Erndtebrück. Statt um den Aufstieg spielt Erndtebrück am Saisonende gegen den Abstieg. Die vielen Verletzten sind nicht die einzigen Gründe
Der Stehplatz am Geländer auf der obersten Stufe unter dem Tribünendach in der „Pulverwald-Kampfbahn“ war wieder frei, kaum hatte Schiedsrichter Florian Greger (FC Siddessen) die letzte Begegnung des Fußball-Westfalenligisten TuS Erndtebrück am Ende einer unter dem Strich verkorksten Saison abgepfiffen. Mounir Saida hatte genug gesehen. Es gab für ihn auch erstmal nichts weiter zu besprechen mit seiner künftigen Mannschaft. „Ich war bei den letzten drei Heimspielen dabei“, klärte der stille Beobachter auf.
Der neue Trainer der Wittgensteiner zog nach der finalen Zitterpartie (0:4 gegen den Holzwickeder SC) wenigstens mit der für ihn erfreulichen Erkenntnis von dannen, dass er keinen Landesligisten übernehmen wird. Andererseits erkannte er, dass in der Vorbereitung (ab 29. Juni) auf die zweite Westfalenliga-Saison des TuS nach dem Vorjahres-Absturz aus der Oberliga Westfalen einige Baustellen zu bearbeiten sind.
TuS Erndtebrück hält mit zwei Treffern Vorsprung in der Tordifferenz die Klasse
Noch lange, nachdem Saida seinen künftigen Arbeitsplatz verlassen hatte, stand die Erleichterung Trainern, Sportlichem Leiter und Spielern über das gute Ende des Dramas ins Gesicht geschrieben. Mit gerade zwei Treffern Vorsprung in der Tordifferenz auf den SC Neheim hatte sich der Winterpausen-Spitzenreiter in der Westfalenliga gehalten.
Der sportliche Niedergang hatte in den vergangenen Wochen und Monaten offenbar das Seelenleben aller Beteiligten arg strapaziert. Sie seien froh, den Klassenverbleib geschafft zu haben, war allerorts zu hören. Julian Kaiser, Co-Trainer und nach dem Rücktritt von Coach Michael Müller im April gemeinsam mit Torwart-Trainer Jörg Linker als Interims-Duo an der Seitenlinie, räumte ein: „Endlich ist das vorbei.“
Nach frühem Höhenflug des TuS Erndtebrück folgt lange Negativ-Serie
„Das“, das war eine zunehmend ausufernde Anspannung je länger die Negativserie andauerte. Mit dem 6:1 Mitte November gegen Neheim endete der Erndtebrücker Höhenflug. Es folgten mit der 1:4-Niederlage in Holzwickede am letzten Hinrunden-Spieltag in 16 Auftritten ganze zwei Siege und zwei Unentschieden, 17:44 Tore und die mit sieben Punkte Rückstand die mit Abstand schlechteste Rückrunden-Bilanz aller 16 Westfalenligisten.
Die Saison-Vorbereitung des TuS Erndtebrück
29. Juni (Samstag, 11 Uhr): Trainingsauftakt mit Grillen (Pulverwald-Kampfbahn)
10. Juli (Mittwoch, 19 Uhr): TuS Erndtebrück - VfL Biedenkopf (Gruppenliga Hessen)
14. Juli (Sonntag, 15 Uhr): TuS Erndtebrück - FC Altenhof (Landesliga)
24. Juli (Mittwoch, 19 Uhr): SV Schmallenberg/Fredeburg (Landesliga) - TuS Erndtebrück
26./28. Juli (Freitag/Sonntag): Germanen-Cup des SV Germania Salchendorf (Teilnehmer noch nicht bekannt)
2. bis 4. August (Freitag bis Sonntag): Trainingslager (Ort noch nicht festgelegt)
3. August (Samstag, 15 Uhr): TuS Erndtebrück - SG Finnentrop/Bamenohl (Oberliga)
11. August (Sonntag, 15 Uhr): 1. Spieltag Westfalenliga 2024/25
In den letzten Minuten in der Partie gegen Holzwickede, als nach und nach durchsickerte, dass Neheim (4:0 beim Lüner SV/5.) Tor um Tor aufholte, griffen die Erndtebrücker tief in die Trickkiste, um ihr eigenes 0:4 über die Zeit zu bringen. Benedikt Brusch etwa ließ sich wegen eines angeblichen Krampfes ausgiebig behandeln. „Traurig, dass es so weit kommen musste“, betonte der Ersatzkapitän. Mit Blick auf die Rückrunde stellte der 26-jährige Defensiv-Organisator, der im vergangenen Sommer nach einem Jahr zurück vom VfL Biedenkopf an den „Pulverwald“ gekommen war, fest: „Wir waren insgesamt als Mannschaft nicht da; nie, dass wir mal über den Zeitraum von 90 Minuten ein gutes Spiel gemacht haben.“
Zeitweise fehlt dem TuS Erndtebrück eine ganze Mannschaft verletzt
Eine solche Saison habe er noch nicht erlebt, sagte Brusch und bescheinigte seinen Mitspielern: „Wir haben eine super Hinrunde gespielt, und jeder wollte ja hoch, jeder war bereit dafür.“ Als Erklärung dafür, dass es anders kam, verwies er ebenso wie zuvor schon der ehemalige Trainer Müller und dessen Nachfolger Kaiser auf „die vielen Verletzten in den Rückrunde“. Zeitweise stand fast eine ganze Mannschaft hinter der Bande.
Er sei „heilfroh, dass wir aus der Saison raus sind“, sagte auch Holger Lerch, er habe „genügend Nerven gelassen“. Der Sportliche Leiter verwies für die Ursachensuche auf „vielschichtige Faktoren“. Also noch andere Gründe, wie sie auch Brusch („Da war noch mehr“) andeutete? Neben der anhaltenden Verletzten-Misere etwa die weitaus schlechter gelaufene Vorbereitung im Winter als vor der Saison, die schwache Fitness aufgrund der geringen Trainingsbeteiligung? Lerch räumte zumindest ein: „Wir müssen uns jetzt komplett neu justieren.“ Er war im Laufe der Saison nie müde geworden zu betonen, dass er den zweitjüngsten Kader der Liga „auch für die Oberliga so zusammengestellt“ hätte.
Früherer Torwart-Trainer Jörg Linker wechselt zu den Sportfreunden Siegen
Der neue Kader steht mit 20 Feldspielern und drei Torhütern, darunter der mit viel Ärger vom Bezirksligisten VSV Wenden losgeeiste Keeper Oliver Schnitzler. Der Nachfolger für den kurzfristig abgewanderten Stammkeeper Jonas Brammen soll nun zugleich seine Ersatzleute trainieren. Torwart-Trainer Linker wechselt zum Oberligisten SF Siegen. Der neue TuS-Trainer Saida war noch nicht eingebunden in die Zusammenstellung seines künftigen Personals: „Wir haben aber noch ein, zwei Positionen offen.“
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Saida schaut zuversichtlich auf seine Aufgabe in Erndtebrück. „Da sind gute Jungs dabei“, hat er gesehen. Er wolle gemeinsam mit Co-Trainer Kaiser den Spielern „Lösungen anbieten“, wie sie in den Spielsituationen selbst entscheiden können: „Wir wollen ihnen Freiräume geben.“ Und was die körperlichen Voraussetzungen seines Teams betrifft, hält es der 47 Jahre alte A-Lizenz-Trainer an der Eder genauso wie einst als Co-Trainer beim damals gerade aus der Regionalliga abgestiegenen 1. FC Kaan-Marienborn: „Wir sind keine Laufsportler, müssen aber zu 100 Prozent fit sein.“