Hagen. Beim Aufeinandertreffen des Spitzenreiters MSV Duisburg und Schlusslicht Türkspor Dortmund zeigt sich die Kluft in der Regionalliga.
Die blau-weißen Massen strömten in Richtung Eingang. Ein Ordner versuchte den Überblick zu behalten, rief aber eigentlich nur jedem entgegen: „Block G? Da hoch!“ Nein, Block G war es nicht. Eine Karte sollte hinterlegt sein. Nun wirkte er ein wenig überfragt: „Vielleicht da vorne am Container.“ Der Container war zu. „Ich rufe jemanden.“ Nicht alles lief reibungslos. Der MSV Duisburg war zu Gast bei Türkspor Dortmund. Spitzenreiter gegen Tabellenschlusslicht. Traditionsklub gegen den emporgeschnellten Neuling. Die Regionalliga West, sie bietet Platz für beide.
Eine Stunde später: Anpfiff. Der Rasen im Ischelandstadion ist freigegeben. Eine Entscheidung, die erst wenige Tage zuvor getroffen worden war. Schneefall und Frost hatten dem Grün zugesetzt, das Servicezentrum Sport der Stadt Hagen erteilte erst am Donnerstag die finale Freigabe. Die Schauinsland-Reisen-Arena, Heimstätte der Duisburger, erbaut für 43 Millionen Euro und erst 2010 zuletzt saniert, verfügt über eine Rasenheizung. Angst vor Frost? Darüber kann man bei den Zebras nur müde lächeln.
Platzverhältnisse bei MSV-Auswärtsspiel gewöhnungsbedürftig
Der Zustand des Hagener Rasen hingegen war gewöhnungsbedürftig für die Gäste, wie MSV-Co-Trainer Marvin Höner es nach dem Spiel umschrieb: „Wir wollten uns auf dem Rasen gar nicht auf Schönspielerei verstricken, sondern haben klar gesagt, dass wir die Sachen, die hier vorzufinden sind, annehmen müssen.“ Dass Türkspor Dortmund über die eigenen Stadtgrenzen hinaus auf die Suche nach einer Heimspielstätte gehen musste, es ist nur ein Punkt auf der langen Liste der Kuriositäten.
Zum Saisonbeginn musste Aufsteiger Türkspor seine Heimspiele noch in der IMS-Arena in Velbert austragen. In Dortmund selbst fand sich kein regionalligataugliches Stadion für den zweithöchsten Klub der Stadt. Der im Frühjahr beschlossene Umzug nach Hagen verzögerte sich aufgrund von Sanierungsarbeiten an der Laufbahn des Stadions. Eine Situation, die den Verein belastete: „Wir zahlen pro Heimspiel in Velbert 25.000 Euro. Keine Ahnung, wie lange wir das noch stemmen können“, erklärte Sportchef Tuna Kayabasi damals. Nach langem Warten dann der Umzug nach Hagen.
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Tausende MSV-Fans reisen zum Auswärtsspiel
Kein fußballerisches Zuhause in der eigenen Stadt, keine Fan-Base – auch gegen den MSV Duisburg spiegelte es sich in der Stimmung wider, die nur von den Gäste-Fans gemacht wurde. Auf einem blau-weißen Banner war zu lesen: „Egal in welcher Liga, wir werden bei dir sein.“ Tausende MSV-Anhänger waren nach Hagen gereist, machten das Auswärts- zu einem Heimspiel. Fahnen, Banner, blau-weißes Konfetti, Sprechchöre – die Zebra-Fans genießen die Saison im Amateurfußball. Frust über den Drittliga-Abstieg ist nicht zu spüren, im Gegenteil, es herrscht Aufbruchsstimmung. Die sportliche Geschichte lässt sich schnell erzählen: 3:0 (2:0) für den Favoriten, gute Stimmung am grauen Sonntagnachmittag. „Hurra, hurra, der MSV ist da“, schallte es aus dem Gästeblock. Nur einmal kurz kippte die Stimmung, als Alessandro Tomasello für sein raues Einsteigen gegen Duisburgs Steffen Meuer die Rote Karte sah (77. Minute). „Absteiger, Absteiger, Absteiger“, skandierte die blau-weiße Anhängerschaft.
Türkspor-Sympathisanten? Wenn sie da waren, zeigten sie sich nicht. Die Sichtungen der roten Fan-Schals blieben im einstelligen Bereich. 2017 spielte der Dortmunder Klub noch in der Kreisliga B. Was folgte war ein sportlicher Aufschwung, auch dank des nötigen Kleingeldes. Dr. Akin Kara, Präsident von TSD und hauptberuflicher Arzt, wurde zum Mäzen. Ex-Profis gaben sich die Klinke in die Hand, Kevin Großkreutz, ehemaliger BVB-Profi, übernahm die Mannschaft für ein Jahr als Trainer.
Türkspor Dortmund: Starker Aufschwung, aber Strukturen fehlen noch
Der 2000 gegründete Klub wuchs, hat inzwischen eine zweite Mannschaft in der Kreisliga B, neun Nachwuchsteams und schickte kurzzeitig auch ein Frauen-Team an den Start. Was nicht mitwuchs, waren die Strukturen. Zumindest für das Aufeinandertreffen mit den Schwergewichten der vierthöchsten Spielklasse. Bei der Premiere am Ischeland stellte der Schiedsrichter bei seiner Platzbegehung einige Mängel fest: An den Toren waren sowohl die Eckpfosten als auch die Netze zu lose befestigt. Mit 45 Minuten Verspätung wurde die Partie gegen den 1. FC Bocholt angepfiffen. Die Begegnung gegen die U23 des FC Schalke 04 wurde mit einer fünfzehnminütigen Verspätung angepfiffen – zu viele Zuschauer warteten noch auf den Einlass. Das einzige Kassenhäuschen war mit den Fanmassen überfordert.
Im Winter folgte der große Umbruch: Neuer Trainer, neue Spieler, neue Strukturen. Die Wende soll her, auf dem Platz und auch daneben. Immerhin, der Einlass klappte auch beim Andrang der Duisburger Fans tadellos und die Tornetze überstanden die Begehung ohne Probleme. Maximilian Borchmann heißt der neue Coach. Wieso tut er sich das an? „Weil es die Regionalliga ist. Ich bin kein Ex-Profi, als Trainer habe ich ganz unten in der Kreisliga C angefangen und mich hochgearbeitet.“
Für die einen ist die Regionalliga die, mindestens vorläufige, Erfüllung ihrer Fußballträume. Für die anderen eine im besten Fall kurze Zwischenstation auf dem Weg zurück in den Profi-Fußball.