Raumland/Berghausen. Christoph Raidt hört nach acht Jahren bei den Sportfreunden Edertal II auf. Trotz Aufstiegs sagt er: „Das fühlt sich völlig unvollendet an.“

Bier in den Augen, grenzenlose Freude und eine Traube von jubelnden und grölenden Spielern um ihn herum – so stand Christoph Raidt damals überglücklich auf dem Sportplatz des TSV Aue-Wingeshausen.

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Seine Mannschaft hatte soeben den Meistertitel und den Aufstieg in die Kreisliga C2 mit einem 2:0-Erfolg „in der Wester“ besiegelt. Was folgte war eine durchzechte Partynacht und unvergessliche Erinnerungen. Das war im Jahr 2017 und wird vom 57-jährigen Übungsleiter der Sportfreunde Edertal II bis zum heutigen Tag als seine schönste Erinnerung als Trainer bezeichnet. „Das war sicherlich der geilste Moment“, schmunzelt Raidt noch heute über den 19. Mai vor drei Jahren, der sich bald erneut jährt.

Denny Kick (l.), hier von Diedenshausens Benedikt Althaus ins Visier genommen, steigt mit seinen Teamkollegen von den Sportfreunden Edertal II in die Kreisliga C auf – vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Verbands-Fußball-Ausschusses.
Denny Kick (l.), hier von Diedenshausens Benedikt Althaus ins Visier genommen, steigt mit seinen Teamkollegen von den Sportfreunden Edertal II in die Kreisliga C auf – vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Verbands-Fußball-Ausschusses. © Florian Runte

Und genau so sollte es eigentlich auch in diesem Sommer sein. Die zweite Welle der Sportfreunde Edertal, noch immer unter der Leitung von „Kreide“ Raidt, steht mit fünf Punkten Vorsprung vor eben jenem TSV Aue-Wingeshausen II an der Tabellenspitze der Kreisliga D3 und marschierte ihrem zweiten Meisterstück entgegen. Neben der sportlichen Motivation treibt das Team vom Limburg besonders die Tatsache an, dass ihr Trainer nach acht Jahren am Ende der Spielzeit aufhören wird – es sollte der perfekte Ausstand für Raidt werden.

Coronavirus ist der Spielverderber

Doch das Schicksal hat offensichtlich etwas dagegen. Denn obwohl die Sportfreunde mit dem Aufstieg planen können, werden sie aller Voraussicht nach kein Spiel mehr in dieser Saison absolvieren – Corona hat den Blau-Gelben einen Strich durch die Abschiedsrechnung gemacht. Das mit großer Spannung erwartete Rennen um den Titel mit dem VfB Banfe II und dem TSV Aue-Wingeshausen II, auf das die Mannschaft in der Winterpause mit großem Fleiß hingearbeitet hat, fällt aus. Aufstiegs- und Abschiedsfeier – ein Meistertitel wird nicht vergeben – werden wohl nicht wie gewohnt auf dem Feld stattfinden können.

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„Das fühlt sich völlig unvollendet an. Ich hätte mir gewünscht, dass beim letzten Heimspiel in Berghausen gefeiert worden wäre, mit vielen Zuschauern und der ganzen Mannschaft. Der Aufstieg ist für den Verein natürlich ideal, aber mit diesem Ende bin ich nicht zufrieden“, erklärt Raidt seine Gefühlswelt.

Pure Ekstase: 2017 steigen die Sportfreunde Edertal in Wingeshausen in die C-Liga auf. In dieser Nacht bleibt kein Auge trocken
Pure Ekstase: 2017 steigen die Sportfreunde Edertal in Wingeshausen in die C-Liga auf. In dieser Nacht bleibt kein Auge trocken © WP

Es passt zu seiner Person, dass er mit diesem Schlussstrich nicht einverstanden ist. Seit seinem 22. Lebensjahr ist er auf den Sportplätzen als Trainer aktiv, hat viele seiner derzeitigen Schützlinge aufwachsen sehen, während er parallel in der ersten und später in der zweiten Mannschaft der Edertaler selbst die Fußballschuhe schnürte.

„Wenn ich an der Arbeit einen schlechten Tag hatte, dann komme ich zum Training und die Jungs bauen mich wieder auf. Viele kenne ich so lange, dass sie quasi auch meine Söhne seien könnten.“

Stolz auf den Zusammenhalt

Diese gute Stimmung und das gegenseitige Vertrauen ist auch das, was den 57-Jährigen stolz macht. In den letzten acht Jahren haben kaum Spieler das Team verlassen, selbst die nicht, die häufig keine Einsatzzeiten bekommen haben. „Das spricht für das Teamklima. Für mich ist es ein großer Erfolg, dass ich mittlerweile quasi eins zu eins auswechseln kann, ohne dass ich mir Sorgen machen muss. Die Jungs haben immer weiter gearbeitet.“

Gleiches gilt auch für den Trainer selbst, der darauf achtete, nicht immer das Gleiche zu machen. In der Wintervorbereitung ließ sich der 57-Jährige zum Beispiel bei der Online-Videoplattform YouTube inspirieren und überraschte seine Spieler mit neuen Übungen. Im vergangenen Jahr wechselte der Trainer zudem erstmalig zur modernen Viererkette. Zuvor spielte Raidt strikt mit Libero.

Aber nicht nur den Dank seiner Spieler kann sich Christoph Raidt sicher sein. Auch von Seiten des Vereins hört man ausschließlich Lobeshymnen für das Edertaler Unikat, das gefühlt schon immer dabei war. „Solche Leute wie Christoph sind unentbehrlich für einen Verein. Er war ja sogar mein erster E-Jugend-Trainer“, lacht Maximilian Schmeck, Vorsitzender der Edertaler.

„Wir sind stolz und dankbar für die vielen Jahre, die er für uns gecoacht hat. Was er in Perfektion geschafft hat, war, dass er jedem Spieler vermittelt hat, dass er wichtig ist. Sowas ist in der heutigen Zeit ganz selten“, versichert Schmeck, der seinem Trainer indes verspricht, dass er, sobald es wieder möglich ist, einen gebührenden Ausstand feiern wird. „Wir werden uns was einfallen lassen, das hat er verdient“, erklärt der Vorsitzende mit einem Augenzwinkern.

Blau und Gelb ein Leben lang

Angst muss sich bei den Sportfreunden Edertal aber ohnehin keiner machen, dass Raid nun aus dem Umfeld des Traditionsvereins, der im nächsten Jahr sein einhundertjähriges Jubiläum feiern will, verschwinden wird.

Nach eigener Aussage vermisst der Berghäuser schon jetzt das Training und den Sportplatz. Der Besuch der Spiele der ersten und zweiten Mannschaft ist bei Raidt dabei ebenso eingeplant wie seine Teilnahme an der Abschlussfahrt. „Ich kann ja nicht einfach wegbleiben. Da sind schon so viele verrückte Sachen passiert, das will ich mir nicht entgehen lassen“, versichert er abschließend.

Und auch wenn es ein stiller Abschied wird, bleibt die Erkenntnis, dass es unvergessliche acht Jahre für das Trainer-Urgestein waren. Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Stellenweise sah das ganz gut aus.“