Otepää. Till Hartmann wird beim Rollski-Weltcup der Junioren Zehnter in Estland. Im Interview gibt er Einblicke seine Sportart und erklärt, warum er sein vielfältiges Training als Trumpf sieht und wie ein Nationalteam ohne Trainer funktioniert.
Um den nordischen Skisport ist es seit dem abrupten Saisonabbruch im März still geworden, doch inzwischen sind zumindest für die heiße Phase der Saisonvorbereitung im Herbst sind einige Rennen ausgeschrieben – und im estnischen Otepää ging am Wochenende der erste Wettkampf im Rollski-Weltcup über die Bühne.
Erstmals mit von der Partie: Till Hartmann aus Bad Berleburg. Der 18-Jährige war als Schüler bei den Biathleten des VfL Bad Berleburg aktiv und hatte sich, inzwischen unter der Flagge des SC Rückershausen, zuletzt auf Volksskiläufe spezialisiert.
Kleines Starterfeld – wegen Corona
Bei seinem Start in Estland war Hartmann Teil eines recht kleinen Starterfeldes – wegen Corona waren „nur“ sieben Nationen vertreten. Bei den Junioren reihte sich Till jeweils im Mittelfeld ein. In der Qualifikation zum Sprint am Freitag wurde es Rang 18, womit Hartmann die Qualifikation für die K.o.-Läufe knapp um zwei Ränge verpasste. Im Massenstartrennen (27 km) in freier Technik belegte er am Samstag Platz 10 und im Einzelstart (15 km) in klassischer Technik wurde er sonntags Elfter – und blieb damit auf den langen Strecken vor Moritz Kirschner (Leipzig), dem zweiten Deutschen bei den Wettkämpfen der U20.
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Seit Ende der Skilanglaufsaison Mitte März hat Till Hartmann neben dem sportartspezifischen Rollski-Training laut der Tracking-App „Strava“ auch 5900 Kilometer auf dem Rad absolviert. Hinzu kamen außerdem 138 Kilometer Crosslauf und zehn Schwimmeinheiten sowie Kraft- und Athletiktraining. Im Schnitt war er nur einen Tag pro Woche nicht im Ausdauertraining. Ab Herbst sind mehr intensive Einheiten, etwa mit Intervalltraining, geplant.
Außerdem hat der Bad Berleburger im Frühjahr das Abitur gemacht. Jetzt strebt er ein Elektrotechnik-Studium an der Uni Siegen an.
Hallo Herr Hartmann, wie sind Sie Teil der Rollski-Nationalmannschaft geworden?
Till Hartmann: Viele der Athleten kannte ich schon von den großen Volksläufen im Langlauf im Winter, dadurch gab es einen Bezug. Die Kontaktdaten hat mir Melina Schöttes [SC Oberhundem, Anm. d. Red.] gegeben, danach ging es mit der Planung los.
Beim Deutschen Skiverband läuft Rollski unter der Sparte Breitensport. Gibt es trotzdem einen Bundestrainer, der die Nominierung vornimmt? Wie läuft die Auswahl?
So professionell wie in den ganzen olympischen Skisportarten ist das nicht. Es gibt auch keinen Bundestrainer, sondern die Sache regeln die Sportler untereinander. Das funktioniert auch so.
Aber irgendjemand muss doch eine offizielle Meldung für den Verband einreichen. Oder kann jeder im Weltcup für Deutschland starten, der gerade Lust hat?
Es gibt einen Teamkapitän, der die Sache organisiert und einschätzen kann, bei wem ein Start Sinn macht. Bei mir war das durch die Läufe im Winter gegeben und ich war mir auch vorher schon sicher, dass ich bei den langen Dingern mithalten kann.
Um teilnehmen zu können, muss man einen FIS-Code haben, also schon etwas können. Es gibt aber sicher nur sieben oder acht Leute, die voll auf Rollski spezialisiert haben, der Rest schiebt es ein, weil er sich für den Winter fit machen will.
Wie läuft das ab: Reist das Team Deutschland als Mannschaft an oder reisen alle einzeln an?
Es ist viel selbst organisiert. Der eine kümmert sich um die Wohnung, der andere um um das Mietauto, einer ums Essen und so weiter.
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Wir sind diesmal sechs Leute, fünf Sportler und ein Begleiter und wären normalerweise zusammen mit dem Auto hingefahren [1900 Kilometer Anfahrt, d. Red.], mussten aber Fliegen. Wären wir durch Tschechien gefahren, hätten wir erst in Quarantäne gemusst.
Wie ist Leistungsniveau dieser Weltcup-Serie einzuschätzen?
Die Leistungsspanne zwischen den Läufern ist recht groß und das Niveau sehr wechselhaft – je nachdem, wer gerade gemeldet hat. Ab und zu wollen sich da norwegische Langlauf-Kadersportler zeigen, die es nicht ins A-Team geschafft haben, in Deutschland aber vielleicht ganz vorne wären. Bei den Junioren war es jetzt überschaubar. Hätten mein Bruder Birger oder Jan Stölben [SK Wunderthausen, d. Red.] hier gemeldet, hätten sie sicher gewonnen.
Sie selbst waren in diesem Jahr aber auch recht fleißig, sind seit dem Winter nicht nur auf Skirollern unterwegs gewesen, sondern auch viel Rad gefahren, gelaufen und geschwommen. Wo soll es sportlich hingehen? Etwa zum Triathlon?
Die Trainingssystematik zielt weiter auf Volksskiläufe und Marathonläufe ab, da möchte ich möglichst weit vorne dabei sein. Sprints und kurze Strecken liegen mir leider gar nicht. Grundsätzlich bin ich aber kein Fan davon, das ganze Jahr nur eine Sache zu machen. Die Grundlagenausdauer kann man ja auf vielfältige Weise verbessern, deswegen mache ich auch andere Sachen. Ohne diese Einseitigkeit hat man ein geringeres Verletzungsrisiko – und mit wechselnden Trainingspartnern aus ganz verschiedenen Sportarten bleibt es interessant. Zuletzt war ich etwa mit einer Gruppe Straßenradfahrer in den Alpen unterwegs. Von den ganzen Kontakten und Einblicken kann man nur profitieren.
War das auch in Otepää der Fall?
Da hatte das Massenstartrennen über 27 Kilometer in seiner Dynamik zumindest eher etwas von einem Radrennen als von einem typischen Skilanglaufrennen in freier Technik.
Die Strecke war ziemlich flach und die Rennroller liefen sehr schnell, weshalb viel in der Hocke und mit Beinarbeit, aber nicht oft mit Stockeinsatz gelaufen wurde. Da liefen ständig Attacken und es ging darum, dran zu bleiben.
Ist es zufriedenstellend gelaufen?
Die Form war schon ganz gut. Letzte Woche hatte ich noch spürbar unter Übertraining zu leiden, aber jetzt lief es gut. Am Samstag habe ich zwar eine Attacke verpennt und war dann Zehnter, aber es war in Ordnung.
Und an den anderen Tagen?
Am Freitag beim Sprint war ich gar nicht mal böse, dass ich die kraftraubenden Finalläufe verpasst habe.
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Am Sonntag im Einzelstart wurde mit Einheitsrollern gelaufen und auf der Strecke ging es immer hoch und runter. Ich bin etwas zu schnell losgelaufen, aber mit Platz elf lief es trotzdem super.
Wie geht es jetzt weiter?
Von Freitag bis Sonntag ist der Weltcup in Madona in Lettland unterwegs. Da haben wir uns schon in einer schönen Hütte einquartiert und haben jetzt ein paar ruhigere Tage vor uns. Es ist eine Gegend, in der nicht allzu viel los ist.
Wo der Bär nur dem Wortsinn nach steppt
Internationale Sportereignisse während der Pandamie, ist das vertretbar? Diese Frage hat sich im Vorfeld auch Till Hartmann gestellt – und sie für sich bejaht.
Der Rollski-Weltcup war mit nur rund 70 Teilnehmern kein Großereignis und das Infektionsgeschehen im Baltikum ist deutlich überschaubarer als in Deutschland.
Die Bundesrepublik gilt aus umgekehrter Sicht inzwischen als Risikogebiet. „Wir haben sogar Glück gehabt, dass wir noch einreisen konnten. Inzwischen wäre es nicht mehr möglich“, weiß Hartmann. Er berichtet von geringeren Einschränkungen in Estland und Lettland, wo der Weltcup im Städtchen Madona von Freitag bis Sonntag seine nächste Station hat. Hartmann: „Hier gibt es keine Maskenpflicht und weniger Schutzmaßnahmen – und keine Tests bei der Einreise.“
Auch in Sachen Publikum war es in Otepää, wo der Bär eher wörtlich als im übertragenen Sinne steppt, überschaubar. In dem 2000-Einwohner-Ort, bekannt als frühere Station im Skilanglauf-Weltcup, liegt die Einwohnerdichte bei einem Viertel von der im Raum Wittgenstein. Etwa 200 neugierige Einwohner sowie Angehörige der Sportler verfolgten das Geschehen am Streckenrand.