Erndtebrück. Fußball-Abteilungsleiter Dirk Beitzel über die Situation, Finanzen und Perspektiven des TuS Erndtebrück – und über die Planungen zur „Zweiten“.
Sieben Jahre lang hatte Dirk Beitzel als Fußball-Abteilungsleiter des TuS Erndtebrück mit vorzeitigen Trainerwechseln nichts am Hut, 2019 gab es diese gleich zwei Mal. Erst entließ der Oberligist im April seinen Coach Ivan Markow, dann trat im November Alfonso Rubio Doblas in Folge einer anhaltenden sportlichen Talfahrt zurück.
Auch sonst stellte 2019 eine Zäsur dar: Der Verlust zweier großer Sponsoren ging mit einer erheblichen Verringerung des Etats sowie der Abmeldung der zweiten Mannschaft einher. Im Interview spricht Beitzel darüber, wie er die Situation bewertet und wie es weitergeht mit den Fußballern vom Pulverwald.
Herr Beitzel, waren Sie froh, als das Jahr 2019 vorbei war?
Es war auf jeden Fall ein turbulentes Jahr.
Der Trainerwechsel im Frühjahr war nicht schön, aber der Kader musste, so wie er zusammengestellt war, eigentlich mehr erreichen als knapp am Abstieg vorbeizuschrammen. Das war noch eine andere Konstellation als in der jetzigen Saison, bei der uns im Vorfeld klar war, dass es schwierig wird und dass wir vermutlich im unteren Drittel stehen. Über den Tabellenstand sind wir an sich nicht überrascht, aber 13 Punkte nach 18 Spielen sind auf jeden Fall zu wenig – das Ziel für die Saison waren 40 Punkte. Alfonso hat dann darum gebeten, einen neuen Impuls setzen zu können. Vielleicht war es auch genau der richtige Zeitpunkt, dies schon drei Spieltage vor der Winterpause zu vollziehen.
Haben Sie versucht, Rubio Doblas umzustimmen?
Wir haben uns lange über die Situation unterhalten, Für und Wider abgewägt. Wir sind letztendlich zu diesem Entschluss gemeinschaftlich gekommen. Was wir erreichen wollten, war, die Mannschaft in die Pflicht zu nehmen, denn es waren Spiele dabei, wo nicht taktische Fehler oder Aufstellungsfehler entscheidend waren, sondern individuelle Fehler. Es war also nicht nur das Trainerteam verantwortlich für die Situation – und das habe ich der Mannschaft in einem ein ausführlichen Gespräch auch klar gemacht.
Wie sehen Sie die Situation vor der Rückrunde?
Unser Trainer Michael Müller hat es beim Trainingsbeginn gut zusammengefasst. Wir haben noch 16 Spiele, davon neun zuhause. Bei den Heimspielen muss jetzt mehr rumkommen. Dazu haben wir auswärts Gegner, die knapp vor uns stehen und bei denen wir auch punkten müssen.
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Da wir aktuell gar nicht wissen können, welcher Platz am Ende für den Klassenerhalt reicht, müssen wir sowieso so viele Punkte wie möglich holen. Der Klassenerhalt ist das oberste Ziel für die Rückrunde.
Angenommen, dieses Ziel wird erreicht: Einfacher wird es dann vermutlich auch nicht.
Nein, das stimmt. Die Situation wird sich auch bei einem Klassenerhalt nicht erheblich ins Positive drehen. Es kann natürlich sein, dass man Neuzugänge hat, die einschlagen; dass man eine Truppe zusammenbekommt, die eine Einheit wird und tollen Fußball spielt, den man so nicht erwartet hat. Aber es ist eine klare Geschichte, dass wir uns damit anfreunden müssen, in Zukunft keinen Regionalliga-Fußball mehr hier zu sehen. Das ist auch nicht das Ziel.
Wie ist denn der Planungsstand für die kommende Saison?
Alle Spieler haben einen Vertrag nur für die laufende Saison, also müssen wir jetzt anklopfen und die Gespräche suchen. Es wäre schön, wenn wir die Eckpfeiler der Mannschaft behalten könnten. Aber Vieles steht in den Sternen, denn viele Spieler werden sagen, dass ihre Entscheidung klassenabhängig ist.
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Wenn wir absteigen, wird der eine oder andere sicher eine andere Herausforderung suchen. Manni [Manfredas Ruzgis, Anm. d. Red.] etwa wird dann vielleicht sagen, dass er noch mal in die Regionalliga will. Bei Cova [Mehmedalija Čović], der seine Karriere langsam ausklingen lässt, könnte ich mir vorstellen, dass er weiter eine Rolle spielt, vielleicht auch als Trainer, etwa im Jugendbereich.
Und wie sieht es mit der Trainersuche aus? Michael Müller will es ja nur bis Saisonende machen.
Wir in Gesprächen, strecken unsere Fühler aber nur regional aus. Es sollte schon ein Person sein, die schon mal etwas mit dem TuS Erndtebrück zu tun hatte und das Umfeld kennt. Ich sehe es als schwierig an, von außerhalb jemanden zu holen, der sich mit der Mentalität und dem Umfeld nicht so gut auskennt. Es gibt viele, die hier zu Oberliga-Zeiten gekickt haben, die jetzt im Siegerland, im Hessenland oder im Sauerland trainieren.
Bei den Planungen in der Oberliga hängt vieles von den verfügbaren Finanzmitteln ab. Inwieweit lassen sich die Einbußen im Etat gegenüber früher beziffern?
Es ist jetzt die Hälfte.
Gibt es Bestrebungen, den Etat wieder aufzustocken oder andere potente Sponsoren zu gewinnen?
Nein, denn man muss die gesamte wirtschaftliche Entwicklung sehen, die nicht erfreulich ist. Wenn es beispielsweise Kurzarbeit gibt, ist es natürlich schwierig gegenüber den Mitarbeitern zu vertreten, dass man ein Sponsoring aufstockt. Was neue Geldgeber angeht, sind wir durchaus tätig. Aber da geht es nicht um Beträge, die den Etat wieder auf das alte Niveau hochschrauben.
Sondern?
Ich hoffe, dass wir das Niveau in etwa beibehalten können, das wir momentan zur Verfügung gestellt bekommen. Und dann wird es Jahr für Jahr sportlich einen Kampf geben. Vielleicht muss man sich in zwei Jahren einfach damit anfreunden, noch eine Klasse tiefer zu spielen. Erndtebrück liegt am Ende der Welt. Spieler zu holen, wie wir es in der Vergangenheit getan haben, die in größerer Zahl aus Aachen oder Köln pendeln, das können wir uns nicht mehr erlauben und das ist auch nicht mehr unser Anspruch. Wir wollen es wieder in vernünftige Bahnen lenken.
Mit den Zuschauerzahlen kann man bei der Sponsorensuche eher nicht punkten. Warum hat der Verein trotz des hochwertigen Fußballs in den vergangenen Jahren nicht mehr Zuschauer angesprochen?
Man spricht immer von Identifikation. Ob es daran liegt, wird man sehen, wenn wir uns wieder hauptsächlich auf Spieler aus Siegen-Wittgenstein konzentrieren. Aber die Zahlen sind ja nicht nur in Erndtebrück rückläufig und gering, das ist ein allgemeiner Trend. Wenn in Siegen, einer Stadt mit 100.000 Einwohnern, auch nur 500 Zuschauer kommen und bei uns sind es 200, ist das im Verhältnis eine andere Hausnummer. Bei uns hat man gesehen, dass selbst die Regionalliga kein Zugpferd war – und da wurde wirklich ansehnlicher Fußball geboten. Da ist es mal etwas hochgeschossen, wenn eine Profi-Zweitvertretung gekommen ist oder Rot-Weiß Essen, aber selbst dann waren es nur 800 Zuschauer. Auch das ist ja nicht das, was die Regionalliga eigentlich verdient hat.
Wie ist erklärbar, dass Vereine wie Finnentrop/Bamenohl, Lennestadt oder Ottfingen in tieferen Klassen einen höheren Schnitt aufweisen?
Zu ganz dollen Zeiten gingen die Ottfinger morgens in die Kirche und danach geschlossen zum Sportplatz, aber da ist es auch klar rückläufig.
Was Finnentrop/Bamenohl macht, ist schon bemerkenswert und hat sicher damit zu tun, dass dort viele Einheimische spielen und die Identifikation sehr stark ist. Aber die spielen im Kern seit fünf bis zehn Jahren mit den gleichen Leuten und diese Ära wird irgendwann auch zu Ende gehen, denn dort gibt es auch nicht so viele Fußballer um die Ecke, die Westfalen- oder Oberliga spielen können. Wenn sie eine gute Jugend haben, können sie es vielleicht noch eine Weile aufrecht erhalten, aber es wird auch schwierig.
Vor dieser Saison wurde die zweite Mannschaft in der Landesliga zurückgezogen. Sollte es zur kommenden Saison keine zweite Mannschaft geben, müsste diese 2021 in der D-Liga wieder anfangen. Wie sind nun die Planungen?
Wir versuchen natürlich, eine zweite Mannschaft auf die Beine zu stellen.
Wer kümmert sich um die Zusammenstellung des Teams?
Wir haben eine gute A-Jugend, aus der zehn Spieler rauskommen. Mit denen habe ich das Gespräch gesucht und darauf hingewiesen, dass eine Mannschaft aufgestellt werden soll und dass wir auf sie zählen.
Das reicht noch nicht für eine Mannschaft.
Der Kader der Oberliga-Mannschaft ist breit aufgestellt. Vielleicht kann man von dort einige Spieler hinzunehmen. Ich denke an die Jungs, die in dieser Saison aus der A-Jugend gekommen sind und noch nicht so viel Einsatzzeit hatten. Denen können wir Spielpraxis mit der Option nach oben anbieten. Dazu wollen wir erfahrene Jungs aus der näheren Umgebung holen. Wir nehmen Siegen-Wittgenstein in den Fokus, um einen Kader mit 18 bis 20 Mann zur Verfügung zu haben, der eine gute Rolle spielen kann.
Als Trainer ist aktuell Timm Schniegeler im Gespräch. Ist da etwas dran?
Selbstverständlich kann er bei uns eine Trainerposition übernehmen, das würde Sinn machen.
Er ist ein angenehmer Vertreter, ein verdienter Spieler und hat uns im vergangenen Jahr in großer Not in der zweiten Mannschaft ausgeholfen. Ob er dann im zweiten Glied ist oder der Mann an der vordersten Front, das wird man noch sehen. Er spielt in unseren Überlegungen auf jeden Fall eine Rolle und wir haben auch schon Gespräche mit ihm geführt.
Für welche Bezirksliga-Staffel will der TuS die Zugehörigkeit beantragen?
Darüber sind wir uns noch nicht im Klaren. Einerseits locken die Derbys im Siegerland – und was im Wendener Raum ansässig ist, ist auch eine interessante Geschichte. Die fußballerisch etwas einfachere Variante wäre, das Sauerland zu wählen. Aktuell weiß ich aber nicht, wie dort die Konstellation wäre und was aus Birkelbach wird.