Winterberg. Der Druck war riesig: Aber Jacqueline Lölling meldete sich in Winterberg im Kampf um ein Olympia-Ticket eindrucksvoll und emotional zurück.
Irgendwann konnte und wollte Jacqueline Lölling ihre Emotionen nicht mehr kontrollieren. Als ihr Vereinsvorsitzender und Chefmechaniker Wolfram Schweizer sie in den Arm nahm, war dieser Zeitpunkt nach dem Weltcup in Winterberg gekommen – und die Tränen kullerten nicht über die Wange, sondern in den Mund-Nase-Schutz. Platz vier, eine dramatische Aufholjagd in einem Skeleton-Rennen, bei dem der Bahnrekord zigmal pulverisiert wurde – Löllings Anspannung entlud sich aber vor allem aus einem anderen Grund.
Lölling: Ein Befreiungsschlag
„Das war ein kleiner Befreiungsschlag für mich“, erklärte die 26-jährige Pilotin der RSG Hochsauerland anschließend, „vor allem der zweite Lauf.“ In diesem gelang der Brachbacherin mit einer persönlichen Bestzeit auf ihrer Heimbahn von 56,75 Sekunden eine sensationelle Aufholjagd. Den Sieg sicherte sich die Niederländerin Kimberley Bos, die im zweiten Lauf in 56,70 Sekunden Bahnrekord fuhr, vor Tina Hermann. Dritte wurde die Kanadierin Mirela Rahneva – mit nur drei Hundertstelsekunden Vorsprung auf Lölling.
++++ Lesen Sie auch: Winterberg: Lölling und die Rückkehr der Blaubemützten ++++
Anders als in der zurückliegenden Saison, als sie in Winterberg ebenfalls den vierten Platz belegte, freute sich Jacqueline Lölling dieses Mal aber wie Bolle über ihre Platzierung. Weil die Voraussetzungen andere waren.
Kampf um Olympia-Norm
Ausgerechnet den Start in die aktuelle Saison mit den Olympischen Winterspielen in Peking (4. bis 20. Februar 2022) als Höhepunkt verpatzte die Weltmeisterin von 2017, Olympia-Zweite von 2018 und insgesamt dreifache Gesamtweltcup-Siegerin. In Innsbruck schaffte sie es beim ersten Rennen nicht in die Top Ten, beim zweiten als 21. sogar nicht in den zweiten Lauf – ein Schock für sie. Selbst der neunte Platz in Altenberg hellte die Laune nicht auf. Im Gegenteil. Schließlich müssen die Athletinnen eine interne Olympia-Norm erfüllen und Lölling stand nach drei Weltcups ohne Zählbares da.
++++ Lesen Sie auch: „Kaffee und Kufen“: Unser Podcast mit Jacqueline Lölling ++++
Umso größer war ihre Hoffnung vor dem Heimrennen in Winterberg, das zudem der erste Weltcup seit etwa eineinhalb Jahren mit Zuschauern war. Angefeuert von den blaubemützten Brachbachern sollte Winterberg als Wendepunkt zum Guten dienen – und plötzlich lag Lölling nach Lauf eins nur auf einem geteilten siebten Platz mit der schlechtesten Startzeit des Feldes.
Problemzone Start
„Im ersten Lauf habe ich wieder einen kleinen Dämpfer gekriegt, bin wieder zu kurz gestartet“, sagte sie später im Gespräch mit dieser Zeitung. „Da war ich schon sauer vor dem zweiten Lauf und wollte wirklich alles raushauen und zeigen, dass ich das kann. Ich wollte auch mal unter einer 57 fahren hier in Winterberg“, ergänzte sie.
Diese Vorgeschichte machte den zweiten Lauf zum vielleicht wichtigsten Lauf für Lölling in den zurückliegenden Jahren. Ohne eine Teilnorm-Erfüllung in Winterberg wäre der Olympia-Druck auf sie noch größer geworden. Aber Lölling lieferte. Und wie.
Gefühl mit nach Altenberg nehmen
„Wie eine Rakete“, sei sie besonders durch den unteren Teil der Bahn gerast, kommentierte Bahnsprecher Willi Willmann die nur 56,75 Sekunden kurze Kurvenhatz. Am Start steigerte sich Lölling ebenfalls stark, so dass sie sich bis auf Rang vier verbesserte. „Dass ich gemeinsam mit Elena (Nikitina, Anm.d.Red) sogar mal Trackrecordholder war, war Balsam für die Seele“, sagte Lölling.
++++ Lesen Sie auch: „Jacka“ Lölling bleibt weiter auf Formsuche ++++
Der erste Schritt des Weges nach Peking ist durch Rang vier und somit ein Drittel der Olympia-Norm getan, aber die nächsten müssen folgen. Zweimal eine Top-Drei-Platzierung oder dreimal ein Top-Acht-Platz – das ist die geforderte Olympia-Norm. „Ich bin gerade sehr glücklich über den vierten Platz und nehme das Gefühl mit nach Altenberg“, sagte Lölling.
Hannah Neise enttäuscht
Enttäuscht hingegen war Hannah Neise (BSC Winterberg) nach dem Rennen, das sie auf Platz neun beendete. Nur vier Hundertstelsekunden fehlten ihr zu Rang acht und damit der zweiten von drei erforderlichen Teilnorm-Erfüllungen. „Das ist sehr ärgerlich, weil ich dachte, dass es ein guter Lauf war“, sagte die Schmallenbergerin. „Aber das Feld ist so stark. Das einzige, was mich aufmuntert, ist meine Startzeit“, erklärte Neise. Sie war die schnellste Deutsche. „Ich sehe mehr und mehr, wie es am Start besser wird. Das gibt mir den Kick.“