Oberstdorf. Weil der Zeitplan aus den Fugen gerät, verpassen zwei heimische Läufer ihren Start. Ihrem Protest gibt der Deutsche Skiverband statt.

Eine Anreise quer durch Deutschland, hunderte Trainingsstunden in der Vorbereitung und große Vorfreude auf das Rennen – und dann: Start verpasst. Schlimmer geht’s nimmer.

Das Szenario, das aus einem Albtraum stammen könnte, erlebten Scott Schmitz (SK Wunderthausen) und Max Bernshausen (SC Rückershausen) beim Skilanglauf-Deutschlandpokal in Oberstdorf im Sprintwettkampf. Als sie aus dem Skidepot kamen und sich für den Start aufstellen wollten, war die Konkurrenz schon da und wurde auf die Reise geschickt. Bernshausen, zunächst völlig perplex, nahm es sportlich und rannte mit einigem Abstand hinterher, was ein aussichtsloses Unterfangen war.

Max Bernshausen vom SC Rückershausen zeigte in Oberstdorf gute Wettkämpfe – besonders im Teamsprint. Beim Einzel-Sprintrennen am Freitag erlebte er beim Zwischenlauf aber eine böse Überraschung.
Max Bernshausen vom SC Rückershausen zeigte in Oberstdorf gute Wettkämpfe – besonders im Teamsprint. Beim Einzel-Sprintrennen am Freitag erlebte er beim Zwischenlauf aber eine böse Überraschung. © Florian Runte

Schmitz und Bernshausen waren mitnichten zu spät am Start – zumindest dem offiziellen Zeitplan nach. Doch der war aus den Fugen geraten. Dem ausrichtenden Allgäuer Skiverband machte nach dem Prolog der Verzicht einzelner Starter auf die Final-Heats (jeweils sechs Läufer) Probleme. Dazu wurden einzelne Läufe früher gestartet, sobald alle Läufer vor Ort waren.

„Das hat sich über die Zahl der Läufe so summiert, dass man irgendwann sechs Minuten vor dem eigentlichen Zeitplan lag. Da waren Scott und Max zwar dann schon im Startbereich, aber noch nicht startbereit“, berichtet WSV-Trainer Stefan Kirchner.

Stefan Kirchner nimmt seine Athleten in Schutz.
Stefan Kirchner nimmt seine Athleten in Schutz. © Martin Haselhorst

Zum Wettkampf gehört auch der Aufruf der Athleten („Bereit halten sich bitte...“) für die nächsten Sprint-Heats über die Lautsprecher. Der erfolgte zwar auch, verhallte aber von Schmitz und Bernshausen ungehört in der Oberstdorfer Bergwelt. „Wenn du beim Aufwärmen oder zwischen den Wachscontainern unterwegs bist, versteht man nicht alles, was durchgegeben wird“, sagt Stefan Kirchner. Er macht seinen Sportlern keinen Vorwurf: „Sie sollen sich vorrangig um ihre Aufwärmroutine kümmern und müssen sich ja nach irgendetwas richten. Das war in diesem Fall der ursprünglich herausgegebene Zeitplan. Das Problem war, dass das zwei-Minuten-Intervall bei den Starts nicht eingehalten wurde.“

Karl-Heinz Eppinger, DSV-Sportwart Nordisch, gab dem Einspruch des Westdeutschen Skiverbandes recht. Im Foto ist er bei der Sommer-Leistungskontrolle des DSV im Jahr 2017 in Wunderthausen zu sehen.
Karl-Heinz Eppinger, DSV-Sportwart Nordisch, gab dem Einspruch des Westdeutschen Skiverbandes recht. Im Foto ist er bei der Sommer-Leistungskontrolle des DSV im Jahr 2017 in Wunderthausen zu sehen. © Florian Runte

Der Landestrainer des Westdeutschen Skiverbandes legte für Schmitz – Bernshausen hatte seinen Lauf ja letztlich doch bestritten – einen Protest ein, dem aufgrund der Sachlage auch stattgegeben wurde – es gab zumindest keine Disqualifikation. „Es stimmt, dass wir einige Minuten vor der Zeit lagen. Das ging schleichend und ich habe das Problem leider zu spät erkannt. Aber ich kann auch nicht überall sein und die Leute, die das Rennen ausrichten, sind auch nur Menschen und machen es ehrenamtlich“, erklärt der Wettkampfbeauftragte Karl-Heinz Eppinger.

Schmitz durfte also in einem späteren Heat mitlaufen und rettete mit Rang 22 immerhin vier Punkte für die Pokalwertung. Bernshausen belegte Rang 19, wurde aber in der ersten Runde um die Chance gebracht, in einen besseren Heat „aufzusteigen“ – was für ihn nach den Eindrücken des Prologs und der zweiten Heat-Runde, die er klar gewann, möglich gewesen wäre. Ein allzu großer Schaden war also nicht entstanden. Aber: Seine Athleten seien neben einem Läufer aus dem Allgäu die einzigen gewesen, die von der Problematik kalt erwischt worden seien, räumt Kirchner ein: „Wenn es fast nur uns betrifft, müssen wir beim Zeitmanagement auch Fehler bei uns suchen.“

Fünf Minuten vor der Zeit...

Der „Fall“ wirft letztlich die Frage auf, wie groß der Zeitpuffer beim Erscheinen eines Sportlers am Start sein sollte. Einerseits gilt es, nicht zu früh zu erscheinen, um den Effekt der Aufwärmphase nicht zu verlieren und um ein Auskühlen zu vermeiden. Andererseits gilt es, mögliche Komplikationen einzukalkulieren und sich in Ruhe auf den Start fokussieren zu können. „Fünf Minuten vorher muss der Athlet spätestens da sein“, sagt Stefan Kirchner: „Daran haben sich beide ja auch gehalten.“

Auch interessant

„Fünf Minuten vorher sollte man da sein. Da ist man dann schon knapp dran“, sagt Karl-Heinz Eppinger: „Ich war früher noch ein paar Minuten vorher am Start.“

Andreas Schlütter, hier bei den Olympischen Spielen 2006, sieht ein großzügiges Zeitpolster beim Gang zum Start als obligatorisch an.
Andreas Schlütter, hier bei den Olympischen Spielen 2006, sieht ein großzügiges Zeitpolster beim Gang zum Start als obligatorisch an. © Sascha Fromm | Sascha Fromm

Unsere Zeitung bekommt beim Versuch, Eppinger zu erreichen, auch Andreas Schlütter, den Sportlichen Leiter der Skilangläufer im Deutschen Skiverband, an den Apparat. Er hält ein großzügiges Zeitpolster für wichtig: „Als Athlet sollte ich zehn Minuten vorher da sein. Ich muss mich nach der Erwärmung umziehen und vor dem Start zur Ruhe kommen. Wenn ich beispielsweise erst vier Minuten vorher da bin, ist das zu spät.“