Krombach/Littfeld. Sie ist schon zweifache Deutsche Meisterin und will höher hinaus: Linnea Kristin Schnerr vom SV Littfeld 1867 ist ein Talent im Sportschießen.

Freitagabend auf dem Schießstand des SV Littfeld 1867 „In der Limbach“. Der Luftgewehrstand ist gut ausgelastet. Auch Linnea Kristin Schnerr hat sich mit ihrer Hochleistungswaffe eingerichtet, sich in ihren schwarz-weißen Anzug gezwängt, der schwer genug ist, um den Bewegungen der zierlichen 16-Jährigen etwas Eckiges zu verleihen.

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Ihr Name steht in großen Buchstaben auf der Rückseite und macht deutlich, dass die Schülerin aus Krombach nicht irgendeine Nachwuchsschützin ist, die ihr Übungspensum auf der im Sommer modernisierten Anlage absolviert. Linnea Kristin Schnerr ist im Spätherbst 2021 Deutsche Meisterin in ihrer Altersklasse geworden, gehört zum Landeskader, schießt erfolgreich in der 2. Bundesliga und wird in wenigen Wochen an einer Ausscheidung teilnehmen, die über die Teilnahme an der Europameisterschaft entscheidet.

Individuelle Trainingsprogramme

„Sie ist ein Talent“, meint ihr Trainer Jörg Stenzel, der selbst früher in der Nationalmannschaft geschossen hat. Der Übungsleiter hat einen Blick auf alle Schützen, die gerade auf die Scheiben anlegen, die nach dem Umbau digital sind. Für alle gibt es ein individuelles Trainingsprogramm, abhängig von Anspruch und Ausbildungsstand. Linnea Kristin Schnerr gibt 80 Schuss ab. 60 bilden eine normale Serie, der Rest ist Bonus für das Training.

Vater Matthias Schnerr steht im Hintergrund und findet die Leistung seiner Tochter schon wieder erstklassig. Sie selbst ist mit dem bis dahin erzielten Ergebnis ebenfalls zufrieden, wobei Vater und Trainer eine wichtige Eigenschaft ihres gemeinsamen Schützlings hervorheben: Ihre Wettkampfhärte. „Trainingsweltmeister haben wir viele“, schmunzelt Stenzel. Linnea zeige ihre besten Leistungen aber regelmäßig im Ernstfall. Das sei ihre große Stärke.

Für Trainer Jörg Stenzel ist klar: „Linnea bringt sehr viel Talent mit. Ich traue ihr noch einiges zu.“
Für Trainer Jörg Stenzel ist klar: „Linnea bringt sehr viel Talent mit. Ich traue ihr noch einiges zu.“ © Michael Kunz, Siegen | Michael Kunz

Weil er Jörg Stenzel gut kannte, beschloss Matthias Schnerr, früher selbst Fußballer, seinen Sohn einmal mit dem Sport in Berührung zu bringen. Der sei Autist und sollte testen, ob ihm das Schießen, die Geduld und Konzentration, voranbringen könnten. Was beim Sohn nicht klappte, funktionierte aber mit Tochter Linnea. Stenzels Vater Rolf, Trainerurgestein im Verein, erkannte 2015 sofort etwas Besonderes in der jungen Dame, die da plötzlich im Schießstand vorstellig wurde und vorher geturnt hatte.

Littfelder Talentschmiede

Jörg Stenzel übernahm wann das Training, unterstützt von weiteren Spezialisten, je besser Linnea wurde. Der SV Littfeld hat immer wieder Schützen hervorgebracht, die überregional von sich reden machten. „Eine wie Linnea kommt aber nicht alle Tage vorbei“, ist Jörg Stenzel überzeugt. Im ersten Jahr nahm die Schülerin an Rundenwettkämpfen teil. Relativ schnell zeigte sie ihr Können und wurde verstärkt eingesetzt. Ihre Wettkampfqualitäten machten sich bemerkbar, Erfolge blieben nicht aus. Aktuell hat sie sich auf das Luftgewehrschießen konzentriert, weiß aber, dass sie am Kleinkaliber nicht vorbeikommt, wenn sie ihre Karriere voranbringen will. „Ich habe damit aber noch nicht so viel trainiert“, sagt sie. Der größte Unterschied zum Luftgewehr sei der Rückschlag. Natürlich ist auch das wettbewerbsmäßige Luftgewehrschießen nicht mit dem zu vergleichen, was der eine oder andere aus dem Hobbykeller oder von der Kirmes kennt.

Eine hochmoderne Schießanlage

Der Schützenverein Littfeld wurde 1867 gegründet, ist damit der älteste Verein im Kreuztaler Ortsteil. In der Vereinssatzung heißt es wörtlich: „Der Littfelder Schützenverein hat sich außer dem geselligen Vergnügen die Übung im Schießen aus Büchsen zur Aufgabe gestellt.“ Der Verein verfügt über acht Luftgewehr- und Luftpistolenstände mit elektronischer Trefferanzeige. Die acht Kleinkaliberstände (50 m) sind mit Kameras und Monitoren ausgestattet. Vier Stände können zum 100 m-Schießen genutzt werden. Auf der Wiese vor dem Schützenheim steht ein 600 qm großer Bogensportplatz zur Verfügung.Trainingszeiten Gewehr und Pistole: Jugend mittwochs ab 18.30 Uhr, freitags ab 18 Uhr; Schützen freitags ab 19 Uhr; Senioren dienstags ab 16 Uhr – Bogensport: dienstags ab 17.30 Uhr für alle.Bei den Kreismeisterschaften 2022 gab es mehrere Titel. In der Kategorie Luftgewehr freihand gewann Michelle Meister mit 384 Ringen die Juniorinnen-Konkurrenz. Mit der Luftpistole sicherte sich Nathalie Meister mit 361 Ringen den Sieg im Dameneinzel. Im Kleinkaliberschießen (60 Schuss liegend) gab es durch Antonia Voosen-Müller (Juniorinnen I), Katharina Pieper (Juniorinnen II), die Juniorinnen-Mannschaft (Linnea Kristin Schnerr, Katharina Pieper), Tanja Vossen (Damen II), Stefanie Gernand (Damen III), die Damen III-Mannschaft (Anke Groos, Brigitte Döbbeler, Stefanie Gernand) sowie im KK-Schießen 100 m Auflage durch Günter Döbbeler (Senioren II) mehrere Titel zu bejubeln. Mit der Sportpistole schoss sich Nathalie Meister zur Kreismeisterin.Weitere Infos zum Verein auf www.sv-littfeld.de

Neben dem Anzug trägt Linnea eine Klappe über dem linken Auge. Ihre Fußstellung richtet sie mit einem Zollstock auf dem Boden aus, der eine spaßig-analoge Komponente in dieser hoch technisierten Atmosphäre ausmacht, in der Gewehre mit Pressluftpatronen betrieben werden und nicht mehr einzeln „gepumpt“ werden müssen. Auch der Abzug ist elektronisch verstärkt, reagiert auf den leisesten Druck. Dies erfordert wiederum auch noch mehr Konzentration und Feingefühl. Nur das Laden der Kugeln ist nach wie vor ein händischer Vorgang.

Tagesbestergebnis in der 2. Liga

So wird es auch in wenigen Wochen sein, wenn Linnea die Chance hat, sich für die EM zu qualifizieren. Beim Sichtungsschießen der Juniorinnen im Dezember hat sie einen guten vierten Platz belegt. Internationale Wettbewerbe, am Ende gar Olympische Spiele wären eine schöne Sache. „Aber ich habe ja auch noch ein bisschen Zeit“, findet die junge Sportschützin, die gelernt hat, dass es nicht immer der Top-Platz sein kann – so wie in der 2. Luftgewehr-Bundesliga, wo sie Anfang Januar mit dem SSV Elsen II den zweiten Platz belegt hat. Beim 4:1 gegen Hilgert lieferte sie das Tagesbestergebnis. Weil sie noch zu jung ist, darf sie in der 1. Bundesliga nicht antreten. Auch bei der Deutschen Meisterschaft ist sie für Elsen gestartet, hat ihren Erfolg von 2019 in der Jugendklasse wiederholt, setzte sie sich mit drei Ringen Abstand souverän durch.

„Trockenübungen“ im Lockdown

2020 hatte sie ihren ersten internationalen Auftritt, als jüngste deutsche Teilnehmerin bei der „Intershoot“ in Den Haag. Da reichte es knapp nicht für das Finale der letzten Acht. „Die Ergebnisse waren aber dennoch sehr gut“, sagt der stolze Vater, der mit Schaudern an die Lockdown-Zeit denkt. Viele Monate kein Training, dann durfte die Tochter im Dortmunder Landesstützpunkt trainieren. Die Eltern sorgten für den Transport zweimal die Woche. Nur wer im Bundeskader war, durfte durchgehend trainieren. „Immer wieder die Abläufe üben, wenigstens trocken“, war für Linnea Kristin Schnerr die Devise während der Zeit der verschlossenen Anlage.

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Sie ist sich bewusst, dass auch zweimal Training pro Woche nicht reicht, wenn sie mehr erreichen will. Dass sie das möchte, steht fest. Wichtig sei der stetige Zugang zur Littfelder Anlage, die nur wenige Minuten vom elterlichen Haus entfernt ist. Und eine eigene in Papas Keller? „Angesichts der Fahrtkosten nach Dortmund wäre das eine Alternative“, lacht Matthias Schnerr. Doch das ist Musik für die Zukunft, die für Tochter Linnea Kristin rosig sein soll.