Erndtebrück. Mounir Saida raus, Christian Hartmann rein: Die Freistellung Saidas wirft große Schatten auf den TuS Erndtebrück - mit Folgen für den Nachfolger?
Der neue Trainer des Fußball-Westfalenligisten TuS Erndtebrück steht fest: Christian Hartmann soll die Scherben des bisherigen Trainers Mounir Saida aufräumen. Doch woran lag es, dass Mounir Saidas Engagement beim früheren Oberligisten bereits nach einer halben Saison zu Ende ist? Unsere Analyse sorgt für Aufschluss.
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1. An den Nachwehen der verkorksten Saison 2023/24, die nach dem Abstieg aus der Oberliga um ein Haar in den nächsten Abstieg in die Landesliga geführt hätte:
Rückblende: Mitte November 2023. Mit einem 6:1-Sieg gegen den SC Neheim verteidigte der TuS Erndtebrück damals seine Tabellenführung, war sechs Monate nach dem Abstieg aus der Oberliga inzwischen den fünften Spieltag nacheinander Spitzenreiter in der Westfalenliga. Doch der Sieg gegen Neheim wurde zur Zäsur für die Wittgensteiner. Eine Woche später verlor das Team des damaligen Trainers Michael Müller mit 1:4 beim Holzwickeder SC, vor der Winterpause dann noch mit 1:2 bei Westfalia Soest.
„Die Spieler stehen im 4-3-3 kompakter, fühlen sich wohler.“
Bis zum Saisonende konnte Erndtebrück in 14 Spielen nur noch zwei Siege und zwei Unentschieden einfahren. Im Rückblick räumt manch einer rund um den „Pulverwald“ ein, dass der Wandel vom Absteiger zum Liga-Primus wenig förderlich für das junge Personal des TuS gewesen ist: „Das war nicht gut für die Köpfe.“ Eine trügerische Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr in die Oberliga, die die Spieler möglicherweise bis heute als Last mit sich herumtragen.
2. Daran, dass er keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Kaders hatte:
Als Mounir Saida kurz vor dem vorletzten Spiel (0:4 beim SC Neheim) des TuS Erndtebrück in der vergangenen Saison als neuer Trainer der Wittgensteiner verpflichtet worden war, stand „sein“ künftiger Kader bereits lange fest. Der Sportliche Leiter Holger Lerch hatte bis dahin, wie es seine gut gepflegte Routine ist, schon frühzeitig die Personalien in trockene Tücher gebracht, hatte Abgänge abgearbeitet, Neuzugänge unter Vertrag genommen.
„Er steht für intensiven, offensiven und dominanten Fußball; sein Konzept hat mich vollends überzeugt.“
Selbst als Saida Ende April dem „Pulverwald“ seinen Erstbesuch abstattete und ein 2:0 gegen den Hombrucher SV miterlebte, war die vorzeitige „Anstellung“ des Japaner Mamoru Iwamatsu nur noch eine Frage der Bekanntgabe. Nachdem Saida als Trainer schließlich in der Verantwortung war, kamen nur noch Shion Ueno, Torwart und Torwarttrainer Oliver Schnitzler, Marius Burkert und Kaito Nakamura an die Eder.
3. An Saidas eigener Fußball-Philosophie:
Der Ruf, ein Fitness-Freak, überdies versessen in Details zu sein, eilte Mounir Saida an allen seinen bisherigen Trainer-Stationen voraus. Eine gute körperlicher Verfassung seiner Spieler ist aus seiner Sicht die unabdingbare Grundlage für guten Fußball seiner Mannschaften. Und so wurde auch nach Saidas Amtsantritt beim TuS schnell gefrotzelt: „Der kommt mit Laufschuhen zum Training.“
„Nein, das können wir auch auf dem Platz machen.“
Beim Oberligisten 1. FC Kaan-Marienborn scheuchte der damalige Co-Trainer Saida sein Personal gerne die Hainer Hütte in Siegen hoch. Vor Saisonbeginn danach befragt, ob der Gickelsberg hinter dem „Pulverwald“ nun zur Hainer Hütte von Erndtebrück werde, antwortete der neue TuS-Trainer allerdings: „Nein, das können wir auch auf dem Platz machen.“
4. An Saidas Anspruch an seine Mannschaft:
Auf zwei Säulen sollte das Spiel seiner neuen Mannschaft beim TuS Erndtebrück zunächst stehen. „Hinten geben wir eine klare Struktur vor“, erklärte Mounir Saida während der Saisonvorbereitung, „vorne sollen die Spieler kreativ sein, sollen selbst entscheiden, was sie machen.“ Der Plan des Trainers ging nicht auf, zumindest nicht in der Offensive. Immer wieder musste er mit ansehen, dass sein Team viele Chancen herausgearbeitet, aber viel zu wenige davon genutzt hat. Erndtebrück geht so als 14. des Klassements mit nur 17 Toren in die Winterpause. Weniger Treffer erzielte nur der SV Sodingen.
Ganz anders die Bilanz in der Verteidigung: Das Saida-Team (22) hat die drittwenigsten Gegentore aller Westfalenliga-Konkurrenten kassiert. Und: Bei den bislang neun Niederlagen verlor Erndtebrück sieben Mal mit nur einem Tor Unterschied – auch bei jenem 1:2 beim BSV Schüren im vorletzten Auftritt (zwischen zwei Siegen), das Holger Lerch als Beleg für die weiterhin fehlende Stabilität und für die Trennung von Übungsleiter Saida wertete.
5. An der langen Suche nach dem richtigen System:
Womöglich hat Coach Saida zu lange an seinem anfänglichen Spielsystem festgehalten. Erst im Oktober wechselte er von der offensiveren 4-2-3-1-Variante ins defensivere 4-3-3. Mit Erfolg: Auf ein beachtliches 1:1 am 9. Spieltag beim Oberliga-Absteiger und Tabellenführer TSG Sprockhövel folgte eine Woche später der erste Saisonsieg, ein 3:1 gegen Westfalia Herne. Da war das Kind aber schon mit nur zwei Punkten aus acht Auftritten in den Brunnen gefallen. Seit der Umstellung holten die Wittgensteiner zehn Punkte in sieben Spielen. Was den Wandel ausmachte, erklärte Saida so: „Die Spieler stehen im 4-3-3 kompakter, fühlen sich wohler.“
6. An der guten Saison-Vorbereitung:
Mounir Saida beteuerte immer wieder, wie gut die Saison-Vorbereitung mit seiner neuen Mannschaft gelaufen sei. Die Spieler hätten mitgezogen. In den Testspielen gab es, abgesehen einer erwartbaren Niederlage (1:5) beim Oberligisten SF Siegen, auch ein enttäuschendes 0:2 gegen den Landesligisten SV 04 Attendorn. Nach einem 2:0-Sieg gegen den Oberligisten SG Finnentrop-Bamenohl mit zwei Toren von Are Wolzenburg gingen die Wittgensteiner dann aber optimistisch in die Saison – und landeten nur eine Woche später mit einem 0:2 beim RSV Meinerzhagen prompt auf dem Boden der Tatsachen. Saida war von der Art dieses Auftritts bitter enttäuscht, und bei den Spieler schien die Verunsicherung aus der vergangenen Saison wieder zurückgekehrt zu sein.
7. Am Plan des Sportlichen Leiters Holger Lerch:
Vom Vorschusslorbeer war ein halbes Jahr später nichts mehr zu spüren, als Holger Lerch unlängst die Trennung verkündete. Erst im Mai hatte der Sportliche Leiter vom „Pulverwald“ zur Verpflichtung von Coach Mounir Saida gesagt: „Er steht für intensiven, offensiven und dominanten Fußball; sein Konzept hat mich vollends überzeugt.“ Nachdem Michael Müller im Abstiegskampf vom Traineramt zurückgetreten war, sollte nun Saida dabei helfen, Lerchs Vorstellung vom TuS Erndtebrück umzusetzen: jung, regional, erfolgreich. Der Jahrgang 2001 (wie etwa die Wolzenburg-Zwillinge oder Tobias Hombach) wurde zur größten Fraktion im Kader, Spieler aus der näheren Umgebung (wie Elmin Heric, ebenfalls Jahrgang 2001) wurden zum Rückgrat der Mannschaft.
Dazu kam im vergangenen Jahr etwa der damals erst 19-jährige Clemens Tartan aus dem Nachbarort Birkelbach. Selbst Neuzugang Justin Huber (vom Oberligisten SF Siegen) ist mit 25 beileibe kein Fußball-Senior. Auch in (langen) Zeiten ohne Erfolg hielt Lerch stets an seinem Plan fest, verwies immer wieder auf die „Qualität in der Mannschaft“ mit dem Argument: „Den Kader hätte ich so auch für die Oberliga zusammengestellt.“ Und auch dazu ist am „Pulverwald“ hinter vorgehaltener Hand zu hören: Jung und regional sei ein guter Weg, aber der stete Verweis auf „Qualität“ und „Oberliga“ sei schon beim Höhenflug im Vorjahr in die Köpfe der Spieler eingedrungen – und bremse sie in den entscheidenden Situationen bis heute aus.