Siegen. Mit fast 3000 Zuschauern im Leimbachstadion hat niemand gerechnet. Kapitän Mats Scheld hat bei beiden Toren die Füße im Spiel.

Diesen Freitagabend wird Fußball-Siegen so schnell nicht vergessen. Alteingesessene Sportfreunde-Anhänger schwelgten in Erinnerungen: „Weißt du noch...?“ So wurden viele Dialoge der Älteren auf der Tribüne des Leimachstadions eingeleitet, während die Jüngeren staunend ins Rund blickten.

Offizielle 2708 Zuschauer, mit allem Drum und Dran wurde die 3000er-Marke wohl geknackt. Eine für Oberliga-Verhältnisse Wahnsinns-Kulisse. Wenn noch jemand Fragen hat in Sachen Aufbruchstimmung und Euphorie: Sie wurden an diesem Abend eindrucksvoll beantwortet. Und am Ende stand der 2:1 (1:1)-Erfolg der Mannschaft von Trainer Thorsten Nehrbauer gegen den SV Lippstadt.

Sie versehen den großen Wunsch nach der Nummer 1 der Liga noch mit einem Fragezeichen. Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Das freut die Fans unterm Tribünendach.
Sie versehen den großen Wunsch nach der Nummer 1 der Liga noch mit einem Fragezeichen. Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Das freut die Fans unterm Tribünendach. © Rene Traut | Rene Traut

Die Mannschaft war von der Kulisse offensichtlich sehr beeindruckt. Nehrbauer hatte im Vorfeld vom Druck, der wohl vor allem auf den Jüngeren laste, gesprochen. Aber auch die Erfahreneren hatten damit zu tun. Das gesamte Gebilde benötigte die Zeit, um einzurollen, musste zunächst einer ballsicheren, aus einer sicheren Fünferkette heraus gut kombinierenden Gäste-Mannschaft Tribut zollen. Der verdiente Rückstand aus der 20. Minute durch den Kopfballtreffer des früheren Steinbachers Maurice Buckesfeld ist der Beleg dafür.

Trainer Thorsten Nehrbauer schreit seine Freude über den Auftaktsieg nach dem Schlusspfiff heraus.  Sein Team hatte über die Leidenschaft zum Spiel gefunden.
Trainer Thorsten Nehrbauer schreit seine Freude über den Auftaktsieg nach dem Schlusspfiff heraus. Sein Team hatte über die Leidenschaft zum Spiel gefunden. © Rene Traut | Rene Traut

Was dann kurz vor der Halbzeit geschah, beschreibt Kapitän Mats Scheld: „An meinem Eckball war meiner Meinung nur der Torwart dran, eine weitere Berührung habe ich dann nicht mehr gesehen. Aber das ist ja eigentlich auch wurscht. Das 1:1 zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Pause war enorm wichig.“ Im offiziellen Spielbericht tauchte das 1:1 als Eigentor des Lippstädters Maximilian Franke auf. Egal wie - es war auf jeden Fall das wichtige Signal, das am Ende der ersten Halbzeit die Wende einleitete.

„Wer das Tor nun gemacht hat, ist ja eigentlich auch wurscht. Das 1:1 zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Pause war enorm wichtig.“

Mats Scheld,
Sportfreunde-Kapitän, der mit seinem Eckball für Verwirrung bei den Offiziellen sorgte

Denn nach dem Wechsel wurde das Siegener Spiel besser, sicherer. „Die Kulisse hat das Team getragen“, so Trainer Thorsten Nehrbauer. „Das war schon doll“, zeigt sich Mats Scheld beim sonntäglichen Freibadbesuch in Salchendorf tief beeindruckt. „Mit so einer Zuschauerzahl hat wohl keiner gerechnet. Dass ein paar mehr kommen als in der Vorsaison üblich, war uns schon klar. Aber fast 3000 - das ist irre.“ Dass er auch zum entscheidenden 2:1 durch den Kopfball von Markus Pazurek nach 54 Minuten seinen linken Fuß im Spiel hatte, quittiert er mit einem Schulterzucken. „Standards können eben Spiele entscheiden.“

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Dass im Publikum das komplette Zweitliga-Handball-Team des TuS Ferndorf saß, quittierte man auf Sportfreunde-Seite wohlwollend. Die Mannen von Trainer Ceven Klatt zeigten sich durchaus beeindruckt von der Atmosphäre, auch wenn es im geschlossenen Raum der Kreuztaler Stählerwiese bei der Hälfte der am Freitag registrierten Zuschauet durchaus ebenso stimmungsvoll zugehen wird. Dass so einige aus dem TuS-Team zudem über Fußballverstand verfügen, beweisen die Resultate ihres internen Tippspiels. Fynn Herzig und Fabian Hecker hatten den Siegener 2:1-Erfolg auf dem Zettel.

Markus Pazurek weiß in der Jubeltraube, bei wem er sich bedanken muss: Kapitän Mats Scheld hat den mal wieder optimalen Standard geliefert.
Markus Pazurek weiß in der Jubeltraube, bei wem er sich bedanken muss: Kapitän Mats Scheld hat den mal wieder optimalen Standard geliefert. © Rene Traut | Rene Traut

Kommen wir zurück zu den Randereignissen, die bei dieser Zuschauerzahl zwangsläufig auftreten. Der Blick in den Gäste-Block verriet, dass die Lippstädter Fanszene nach dem Regionalliga-Abstieg an größere fußballerische Taten anzuknüpfen gedenkt. Dunkelrote Bengalos erhellten die einsetzende Freitagabend-Dämmerung, den lauten Böller werten wir mal als symbolischen Startschuss in die neue Saison. Die Hinweise des Stadionsprechers, doch bitte das Abbrennen von Knallkörpern und Bengalos zu unterlassen, verhallte ungehört.

Gästefans benehmen sich daneben

Und nach dem Spiel beklagte sich der städtische Stadionwart Stefan Weber über Vandalen unter den gut 100 angereisten Fans. Abgetretene Urinale und zerstörte Abdeckungen in der Toilettenanlage sind neben den nicht druckreifen Gesängen aus der Kurve - die Antworten kamen jeweils prompt von der anderen Seite - die unschönen Überbleibsel eines solchen Abends.

Sportfreunde Siegen - SV Lippstadt 2:1 (1:1)

Siegen: Weis - Nabesaka, Mayer, Ticha, Tomas (65. Krumm) - Pazurek, Mavroudis (85. Krämer) - Pursian (60. Werlein), Scheld (79. Dej), Kyere - Kader (85. Hodroj).

Lippstadt: Aust - Sadeghi, Temin, Steininger, Köhler (46. Amadi) - Neugebauer (69. Biniek), Böll, Franke (69. Dogan), Dere (60. Coskun) - Kaiser (69. Romano)

Schiedsrichter: Waldemar Stör (Östinghausen).

Tore: 0:1 Buckesfeld (20.), 1:1 Scheld (42.), 2:1 Pazurek (54.),

Zuschauer: 2708.

Dass die Lippstädter Polizei am Vorabend des Spiels wegen Verschmierungen rund um das alte SVL-Stadion am Waldschlösschen Mitstreiter der Sportfreunde-Fanszene als Verdächtige ausgemacht hatte, mag die aggressive Wortwahl und das Auftreten der Gäste-Anhänger verständlich erscheinen lassen. Die beiden Lager waren allerdings schon in der Vergangenheit mehr als nur verbal aneinandergeraten. Eine tiefe Freundschaft, so viel steht fest, bahnt sich hier nicht an.