Oberstdorf/Wunderthausen. Wie Jan Stölben aus der Vulkaneifel zum SK Wunderthausen kam. Trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge will er es in den Nationalkader schaffen.

Die Kalkulation ist simpel: Wenn der Dritte und der Viertplatzierte der Deutschen Juniorenmeisterschaften im Sprint sich für die Teamsprint-DM am Sonntag zusammentun, müsste doch auch dabei eine Medaille herausspringen. Ist es so einfach? „Ja, das Podest ist unser Ziel. Ich hoffe, dass wir es schaffen“, sagt Jan Stölben, Skilanglauf-Ass des SK Wunderthausen, der gemeinsam mit Birger Hartmann vom VfL Bad Berleburg ins Rennen gehen wird, in dem beide abwechselnd je fünfmal einen Kilometer im Oberstdorfer Ried-Skistadion laufen werden.

Birger Hartmann (vorne), VfL Bad Berleburg, und Jan Stölben, SK Wunderthausen, hier beim gemeinsamen Training auf der Steinert, greifen am Sonntag nach einer Teamsprint-Medaille.
Birger Hartmann (vorne), VfL Bad Berleburg, und Jan Stölben, SK Wunderthausen, hier beim gemeinsamen Training auf der Steinert, greifen am Sonntag nach einer Teamsprint-Medaille. © Florian Runte

Es ist eine spezielle Wettkampfform. Kaum ist der Puls einigermaßen unten, geht es schon wieder mit Volldampf von vorne los. Wie bei einem Intervalltraining, nur eben am absoluten Limit. „Das wird hintenraus eklig“, weiß Stölben: „Aber das ist etwas, was uns beiden durchaus entgegen kommt.“

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Auch die ausgeschriebene Lauftechnik, nämliche die freie Technik, liegt dem Duo aus dem Westdeutschen Skiverband. Genauso wie die Strecke: Die ist die gleiche wie vor drei Wochen, als die beiden 18-Jährigen im Dreier-Fotofinish um Silber und Bronze dabei waren. „Trotzdem muss man im Sprint immer auch Glück haben. Mit einem Stockbruch oder einem Sturz ist man raus“, weiß Stölben genauer, als es ihm eigentlich recht ist.

Keine Förderung, kaum Strukturen

Vor dem Teamsprint am Sonntag gilt es heute noch einen Einzel-Sprint und am Samstag einen 15-Kilometer-Einzellauf zu absolvieren. Hier geht es für das Duo um wichtige Punkte im Deutschlandpokal – und damit auch für die „Quali“ zum C-Kader des Deutschen Skiverbandes, die für beide noch möglich ist. In den hat es aus heimischen Gefilden seit Tom Brunner (Girkhausen) kein Athlet mehr geschafft.

Jan Stölben vom SK Wunderthausen bei der Trainingsvorbereitung.
Jan Stölben vom SK Wunderthausen bei der Trainingsvorbereitung. © Florian Runte

Eine ganz besondere Note hätte eine Nominierung für Stölben, der aus der Vulkaneifel stammt. Die Recherche, wann zuletzt von dort jemand in den Nationalkader vorstieß, blieb ergebnislos. In den letzten vierzig Jahren jedenfalls keiner. Im Skiverband Rheinland läuft Langlauf unter „Hobby“ – es gibt also keine Förderung und kaum Geld.

Was die Frage aufwirft, wie genau aus Stölben, der als Kind vor allem Tennis spielte und Alpinski fuhr, ein „Nordischer“ wurde. Mit dem Schulwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ nahm die Geschichte am Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun ihren Anfang. „Da nehmen aus der Eifel nur drei Schulen teil. Wir hatten zwar keine Ahnung von der Technik, aber viele ausdaueraffine Sportler. Für den Sieg in Rheinland-Pfalz hat das immer gereicht“, schmunzelt Stölben, der beim Bundesfinale jeweils der schnellste seines Teams war: „Und dass, obwohl ich klassisch einfach nur geschoben habe und mit den Ski gejoggt bin.“

Allein auf dem Radweg

Rheinland-Landestrainer Thomas Kloth, der sein Amt unentgeltlich in seiner Freizeit ausführte, nahm den Manderscheider unter seine Fittiche – vom 170 Kilometer entfernten Mainz aus. „So haben wir uns nur ein oder zweimal im Monat gesehen, aber ich habe Trainingspläne bekommen“, erzählt Stölben: „Er wollte es aber nur machen, wenn wir uns reinhängen.“

Der heute 18-Jährige tat wie ihm geheißen, lief mit Skirollern wie von der Tarantel gestochen auf dem Mosel-Radweg zwischen Daun und Wittlich hin und her. Durch Tunnel, über Viadukte, durch eine wenig bevölkerte Landschaft – und meist alleine. In seinem Dorf gab es zwar ein Mädchen mit gleicher Gesinnung, aber anderem Tempo. Scott Schmitz, der inzwischen ebenfalls vom Skilanglaufverein Ernstberg zum SK Wunderthausen gewechselt ist, wohnte eine Dreiviertelstunde weiter am Nürburgring.

Abgelehnt in Oberhof

Der Fleiß zahlte sich aus. Die Leistungen waren so gut, dass Kloth seinen Schützling für das Oberhofer Sportinternat empfahl, als er seinen Trainerposten drangeben musste. Die Thüringer lehnten das Aufnahmegesuch jedoch ab – wegen Mängeln in der Lauftechnik. Die schlichen sich bei den Solo-Trainingseinheiten und angesichts des Schneemangels in Eifel zwangsläufig ein. In seinem letzten Winter in der Eifel kam Stölben auf exakt einen Schnee-Trainingstag.

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Darüber, nun am Sportinternat Winterberg bzw. beim SK Wundert-hausen gelandet zu sein, ist er nicht böse – auch wenn es wegen der weniger optimalen Bedingungen nur die zweite Wahl war. „Ich war eine Woche in Oberhof, das ist eine ganz andere, eine extreme Welt. Der Druck ist hoch, damit kommt nicht jeder zurecht“, sagt Jan Stölben, der die Zustände in Winterberg eher als familiär bezeichnet. „Es ist hier kein Partyinternat, aber da vermisse ich auch nichts. Langeweile hatte ich hier nur in den ersten Wochen, als ich noch keinen kannte.“

Bis zu zwanzig Trainingsstunden pro Woche

Im Vordergrund steht der Sport in bis zu zwanzig Trainingsstunden pro Woche, was man inzwischen auch an der skilanglauftypischen, massiven Statur erkennen kann. Mit Birger Hartmann hat hat er einen Gleichgesinnten gefunden. „Bei dem, was wir gemeinsam tun und uns erzählen, kann man schon von einer engen Freundschaft sprechen“, sagt Stölben. Vor allem sei Birger ein Sportler, der ähnlich positiv „bekloppt“ ist. Einen, dem das Training ebenfalls nie zu viel, nie zu lang und nie zu stumpf wird.

Trainer Stefan Kirchner (Mitte) hält große Stücke auf den im Training fleißigen Jan Stölben (links).
Trainer Stefan Kirchner (Mitte) hält große Stücke auf den im Training fleißigen Jan Stölben (links). © Verein

Was an sich positiv ist, weil Fleiß das wichtigste Talent im Skilanglauf ist. Die Erfahrung, dass man sich regelrecht in den Keller trainieren kann, haben beide indes auch schon gemacht.

„Birger hat einfach einen extremen Motor, hat sich aber schon öfter bis zur Saisonmitte kaputtgelaufen, weil er die Ruhetage nicht eingehalten hat“, schmunzelt Stölben. Er weiß aber auch um seine eigene, ähnliche Schwäche – die richtige Einteilung im Training und Rennen: „Ich laufe einfach gerne schnell und merke dann manchmal, dass es keine gute Idee war.“

Entscheidende Phase

Landestrainer Stefan Kirchner sieht bei beiden jedoch Fortschritte in der Selbsteinschätzung und Belastungssteuerung. Er hofft, dass sie ihr Ziel – den Kaderstatus – erreichen. Die nächsten beiden Jahre werden die entscheidenden, wenn es darum geht, ob sie eine Wintersport-Karriere einschlagen werden.

„Im kommenden Jahr wird es schwierig, weil ich da auch das Abi mache. Wie es danach weitergeht, muss ich erst noch sehen. Aber ich bin auf jeden Fall motiviert“, sagt Stölben. Ob es ein zusätzlicher Anreiz sei, es gerade als Sportler aus der Eifel zu schaffen? „Das kann man auf jeden Fall so sagen.“