Erndtebrück. In der koreanischen Kampfkunst Hapkido findet der Autor Ruhe und Selbstbeherrschung. Warum seine eigene Unsportlichkeit am Ende zum Vorteil wird.

Ehrfurcht erfüllt mich, als ich den Dojang in Erndtebrück betrete. „Dojang“ ist ein koreanischer Begriff. Die Freunde der japanischen Kampfkunst können vermutlich mit dem Begriff „Dojo“ eher etwas anfangen. Egal in welcher Sprache, es beschreibt einen Ort des Trainings. Bevor ich mich selbst in die Welt des Hapkido des TuS Erndtebrück stürze, beobachte ich. Und lerne gleichzeitig die Grundlagen des Hapkido. Gerade ist noch der Kinderkurs zugange. Sechs Trainer kümmern sich da um rund 40 Kinder. Es wird getobt, geübt und gelacht.

Und dann geschieht etwas, was ich bereits aus meiner eigenen Kindheit kenne, als ich Judo gelernt habe. Abteilungsleiter Jens Hoffmann bittet die Gruppe in einen Kreis und ein einziges koreanisches Kommando reicht, dass der gesamte Raum voller Kinder schweigt. Mucksmäuschenstill warten die Kinder auf das Kommando ihres Lehrers. Ein Attribut, was mich damals schon begeistert hat und heute immer noch tut: Das Wort des Lehrers ist Gesetz. Respekt ist in der asiatischen Gesellschaft eine Tugend und diese Tugend überträgt sich auch auf den Kampfsport. Auch in Erndtebrück.

En garde: Der Stock gehört ebenfalls zum Hapkido-Training. Was einfach aussieht, ist teilweise ganz schön kompliziert.
En garde: Der Stock gehört ebenfalls zum Hapkido-Training. Was einfach aussieht, ist teilweise ganz schön kompliziert. © Benner | Janina Benner

Die Zeit vergeht und die Kinder verlassen begeistert den Dojang. Dann sind die Erwachsenen dran. Nicht in der Sporthalle, sondern einen Stock höher, auf Matten. Allein das Gefühl, barfuß auf den Matten zu stehen, erinnert mich an meine Kindheit. Und auch hier, direkt zu Beginn, ist Disziplin die höchste Tugend. Alle stellen sich auf, sortiert nach ihrem Gürtel. Alle blicken den Lehrer an und Jens Hoffmann blickt zurück zur Gruppe. Es obliegt dem ranghöchsten Schüler, in diesem Fall Rotgürtelträger Marco Klammt, den Lehrer zu begrüßen und auf dessen Erwiderung zu warten. Dann verneigt - nicht verbeugt - sich die Gruppe vor dem Meister und der Meister sich vor der Gruppe. Disziplin und Ordnung, streng nach Hierarchie. Etwas befremdlich, denke ich mir. Und doch aufregend.

Hoch das Bein: Auch wenn Redakteur Felix Leyendecker alles gibt, so hoch wie sein Trainingspartner Malik Frank kommt er nicht.
Hoch das Bein: Auch wenn Redakteur Felix Leyendecker alles gibt, so hoch wie sein Trainingspartner Malik Frank kommt er nicht. © Benner | Janina Benner

Es geht aber nicht direkt mit Übungen los. Erst wird locker durch den Raum gegangen, dann werden sich gegenseitig Bälle und Ringe zugeworfen. Warum das Ganze, frage ich mich. Bis mir klar wird, dass es zur Koordination dient. Wenn du nicht weißt, von wo der Ball oder der Ring kommt, wirst du achtsam und reagierst auf deine Umgebung. Der erste Schritt, er beginnt nicht mit Technik, sondern im Geiste.

Kein Walzer und auch kein Tango: Die Grundlagen des Hapkido sind zwar schnell erklärt, für den ungeübten Laien aber eine kleine Herausforderung.
Kein Walzer und auch kein Tango: Die Grundlagen des Hapkido sind zwar schnell erklärt, für den ungeübten Laien aber eine kleine Herausforderung. © Benner | Janina Benner

Die Dehnübungen fordern mich zum ersten Mal heraus und ich stelle mir unweigerlich die Frage, ob ich hier nicht einen großen Fehler begehe. Der Vierfüßlerstand ist da noch das kleinste Problem, aber den Fuß so neben dem Kopf zu platzieren, dass sich alles anspannt, lässt mich dann doch etwas schwitzen. Spätestens bei der Kobra, die ich sonst nur aus dem Yoga kenne, fange ich an, meine sportliche Idee zu hinterfragen. Und das ist vielleicht auch gut so. Denn ehe ich mich versehe, sind die Dehnübungen vorbei und es geht ans Eingemachte.

Am Ende gibt es dann doch noch was zu lachen: Mit Schaumstoffmatten auf die Füße zu schlagen, das kann wehtun - und Spaß machen.
Am Ende gibt es dann doch noch was zu lachen: Mit Schaumstoffmatten auf die Füße zu schlagen, das kann wehtun - und Spaß machen. © Benner | Janina Benner

Vorweg mein Dank an meine Sparringspartner Marco Klammt und Malik Frank. Danke dafür, dass ich nicht jedes Mal die Matte knutschen musste, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Marco nimmt sich die Zeit und erklärt mir die Basics der Selbstverteidigungsmechanismen im Hapkido. Klar, vom Sichelschritt habe ich im Judo gehört, aber das ist inzwischen auch 20 Jahre her. Was die Ausführung der Übungen angeht, gibt es Nachholbedarf bei mir. Wären wir beim Handball, dann wären die Schrittfehler ins Unermessliche gegangen. Doch nach einer Weile kriege ich den Kniff raus und habe - Spaß. Spaß daran, dass die alte Erinnerung wiederkommt. Und Spaß daran, etwas Neues zu erlernen.

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Und wer kann von sich behaupten, die Tritt-Techniken des Hapkido von einem waschechten Weltmeister beigebracht zu bekommen? Malik hat eine unendliche Geduld mit mir und auch wenn ich mein Bein nicht so hoch bekomme, wie ich möchte und dastehe, wie ein nasser Sack: Es klappt. Sogar so gut, dass ich mich dabei ertappe, ein Lächeln aufzusetzen. Und das Lob kommt auch vom Meister selbst, wenngleich er meine Versuche teilweise mit einem Schmunzeln beobachten muss. Mir wäre es vermutlich nicht anders gegangen, wenn ein Anfänger seine ersten Schritte macht.

Bitte nicht den Neuling treten: Lehrer Jens Hoffmann (Mitte) beobachtet die Tritt-Technik von Malik Frank (li.).
Bitte nicht den Neuling treten: Lehrer Jens Hoffmann (Mitte) beobachtet die Tritt-Technik von Malik Frank (li.). © Benner | Janina Benner

Das Highlight: Die Trainingsstöcke. Ja, Stöcke. Damit wird nicht blindlings auf den Kontrahenten eingedroschen, sondern es ähnelt einer rhythmischen Abfolge. Oben, unten, oben, unten, links, rechts, links, rechts. Einfach zu merken und doch sehen meine Versuche teilweise abenteuerlich aus. Marco nimmt es mit Humor und gibt Anweisungen. Und sorgt damit für ein Grinsen in meinem Gesicht. Als die Übungseinheit nach einer Stunde zu Ende ist, bin ich zwar immer noch hoch motiviert, habe aber meine eigenen Grenzen deutlich zu spüren bekommen. Ob ich es wieder machen würde? Vielleicht. Die Einladung von Lehrer Jens Hoffmann steht auf jeden Fall. Vielleicht komme ich ja darauf zurück. Denn eine Erfahrung war es allemal.