Siegen-Wittgenstein. Wittgensteiner Mannschaften gehen die Fußballer aus. Ein Trend, der zuerst in der D-Liga anfing, erwischt nun höherklassige Vereine.

Eine durchwachsene Fußball-Saison 2023/2024 steht für Bezirksligist VfL Bad Berleburg sowie den TSV Aue-Wingeshausen, die Sportfreunde Birkelbach und die Sportfreunde Edertal aus der Kreisliga A kurz vor dem Ende. Die vier Teams, die nach dem TuS Erndtebrück den höchstklassigen Fußball Wittgensteins spielen, sollten eigentlich zu diesem Zeitpunkt die Weichen für die kommende Saison gestellt und die Kader optimiert haben, doch die Realität sieht für die Fußball-Flaggschiffe der Region anders aus.

Abgesehen von den Vorstellungen der neuen Trainer in Birkelbach und beim TSV hat noch kein einziger Verein einen Sommer-Zugang gemeldet, Abgänge stehen hingegen bei so manchem Team schon fest. Doch warum telefonieren sich die Verantwortlichen der Vereine - Kai Dengler (VfL Bad Berleburg), Sven Schneider (Sportfreunde Edertal), Jonah Stremmel (Sportfreunde Birkelbach) und Patrick Schröder (TSV Aue-Wingeshausen) - die Finger wund, ohne dabei ein Ergebnis zu erzielen? Wollen Wittgensteins Fußballer nicht mehr ambitioniert spielen?

Zig Sonntage in der Meisterschaft, dazu Testspiele und das Training. Das ist für viele zu viel Aufwand in einer Welt, in der man jeden Tag etwas anderes machen kann.
Sven Schneider - Sportlicher Leiter bei den Sportfreunden Edertal

Laut Dengler ist das tatsächlich der Fall und einer der vielen Gründe für die aktuelle Transferflaute: „Zum einen ist es so, dass wir als Bezirksligist auch oft hören, dass viele Leute keine Lust haben, drei bis viermal die Woche zu trainieren und am Wochenende dann auch mal anderthalb Stunden zu einem Spiel zu fahren.” Er fügt an: „Das muss man dann einfach akzeptieren, man kann und möchte ja auch niemandem vorschreiben, wie er seine Freizeit zu verbringen hat.”

Edertals Schneider schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Zig Sonntage in der Meisterschaft, dazu Testspiele und das Training. Das ist für viele zu viel Aufwand in einer Welt, in der man jeden Tag etwas anderes machen kann.” Tatsächlich schleicht sich hier sogar ein umgekehrter Trend ein, denn viele Spieler, die nach der Jugend zunächst eine oder zwei Saisons ambitionierter gespielt haben, zieht es schnell zurück in die Heimatvereine oder wie Schröder sagt: „Ich denke, dass die Jungs heutzutage nicht mehr den Fußball in den Vordergrund stellen und lieber zusammen mit ihren Freunden spielen wollen. Das sportliche Niveau nimmt da eher eine kleinere Rolle ein.”

Zusagen ohne Wert

Selbstverständlich gibt es aber auch ein Gegenbeispiel, denn für manche junge Spieler ist der Schritt in die umliegenden Regionen wie das Sauerland, Hessen oder das Siegerland attraktiver, da dort auch im Amateurfußball Geld verdient werden kann. Das hat zur Folge, dass sich nicht nur die Wittgensteiner Vereine, sondern auch in der Vergangenheit nicht dagewesene Konkurrenten um die Spieler buhlen. Birkelbachs Stremmel sagt: „Es gibt natürlich mehrere Gründe, warum man nicht die Wunschspieler bekommt, aber einer ist definitiv, dass es zu viele Mitbewerber für zu wenige Mannschaften gibt.” Er konkretisiert: „Drei bis vier A-Jugendmannschaften reichen nicht aus, um alle Vereine in der Breite mit Spielern zu versorgen.”

Dengler führt diesen Gedankengang fort: „Alle fischen im selben Teich und man muss auch kein Mathematik-Genie sein, um zu sehen, dass die Rechnung dann irgendwann nicht mehr aufgeht. Dementsprechend schauen die Vereine dann auch in die B- und C-Liga.” Doch gerade in diesen Ligen ist der Lokalpatriotismus ausgeprägter als in den höheren Klassen. Spieler in Vereinen wie beispielsweise dem SV Schameder, dem TuS Dotzlar oder dem TuS Diedenshausen sind in den Heimatdörfern verwurzelt und möchten die Vereine und das Umfeld nicht verlassen. Die Folge sind dann Zusagen, die am Ende nicht eingehalten werden.

Mögliche Lösungen

Schneider grübelt: „Man sieht ja an den vielen Wechseln aus höheren Klassen in die D-Liga, dass viele Spieler mit wenig Aufwand eine lockere Kugel schieben wollen. Dabei wäre altersbedingt bei manchen sicherlich noch mehr drin.” Während gerade Edertals dritte Mannschaft von dieser Dynamik profitiert hat, litt vor allem der VfL darunter, so Dengler: „Wenn alle Spieler, die letztes Jahr eine Zusage gegeben haben, am Ende zum Kader gehört hätten, dann hätten wir sieben Spieler mehr gehabt.”

Für die Zukunft malen die Verantwortlichen unterschiedliche Szenarien aus, für Schneider und Stremmel wird es auf Fusionen hinauslaufen, wie letzterer erklärt: „Ich vermute, dass der Weg in der Zukunft nicht an Spielgemeinschaften vorbeigeht. Wie soll es anders sein, wenn es in der Jugend so ist?” Dengler sieht jedoch noch eine weitere Entwicklung auf den Wittgensteiner Fußball zukommen: „Ich denke, dass es in einigen Jahren keine D-Liga mehr geben wird.” Auch Schneider fürchtet, dass die Vereinsdecke im Altkreis zukünftig dünner wird: „Ich glaube, dass es nicht so weitergehen wird, dass jedes Dorf eine Mannschaft oder sogar zwei stellt. Den einen oder anderen Verein wird es vielleicht nicht mehr geben.”