Die heimischen Fitness-Studios stecken mitten im zweiten Lockdown, sind gähnend leer. So wollen die Betreiber die neuerliche Krise meistern.
Siegerland. 17 Minuten. 17 Minuten, das ist mal eine Ansage. 17 Minuten, so lange dauert eine Runde durch den Milon Q-Zirkel im „Physio-Aktiv“ Netphen. Nach diesen 17 Minuten habe man etwas für alle Bereiche des Körpers getan, erklärt Raik Richter. Nur, im Moment ist der Geschäftsführer des N-Flow Freizeitzentrums ziemlich allein auf der Sportfläche mit den Kraft- und Ausdauergeräten des Zirkels und Ausblick auf Hallenbad, Freibad und Wasserrutsche. Daran kann auch High-Tech nichts ändern. Und so stehen die digitalen Anzeigen auf den Touch-Screens von „Chess Press“, „Leg Curl“ oder „Crosstrainer“ seit dem 2. November auf „Null“ – wie nach den neuerlichen Corona-Beschränkungen überall in Freizeit und Sport.
Kurzarbeit bis Ende November
Raik Richter hat seine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, zumindest bis Ende November. Auch er hofft, dass dann der (Teil-)Lockdown ein Ende hat: „Das wäre schön. Aber ob das mit den Fallzahlen im Moment zu halten ist?“ Nur die Physio-Theraphie in seinem Haus durfte offen bleiben – für medizinische Behandlungen, vom Arzt auf Rezept verschrieben. Seit 2018 firmiert der gute alte Netphener Freizeitpark unter der Marke „N-Flow“. Im Sommer freuten sich die Macher im Tal der Obernau in ihrem Internet-Auftritt: „Wir sind wieder für Dich da!“
Die generellen Regeln
Die Anzahl der Sportler, die zeitgleich trainieren dürfen, berechnet sich nach 10 Quadratmetern Fläche pro Person.
An Geräten muss der Abstand von 1,50 Meter, in Kursräumen von 2,00 Metern eingehalten werden.
Vor und nach dem Sport gilt die Maskenpflicht, während der Übungen nicht.
Auch in Umkleiden und Duschen ist ein Abstand von 1,50 Meter vorgesehen.
Am 11. Mai war der Fitnessbereich nach dem ersten Lockdown mit einem Hygiene-Konzept wieder eröffnet worden, das Hallenbad (8. Juni), die Trampolin-Arena (9. Juni) und die Sauna (3. Juli) folgten. Viele Kunden seien nach dem Wiederbeginn gerade im Fitness-Bereich zurückhaltend gewesen, hat Richter festgestellt: „Zu uns kommen viele Kunden aus Risikogruppen.“ Einige hätten ihre Verträge gekündigt, andere „auf Eis gelegt“, wie Richter erklärt. „N-Flow“ reagierte unter anderem mit reduzierten Beiträgen.
Vermeidbarer Fitness-Lockdown
Ein paar Meter weiter, auf der anderen Seite des Freizeitparks, im N-Flow Fitnessstudio, steht ebenfalls alles still. Studioleiter Mario Bürger, zur Zeit auch in Kurzarbeit geschickt, weiß, dass bei seinen Kunden gerade Therabänder, Wasserflaschen, Stühle oder das Körpergewicht höher im Kurs stehen als Trainingsgeräte im „Workout“ daheim. „Unsere Kunden bewegen sich viel“, sagt der 38-jährige Kreuztaler. Er betreut unter anderem Bundesliga-Triathlet Jonas Hoffmann (Tri Finish Münster) und Schwimmer Kevin Geiselhart (SG Siegen).
Hygiene-Auflagen erfüllt
Ebenso wie Geschäftsführer Richter sieht Bürger sein Fitnessstudio gut aufgestellt für Sport treiben unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Anfangs hätten nur 15 Leute gleichzeitig üben dürfen, später immer noch nur 25. „Alles überschaubar“, sagt er, „da ist kein Risiko.“ Die Daten der Kunden seien zur Rückverfolgung elektronisch erfasst und vor Ort per Unterschrift bestätigt gewesen. Richter und Bürger sind überzeugt, dass ihre Einrichtungen nicht mit in den November-Lockdown hätten gehen müssen.
Anderer Ort, gleiche Meinung. Inhaber Mathias Müller betont, dass er in seinem „Benefit Sports“-Fitnessclub in der Numbachstraße in Siegen alle Auflagen für ein Hygiene-Konzept einhalten könnte: „Man hätte mit der Situation sicher umgehen können.“ Wie am Sonntag in der vergangenen Woche, als es bis zum Toreschluss um 18 Uhr vor den tags darauf beginnenden Corona-Beschränkungen noch einmal „unfassbar intensiv“ geworden war.
Ein letztes Mal vor der Pause
Man habe in den Tagen zuvor schon gemerkt, „dass Corona immer präsenter wurde“, sagt Alexander Bülow, der als Absolvent der Deutschen Sporthochschule in Köln als Werkstudent bei Müller mitarbeitet und zudem Athletiktrainer beim Fußball-Oberligisten TuS Erndtebrück ist. Viele Kunden kamen ein letztes Mal vor der Zwangspause. Zu eng sei es aber nicht geworden, betonen beide. 1500 Quadratmeter Platz mit Gerätepark, Funktionsbereich, Cross-Zone, Kursraum, Flächen für Personal Training und mehr bietet der Fitnessclub in einer ehemaligen LKW-Halle. Dort durften selbst unter Corona-Vorgaben bis zu 150 Sportler gleichzeitig üben.
Hanteln mit nach Hause genommen
Erst vor zwei Jahren hat der ehemalige Fußballer und studierte Sportlehrer aus Frankfurt (Oder) sein „Benefit Sports“ eröffnet. Müllers Anlage gehört keiner Kette an, er ist sein eigener Herr. Mit ein Grund, weshalb er es verwarf, gegen die neuerliche Corona-Schließung zu klagen. Das Risiko wäre zu hoch gewesen. Durch den engen persönlichen Kontakt zwischen ihm und den Sportlern habe sich „ein großes Gemeinschaftsgefühl“ entwickelt: „Das ist ganz, ganz stark.“ So hätten viele Kunden angeboten, ihre Beiträge während des Lockdown nicht erstattet haben zu wollen. Müller lehnte ab, zahlte zurück, denn nur so konnten seine zwölf Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen.
Derweil weist das Regal mit den Kurzhanteln Lücken auf. „Die haben sich die Kunden mit nach Hause genommen“, erklärt Müller. Im sportlichen „Home-Office“ können sich die Benefit-Athleten zudem per Video anleiten lassen, freigeschaltet über eine App des Fitnessclubs. Schließlich müsse es weitergehen, so Müller: „Wir müssen den Lockdown wirtschaftlich durchhalten.“