Winterberg. Die Winterberger St.-Georg-Schanze droht die Zertifizierung zu verlieren, seit Februar ist sie gesperrt. Ein Um- oder Neubau würde schwierig.
Ist die St.-Georg-Schanze in Winterberg ein Auslaufmodell? Mit dieser Frage befasst sich am Montag eine Kommission des Ski-Weltverbandes FIS, die darüber entscheidet, ob die Sportstätte erneut für große Wettkämpfe zertifiziert wird. Das aktuelle Zertifikat der traditionsreichen Skisprungschanze läuft in diesem Jahr aus.
Normalerweise wäre der Besuch der Prüfkommission kein großes Thema, doch diesmal geht die Sorge um, dass der Daumen der Sachverständigen gesenkt werden könnte – es gilt sogar als wahrscheinlich. Nicht, weil die Schanze baufällig oder unsicher wäre, sondern weil das Schanzen-Komitee der FIS die Prüfmaßstäbe und Sicherheits-Anforderungen im Laufe der Jahre immer wieder anpasst.
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„Der Absprungradius ist viel zu eng“, fasst Jochen Behle, Sportdirektor des Westdeutschen und Hessischen Skiverbandes, das Problem zusammen. Nach einer kurzen, aber sehr steilen Anfahrt ist der Übergang zum Schanzentisch vergleichsweise kurz, wodurch der Druck auf die Skispringer bzw. deren Beine vor dem Absprung sehr hoch ist. Gefordert und gebaut werden inzwischen aber Schanzen, bei denen sich die Anfahrt etwas sanfter, weniger radikal gestaltet.
Lösen lässt sich dieses Problem nicht ohne Weiteres. Die Schanze, dere Kalkulationspunkt bei 81 Metern liegt, ist 1928 errichtet und 1947, 1959 sowie im Jahr 2000 umgebaut worden. Doch um nun den Anforderungen zu genügen, müsste sie quasi neu gebaut werden. Das Winterberger Wahrzeichen und Postkartenmotiv ist in Beton gebaut und steht obendrein in einem schwierigen Gelände.
„Ein Umbau scheitert aus baufachlichen und finanziellen Gründen“, sagt Stephan Pieper, Geschäftsführer der Erholungs- und Sportzentrum Winterberg GmbH (ESZW), die für den Betrieb des Schanzenpark am Herrloh zuständig ist. Dazu zählen auch drei kleine Schanzen für die Schülerklassen, doch die sind jetzt kein Thema.
Für das Training weiter nutzbar
Wie würde es weitergehen, wenn es mit der Zertifizierung nicht klappt? Ein Abriss der Schanze stünde selbst dann vorerst nicht zur Debatte, selbst wenn man den emotionalen Faktor und den touristischen Wert der St.-Georg-Schanze ausklammern würde. „Für das Training wäre sie auch ohne Zertifikat noch nutzbar“, betont Pieper, dass eine Nicht-Zertifizierung nicht gleichbedeutend mit einer Sperrung der Anlage wäre. Eine nicht mehr ganz zeitgemäße Trainingsschanze wäre logischerweise immer noch besser als gar keine Trainingsschanze der Größenordnung, die ab den Jugendklassen benötigt wird.
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Wie schwierig sich der Trainingsalltag ohne eine solche gestaltet, erleben die heimischen Skispringer und Nordischen Kombinierer in diesem Sommer. Im Februar wurde der Betrieb nach dem tödlichen Unfall von Dirk Braun vorzeitig eingestellt, im Frühjahr wurde die große Mattenschanze wegen fälliger Instandsetzungsarbeiten nicht wieder eröffnet – was aber nichts mit der Frage der Zertifizierung zu tun hat.
„Die Flächen links und rechts des Anlaufs müssen erneuert werden, die sind morsch“, erklärt Pieper die aktuelle Sperrung. „Die Sicherheit der Sportler und Mitarbeiter geht natürlich vor.“ Aktuell laufe die Ausschreibung für die Arbeiten. Wie schnell es dann gehen könnte, sei angesichts der Marktlage bei Handwerkern aber nicht absehbar.
Die heimischen Sportler hoffen auf eine schnelle Lösung, um bald wieder „zu Hause“ trainieren zu können. Die Nordischen Kombinierer des SC Rückershausen und SK Winterberg sind aktuell nicht nur eine Trainings-, sondern auch eine Fahrgemeinschaft. Zusätzlich zu den Bundeskader-Lehrgängen gab bzw. gibt es etliche Kurz-Trainingslager, etwa in Hinterzarten, Tschagguns (Österreich) oder Planica (Slowenien) – was einerseits das Budget belastet, aber auch ein Zeitfaktor ist. „Wenn wir den halben Tag Auto fahren, leidet das Ausdauertraining. Das ist nicht optimal“, sagt Thomas Wunderlich, Vereinstrainer beim SC Rückershausen.
Willingen wartet weiter
Außerdem steht für den SK Winterberg wegen der Ungewissheit, was den Abschluss der Instandsetzung angeht, die Ausrichtung des Heim-Alpencup der Kombinierer am 11. und 12. September auf der Kippe – der zugleich der letzte internationale Wettkampf auf der St.-Georg-Schanze sein könnte.
Dass sich ihr Profil teils stark vom heutigen Standard unterscheidet, ist auch für die Wettkampfvorbereitung natürlich nicht optimal. Ein Neubau wäre aber eine Frage von mehreren Millionen Euro und nur mit Fördergeldern des Bundes, des Landes und mit Mitteln der beteiligten Sportverbände zu schultern.
Wie schwierig dies sein kann, ist in Willingen zu beobachten, wo vor zwei Jahren die Pläne für eine Normalschanze mit einem Hillsize-Punkt von 85 Metern neben der Mühlenkopfschanze vorgestellt worden. Getan hat sich seitdem wenig, ein Baubeginn des Fünf-Millionen-Projekts ist nicht absehbar. Christine Hensel, Geschäftsstellenleiterin des SC Willingen, gibt folgende Auskunft: „Die Schanze ist gezeichnet, aber wir benötigen zum Bau Fördergelder. Wir müssen warten, bis sie bewilligt sind.“