Jeder Fußballplatz Deutschlands. Reporter Felix Knebel und Redakteur Felix Leyendecker streiten über die Grundwerte des Sports, über die Einsatzbereitschaft und die Folgen von Corona.

Stirbt die Einsatzbereitschaft im Amateurfußball aus? Redakteur Felix Leyendecker und Reporter Felix Knebel stellen sich dieser Frage - und sind unterschiedlicher Meinung, auch dank eigener Erfahrungen.

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Pro: Die Grundwerte des Amateurfußballs sind in akuter Gefahr

Felix Knebel: Dass ein hiesiger Trainer im Sommer sein Amt niederlegt und aufgrund von mangelndem Ehrgeiz, fehlender Verlässlichkeit der jüngeren Generationen und immer weiter schrumpfenden Zahlen von aktiven Kickern das Interesse am Fußball verloren hat, steht sinnbildlich für die Veränderung im Amateursport. Ich selbst bin 28 Jahre alt und hänge irgendwo zwischen den Werten älterer Generationen, für die der Fußball über allem stand, und den Möglichkeiten der aktuellen Jugend fest.

Als junger Erwachsener lebst du heutzutage in einer Welt, in der du jeden Tag etwas anderes erkunden kannst. Um dich mit deinen Freunden zu verbinden, reicht eine Whatsapp-Nachricht, Sport findet auf der Playstation statt, Zeit mit der Familie ist rar gesät, und jeder Einkauf ist nur einen Mausklick entfernt. Sport mag nicht immer an erster Stelle stehen, und an Wochenenden wird der Stadionbesuch oder die Geburtstagsparty wichtiger, da soziale Interaktionen sowieso immer weniger werden.

Felix Knebel.
Felix Knebel.

Genau an dieser Stelle entsteht ein Bruch zwischen den Grundwerten Gemeinschaft, Ehrgeiz und Zusammenhalt, die der Volkssport Fußball verkörpert und der immer bequemer werdenden Gesellschaft. Als ich in den Seniorenbereich kam, war klar, dass nach den Trainingstagen Mittwoch und Freitag noch mindestens bis 21 Uhr gemeinsam in der Kabine gesessen wurde – selbst im Winter fand kein Training mit weniger als zehn Leuten statt. Es war auch völlig egal, ob wir in der B-, C- oder D-Klasse spielten. Wir waren eine Gemeinschaft, die über den Platz hinausging.

Ich bin in meiner Seniorenlaufbahn durch drei Mannschaften meines Vereins gewandert und habe eine Vorstandsposition bekleidet. Was mich wirklich traurig macht, ist, dass ich bestimmt 30 Leute habe aufhören sehen, die dem Verein jetzt weiterhelfen würden. Viele hatten einfach keine Lust mehr, was zum einen an den bereits aufgeführten Argumenten liegt. Auf der anderen Seite können wir jetzt einfach meckern. Oder aber wir wertschätzen unsere aktiven Spieler, hören ihnen zu und gehen aktiv auf junge Erwachsene in den Dörfern zu.

Contra: Der Amateurfußball ändert sich eben, damit müssen wir leben

Felix Leyendecker: Früher war alles besser, richtig? Früher sind Fußballer nicht sonntags während der Saison im Urlaub geblieben. Früher wurde noch abends gegessen, gezecht und darüber philosophiert, wie die nächste Trainingseinheit aussieht. Ich muss gestehen: All das habe ich nur aus Erzählungen gehört. Ich selbst habe im Verein Rugby gespielt, nicht Fußball. Und da war die Regel einfach: Komm zum Training, spul dein Pensum ab, sei fit zum Spieltag und spiel. Kein Schnickschnack außen rum. Und das alles war vor fast zehn Jahren.

Felix Leyendecker
Felix Leyendecker © Leonie Dittrich

Natürlich haben sich die Bedürfnisse geändert. Fast jede Partnerin schüttelt heute den Kopf, wenn der lang ersehnte Urlaub verkürzt werden muss, damit der Göttergatte am Sonntag in der Kreisliga D gegen den Ball tritt. Ich kann auch diejenigen verstehen, die sagen, dass etwas verlorengegangen ist. Aber unsere Gesellschaft wandelt sich nun einmal. Und den Todesstoß für den Sport, den würde ich gar nicht in der heutigen Generation sehen, sondern bei Corona.

Seit der Pandemie wissen wir, dass wir unsere Zeit auch anderweitig – also außerhalb des Fußballplatzes – verbringen können. Und wenn dann doch mal Fußball im Vordergrund steht, dann ist ein Stadionbesuch auf Schalke plötzlich schöner, als selbst auf dem Platz zu stehen. Das kann ich niemandem wirklich verübeln. Die Einsatzbereitschaft im Fußball stirbt nicht aus, sie hat sich nur verändert. Wir müssen jetzt neue Wege finden, unsere Akteure zu motivieren, bevor alles wegbricht, was einem mal etwas bedeutet hat.

Übrigens: Meine Rugbymannschaft hat sich vor zwei Jahren aufgelöst – mangels Spielern. Ich kenne das Problem also aus eigener Erfahrung. Und es fühlt sich scheiße an.