlern getroffen, denn es ging für einige Athleten noch um wichtige Punkte in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft.

"Das war grobe Fahrlässigkeit" 

„Es war ein tragischer Unfall, der für große Betroffenheit sorgt – auch im Sport“, sagte Alois Schnorbus vom Organisations-Komitee der anstehenden Bob- und Skeleton-WM. Aber es werden auch kritische Stimmen laut: Jens Morgenstern vom BSC Winterberg kann das Verhalten der drei Männer aus Hamm nicht nachvollziehen: „Das war grobe Fahrlässigkeit.“ Christian Eichert vom Bob- und Schlittensportverband NRW ist selbst aktiver Skeletonfahrer. Er bedauert bei aller Betroffenheit die negativen Schlagzeilen, in die die Bobbahn nun geraten ist: „Wir erfüllen hier die höchsten Sicherheitsansprüche. Bob- und Skeletonfahren ist ein Leistungssport, im Training und bei Wettkämpfen wird die Bahn durch 69 Kameras und entsprechende Monitore ständig überwacht.“

Das ist die Bobbahn in Winterberg

Unter den 17 Bobbahnen auf der Welt...
Unter den 17 Bobbahnen auf der Welt... © www.blossey.eu
... gilt die Winterberger Kunsteisbahn als besonders schnell. Bis zu Tempo 140 erreichen die Profis,...
... gilt die Winterberger Kunsteisbahn als besonders schnell. Bis zu Tempo 140 erreichen die Profis,... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... wenn sie die etwa anderthalb Kilometer lange Bahn herunterfahren. Eröffnet im Jahr 1977,...
... wenn sie die etwa anderthalb Kilometer lange Bahn herunterfahren. Eröffnet im Jahr 1977,... © www.blossey.eu
... hat die Winterberger Kunsteisbahn 2014 neue Technik bekommen. Auf hochauflösenden Bildschirmen...
... hat die Winterberger Kunsteisbahn 2014 neue Technik bekommen. Auf hochauflösenden Bildschirmen... © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann
... können die Zeitnehmer die Eisstrecke überwachen und einsehen. Damit...
... können die Zeitnehmer die Eisstrecke überwachen und einsehen. Damit... © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann
... und mit allerlei Arbeiten...
... und mit allerlei Arbeiten... © Tim Schulz/Funke Foto Services (Archiv)
... an der Eisbahn selbst haben sich die Veranstalter gerüstet...
... an der Eisbahn selbst haben sich die Veranstalter gerüstet... © Tim Schulz/Funke Foto Services (Archiv)
... für die Bob- und Skeleton-WM, die im Februar 2015 hier ausgetragen wird. Für Winterberg...
... für die Bob- und Skeleton-WM, die im Februar 2015 hier ausgetragen wird. Für Winterberg... © www.blossey.eu
... sind die doppelten Weltmeisterschaften das größte sportliche Ereignis seit 1995. Damals...
... sind die doppelten Weltmeisterschaften das größte sportliche Ereignis seit 1995. Damals... © Thomas Nitsche/Funke Foto Services (Archiv)
... gab es nur die Bob-Weltmeisterschaft der Herren, keine Bob-WM der Damen und auch keine Skeleton-Weltmeisterschaft. Unser Bild zeigt den Viererbob
... gab es nur die Bob-Weltmeisterschaft der Herren, keine Bob-WM der Damen und auch keine Skeleton-Weltmeisterschaft. Unser Bild zeigt den Viererbob "Deutschland 3" bei einem Wettkampf in Winterberg im Dezember 2012. © Bongarts/Getty Images
Die Bobbahn...
Die Bobbahn... © www.blossey.eu
... oberhalb des Winterberger Stadtzentrums am Berg Kappe liegt...
... oberhalb des Winterberger Stadtzentrums am Berg Kappe liegt... © www.blossey.eu
... inmitten der Wintersportarena Sauerland. Sie bietet...
... inmitten der Wintersportarena Sauerland. Sie bietet... © www.blossey.eu
... 165 Ski- und Rodelabfahrten, darunter 48 Flutlichthänge, über 90 Pistenkilometer, 150 Lifte...
... 165 Ski- und Rodelabfahrten, darunter 48 Flutlichthänge, über 90 Pistenkilometer, 150 Lifte... © www.blossey.eu
... und etwa 380 Schneemaschinen, die ab einer Temperatur von mindestens minus zwei Grad für einen weißen Winter sorgen.
... und etwa 380 Schneemaschinen, die ab einer Temperatur von mindestens minus zwei Grad für einen weißen Winter sorgen. © www.blossey.eu
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Winterberg sei eine der sichersten Eisbahnen überhaupt. „Aber gegen solche unüberlegten Aktionen ist man dennoch machtlos.“ Auch Winterbergs Tourismus-Chef Michael Beckmann lässt das tragische Ende der illegalen Rutschpartie nicht kalt: „Das trifft uns erheblich – vor allem in so einer guten Wintersport-Woche.“ Der jugendliche Leichtsinn sei schwer zu verstehen: „Die jungen Leute wissen nicht, was passieren kann. Das ist tragisch.“

Aus Hamm angereist

Nach ersten Erkenntnissen der Polizei waren die Männer mit einer weiteren Person in der Nacht aus Hamm mit dem Auto nach Winterberg zur Bobbahn gefahren. Dort verschafften sie sich gegen 4 Uhr morgens - auf den Tag genau 50 Tage vor dem Beginn der Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft 2015 in Winterberg - im Startbereich unerlaubt Zutritt zur Bahn.

Die vierte Person sollte mit dem Auto zum Zielbereich fahren, um die „Bobfahrer“ wieder abzuholen." Die drei Mitglieder des Quartetts stiegen schließlich auf die Kinderbobs und rasten die Eisrinne hinunter, die vierte Person sollte das Trio offensichtlich im Zielbereich der Wintersport-Stätte wieder in Empfang nehmen.

Anwohner hörte Hilferufe

Daraus wurde aber nichts, denn kurz vor dem Ziel rasten alle drei in das Bobbahn-Fahrzeug. Dass die Schwerverletzten überhaupt schnell versorgt werden konnten, ist einem aufmerksamen Winterberger, der in unmittelbarer Nähe der Bobbahn wohnt, zu verdanken. „Der Anwohner hat um kurz nach 4 Uhr die Hilferufe gehört und die Einsatzkräfte verständigt“, so Polizei-Pressesprecher Ludger Rath am Samstag.

Staatsanwaltschaft wertet Videoaufnahmen aus 

Zum Unfallhergang selbst und zu der Frage, ob das Abstellen des Fahrzeuges zur Eisbearbeitung in der Bahn über Nacht üblich sei, wollte Geschäftsführerin Petra Sapp mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen von Polizei und Staatsanwalt nichts sagen.

Die Staatsanwaltschaft Arnsberg ermittelt nun den Unfallhergang. Dabei helfen werden die Aufzeichnungen der Videokameras, die an den Eingangstoren der Bahn installiert sind. Die zeichnen laut Alois Schnorbus auch nachts auf und könnten zumindest Hinweise darauf geben, wie die Männer auf das Gelände gekommen sind. Schnorbus selbst war lange Jahre Vorsitzender des Bob- und Schlittensportclubs Sauerland Winterberg. Er kennt die Geschichte der Bob- und Rodelbahn in- und auswendig. „An so einen Unfall kann ich mich nicht erinnern“, sagt er.

Winterberg ist WM-Schauplatz 2015

Diese Taxifahrt ist nichts für schwache Nerven: Der Bob erreicht in der Eisröhre bis zu 130 Stundenkilometer. Etwa 60 Sekunden dauert die 1,6 Kilometer lange Tour.
Diese Taxifahrt ist nichts für schwache Nerven: Der Bob erreicht in der Eisröhre bis zu 130 Stundenkilometer. Etwa 60 Sekunden dauert die 1,6 Kilometer lange Tour. © Olympic Bob Race/Sebastian Görtz
Alles im Blick im Kontrollzentrum - nicht nur bei den Rennen ist die Bobbahn unter ständiger Beobachtung, schließlich geht es bei den Wettbewerben um Zehntelsekunden.
Alles im Blick im Kontrollzentrum - nicht nur bei den Rennen ist die Bobbahn unter ständiger Beobachtung, schließlich geht es bei den Wettbewerben um Zehntelsekunden. © Bernd F. Meier
Der Taxibob wird von erfahrenen Bobsportlern gesteuert. Bis zu drei Touristen können zusteigen.
Der Taxibob wird von erfahrenen Bobsportlern gesteuert. Bis zu drei Touristen können zusteigen. © Ferienwelt Winterberg/Dave Ewert
Ganz schön kurvig - die Bobbahn von Winterberg im Hochsauerlandkreis aus der Vogelperspektive.
Ganz schön kurvig - die Bobbahn von Winterberg im Hochsauerlandkreis aus der Vogelperspektive. © Bobbahn Winterberg/M. Reuther
Rekordjagd in Winterberg - ab dem 23. Februar 2015 treten die besten Sportlerinnen und Sportler mit dem Bob gegeneinander an. Zudem kommen Skeleton-Fans auf ihre Kosten.
Rekordjagd in Winterberg - ab dem 23. Februar 2015 treten die besten Sportlerinnen und Sportler mit dem Bob gegeneinander an. Zudem kommen Skeleton-Fans auf ihre Kosten. © Bobbahn Winterberg
Nicht Tirol, sondern Sauerland - in Winterberg reicht der Schnee im Winter nicht nur zum Langlaufen.
Nicht Tirol, sondern Sauerland - in Winterberg reicht der Schnee im Winter nicht nur zum Langlaufen. © Ferienwelt Winterberg
Die Pisten von Winterberg, dem
Die Pisten von Winterberg, dem "St. Moritz des Nordens", ziehen Winterwanderer genauso an wie Snowboarder und Abfahrtsläufer. © Ferienwelt Winterberg/Marco Kraft
Der Eiskanal in Winterberg ist Ende Februar der Schauplatz der Bob- und Skeleton-WM.
Der Eiskanal in Winterberg ist Ende Februar der Schauplatz der Bob- und Skeleton-WM. © Ralf Rottmann/WAZ FotoPool
Kontrollzentrum: Die Zeitnehmer überwachen auf der neuen Videowand das Geschehen auf der Bobbahn.
Kontrollzentrum: Die Zeitnehmer überwachen auf der neuen Videowand das Geschehen auf der Bobbahn. © Ralf Rottmann/WAZ FotoPool
Meinolf Pape leitet das Westdeutsche Skimuseum Neuastenberg - zu der privaten Sammlung gehört auch dieser historische Schlitten.
Meinolf Pape leitet das Westdeutsche Skimuseum Neuastenberg - zu der privaten Sammlung gehört auch dieser historische Schlitten. © Bernd F. Meier
Winter in Winterberg. An nur wenigen Liften war vor Weihnachten 2014 das Skifahren und Rodeln überhaupt möglich.
Winter in Winterberg. An nur wenigen Liften war vor Weihnachten 2014 das Skifahren und Rodeln überhaupt möglich. © Ralf Rottmann/WAZ FotoPool
Winter in Winterberg vor dem Weihnachtsfest 2014.
Winter in Winterberg vor dem Weihnachtsfest 2014. © Ralf Rottmann/WAZ FotoPool
Viele Liftbetreiber haben auf kältere Temperaturen und auf Neuschnee gewartet.
Viele Liftbetreiber haben auf kältere Temperaturen und auf Neuschnee gewartet. © Ralf Rottmann/WAZ FotoPool
Der amtierende Zweierbob-Weltmeister Jannis Bäcker.
Der amtierende Zweierbob-Weltmeister Jannis Bäcker. © Veranstalter
Der amtierende Zweierbob-Weltmeister Jannis Bäcker (hinten) beim Promi-Bobanschub „auf Schalke“ mit dem Fußball-Weltmeister von 1990 Olaf Thon.
Der amtierende Zweierbob-Weltmeister Jannis Bäcker (hinten) beim Promi-Bobanschub „auf Schalke“ mit dem Fußball-Weltmeister von 1990 Olaf Thon. © Veranstalter
Weltcup-Bob mit Friedrich/Bäcker im Januar 2014 in Winterberg.
Weltcup-Bob mit Friedrich/Bäcker im Januar 2014 in Winterberg. © Jan-Philipp Strobel/dpa
Die Viererbob-Piloten Jannis Bäcker, Thorsten Margis, Gregor Bermbach und Francesco Friedrich beim Weltcup im Januar 2014.
Die Viererbob-Piloten Jannis Bäcker, Thorsten Margis, Gregor Bermbach und Francesco Friedrich beim Weltcup im Januar 2014. © imago/Ed Gar
Der deutsche Viererbob mit Francesco Friedrich, Jannis Bäcker, Gregor Bermbach und Thorsten Margis fährt am 04.01.2014 in Winterberg (Nordrhein-Westfalen) beim Bob-Weltcup ins Ziel.
Der deutsche Viererbob mit Francesco Friedrich, Jannis Bäcker, Gregor Bermbach und Thorsten Margis fährt am 04.01.2014 in Winterberg (Nordrhein-Westfalen) beim Bob-Weltcup ins Ziel. © Jan-Philipp Strobel/dpa
Der deutsche Viererbob mit Francesco Friedrich, Jannis Bäcker, Gregor Bermbach und Thorsten Margis fährt am 04.01.2014 in Winterberg beim Bob-Weltcup ins Ziel.
Der deutsche Viererbob mit Francesco Friedrich, Jannis Bäcker, Gregor Bermbach und Thorsten Margis fährt am 04.01.2014 in Winterberg beim Bob-Weltcup ins Ziel. © Jan-Philipp Strobel/dpa
Der deutsche Viererbob von Friedrich holte den zweiten Platz beim Weltcup 2014.
Der deutsche Viererbob von Friedrich holte den zweiten Platz beim Weltcup 2014. © Jan-Philipp Strobel/dpa
Der deutsche Viererbob mit Francesco Friedrich, Jannis Bäcker, Gregor Bermbach und Thorsten Margis fährt am 04.01.2014 in Winterberg beim Bob-Weltcup ins Ziel.
Der deutsche Viererbob mit Francesco Friedrich, Jannis Bäcker, Gregor Bermbach und Thorsten Margis fährt am 04.01.2014 in Winterberg beim Bob-Weltcup ins Ziel. © Jan-Philipp Strobel/dpa
Der Bob mit Jannis Bäcker im Februar 2011.
Der Bob mit Jannis Bäcker im Februar 2011. © BC Winterberg
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Eigentlich sollte das Wochenende ganz im Zeichen der Deutschen Skeleton-Meisterschaft stehen. Und auch die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaften 2015 in Winterberg stehen bevor. „Es sind heute genau 50 Tage bis zur Eröffnung der WM“, sagt die Cheforganisatorin der Großveranstaltung, „nach diesem Unglück rückt dies alles natürlich völlig in den Hintergrund. Die Gedanken sind bei den Hinterbliebenen“.