Belek. Ein Fazit nach fünf Tagen Trainingslager in der Türkei. Es herrscht mehr Licht als Schatten, ein Thema ist weiter tabu - aber dennoch in den Köpfen.

Die urbayerische Stimme von Franz Beckenbauer kommt einem nach fünf Tagen Trainingslager mit den Sportfreunden Siegen in Belek sofort in den Kopf. „Gute Freunde kann niemand trennen. Gute Freunde sind nie allein. Weil sie eines im Leben können. Füreinander da zu sein.“ Die Sportfreunde Siegen, sie sind eine waschechte Einheit. Um bei Songtexten zu bleiben: „Hier geht jeder für jeden durchs Feuer. Im Regen stehen wir niemals allein. Und solange unsere Herzen uns steuern, wird das auch immer so sein“, würde Sänger Andreas Bourani jetzt sagen. Und zu Recht ergänzen: „Ein Hoch auf das, was vor uns liegt. Dass es das Beste für uns gibt.“

Auch interessant

Auch interessant

Genug der Lyrik, die Fakten warten. Die Sportfreunde Siegen, die gibt es nur im Kollektiv. Schon die Versuche, während des Trainingslagers einzelne Spieler auszumachen, die hervorstechen, sind gescheitert. Der eine kümmert sich um den anderen, Konkurrenzkämpfe innerhalb des Teams sind dem höheren Ziel untergeordnet.

Sportfreunde Siegen habe ein höheres Ziel

Was aber ist denn das höhere Ziel? Trainer Thorsten Nehrbauer formuliert es auf seine Art: „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir noch ein paar Plätze klettern.“ Das ist eine schöne Aussage, wenn man in der Fußball-Oberliga auf Tabellenrang drei steht, drei Nachholspiele zu bestreiten hat und bei einer möglichen Punkteausbeute von neun erreichbaren Zählern plötzlich wieder auf Schlagdistanz zu Primus VfL Bochum II liegt. Das Wort „Regionalliga“ nimmt keiner wirklich in den Mund - das muss aber auch nicht sein. Anstatt sich vom Druck von außen verrückt machen zu lassen, zeigt jeder Spieler das, was er kann. Das mag nicht jedem Fan gefallen, aber die stehen nicht auf dem Fußballplatz. Ambitionen ja, Druck nein.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn wir noch ein paar Plätze klettern.“

Thorsten Nehrbauer
Trainer Sportfreunde Siegen

Dass es auch anders gehen kann, das dürften rund 70 Prozent der Mannschaft noch im Kopf haben. Die Sportfreunde kämpften noch in den vergangenen Spielzeiten gegen den Abstieg, retteten sich letztlich und stehen nun wieder auf wie der Phönix aus der Asche. Was sind die Gründe?

Durchschnaufen nach einer anstrengenden Trainingseinheit bei den Sportfreunden Siegen.
Durchschnaufen nach einer anstrengenden Trainingseinheit bei den Sportfreunden Siegen. © WP | Felix Leyendecker

Zum einen sind es natürlich die Spieler. Aus den Akteuren ist in den vergangenen Monaten eine verschworene Einheit geworden. Wer die Spieler im Trainingslager erlebt, den überkommt der Eindruck, dass alle schon jahrelang miteinander auf dem Platz stehen. Die Geselligkeit untereinander ist ansteckend. Ob Beachvolleyball in Fußballmanier - Handspiel verboten - oder der gemeinsame Ausflug ins eiskalte Meer nach der nachmittäglichen Trainingseinheit: Die Sportfreunde-Familie ist untereinander intakt. Das vermitteln die Spieler nach außen.

Sportfreunde Siegen: Gute Laune und lockere Sprüche

Die Älteren integrieren die Jüngeren, wenngleich die Nachwuchsspieler den einen oder anderen Satz mal einstecken müssen. Das zahlen sie mit gleicher Münze heim, wenn auch respektvoll. Beim Training wird gelacht und gefrotzelt, auch wenn es dann und wann mal härter zur Sache geht. Vieles lässt sich mit einem lockeren Spruch wettmachen. Apropos Sprüche klopfen: Das ist eine wichtige Eigenschaft bei den Sportfreunden, die vor allem die Physiotherapeuten bestätigen: „Bei den Jungs musst du immer einen lockeren Spruch parat haben“.

Auch interessant

Auch interessant

Auch interessant

Was wäre ein Team zudem ohne das passende Trainergespann? Ob Thorsten Nehrbauer als Cheftrainer, Sergen Yesilcay als Co-Trainer und Jörg Linker als Torwart-Coach: Alle haben ihren (großen) Anteil daran, dass das „Schiff Sportfreunde“ derzeit auf Kurs ist. Nehrbauer treibt seine Schützlinge unermüdlich an, verlangt ihnen viel ab und ist ein Mann der klaren Worte.

Sein Co-Trainer Yesilcay ist nicht minder ambitioniert, sieht die eine oder andere Schwäche der Spieler und weiß - genauso wie Nehrbauer - ganz genau, wo er im Training ansetzen muss. Linker komplettiert das Gespann und hat im Trainingslager seine vier Torhüter, darunter Youngster Finn Schneider aus der A-Jugend und Neuzugang Leon Klußmann, einige Male gut ins Schwitzen gebracht.

Auf den Bergen liegt Schnee, im Tal kann Fußball gespielt werden: 20 Grad und Sonnenschein sorgen auf dem Trainingsgelände der Sportfreunde Siegen in Belek für beste Fußballbedingungen.
Auf den Bergen liegt Schnee, im Tal kann Fußball gespielt werden: 20 Grad und Sonnenschein sorgen auf dem Trainingsgelände der Sportfreunde Siegen in Belek für beste Fußballbedingungen. © WP | Felix Leyendecker

Nicht zu Vernachlässigen: Der Staff der Siegener. Ob Zeugwart Roland Mucha, der sich unermüdlich auf die Trainingseinheiten vorbereitet, gefühlt die mitgebrachten Utensilien der Sportfreunde auswendig kennt und für junge Spieler eine Rundum-Sorglos-Oase schafft, sodass manch ein Spieler gar nicht wahrnimmt, was er an Mucha hat.

Sportfreunde Siegen: Bereit für jede Mission

Oder das Physio-Team Annika Bender und Dominik Dilgard, die die Spieler in den Behandlungseinheiten immer wieder zum Stöhnen bringen und gleichzeitig ein offenes Ohr für alle Nöte haben. Komplettiert wird die Arbeit von Matthias Georg, der als Geschäftsführer im Hintergrund die Fäden zieht und Projekte angeht, selbst wenn der finanzielle Schuh einmal drückt. Die Botschaft: Wir sind bereit für jede Mission.

Auslaufen nach einem anstrengenden Testspiel: Die Akteure der Sportfreunde Siegen nach dem Spiel gegen Lok Leipzig.
Auslaufen nach einem anstrengenden Testspiel: Die Akteure der Sportfreunde Siegen nach dem Spiel gegen Lok Leipzig. © WP | Felix Leyendecker

War das alles? Nicht ganz. Siegen zehrt von seiner Tradition und seiner Ambition gleichermaßen. Ein Trainingslager als Oberligist zu bestreiten, das passiert nicht alle Tage. Die Spieler haben die Witterungsbedingungen in Deutschland ideal umgangen, konnten in der Türkei hier wichtige Erfahrungen sammeln und haben weiter an einem elementaren Baustein gearbeitet: dem eigenen Teamgefüge. Wobei das gar nicht mal unbedingt noch groß ausgebaut werden musste.

Sportfreunde Siegen International: Diese sechs Fans haben sich das Spektakel bekanntlich nicht nehmen lassen - und genießen die Zeit in der Türkei.
Sportfreunde Siegen International: Diese sechs Fans haben sich das Spektakel bekanntlich nicht nehmen lassen - und genießen die Zeit in der Türkei. © WP | Felix Leyendecker

Viel Gerede, wenig Sportliches? Gerne, dann holen wir das noch nach. Das Testspiel gegen Lok Leipzig, immerhin Tabellenführer der Regionalliga Nordost, offenbarte nicht, dass die Siegerländer eine Klasse tiefer spielen. Im Gegenteil: Der Oberligist spielte munter auf, zeigte sich motiviert und ärgerte die Leipziger so sehr, dass Lok-Cheftrainer Jochen Seitz immer wieder nachjustieren musste.

Wer auf Seiten der Leipziger dachte, dass das ein einfacher Testspielnachmittag wird, der hatte sich nach spätestens fünf Minuten verwundert die Augen gerieben. So geht Teamgeist, so geht Mannschaftsstärke, so geht Spielspaß. In Siegen ist alles angerichtet für die große Mission. Die Vision Sportfreunde Siegen, sie lebt. Und wie.