Erndtebrück. Der Neu-Wittgensteiner Hristian Stanimirov blickt auf sein erstes Jahr als Tennislehrer in der Region zurück und berichtet von einer spannenden Zeit.
2019 war ein Jahr, in dem sich mein Leben grundlegend geändert hat. Von Portugal bin ich nach Erndtebrück gezogen, um als neuer Tennislehrer in Wittgenstein zu arbeiten. Es war eine gute Entscheidung, ich bin zufrieden. Ich mag die Arbeit, vor allem mit den Kindern – und ich liebe Tennis. Deshalb bleibe ich auch weiter in der Region, was vorher nicht als Selbstverständlichkeit vorauszusetzen war.
Am Anfang war das alles ziemlich stressig. Damit meine ich nicht nur Behördengänge, den Umzug oder das Kennenlernen der Orte und Menschen, sondern es fängt ja schon mit der Sprache an.
Ich habe mich beworben und nach der Zusage ab Anfang des Jahres angefangen, Deutsch zu lernen. Das heißt, ich hatte vor Antritt meiner Stelle im April nur vier Monate Zeit, die neue Sprache zu lernen. Ich konnte vorher schon Bulgarisch, die Sprache meines Heimatlandes, sowie Portugiesisch, Spanisch und Englisch. Dazu habe ich das Glück, dass meine Freundin Linguistik studiert und mir in einigen Sachen helfen konnte. Aber mit der Reihenfolge der Wörter im Satz tue ich mich schwer, mit den Umlauten wie ü und ö auch. Zudem haben die Leute am Anfang für mich zu schnell gesprochen – im echten Leben ist es ja immer anders als beim reinen Lernen.
Am Anfang musste ich mir mit einigen Standardfloskeln helfen, aber ich bin froh, dass es trotzdem von Beginn an in Deutsch funktioniert hat. Die Leute waren auch supernett und haben mir geholfen. Das war gut, weil zum ersten Mal in meinem Leben die Familie für mich sehr weit weg war. Selbst als ich mal in Spanien gelebt habe, war ich in ein paar Stunden mit dem Auto bei ihr. Jetzt haben wir uns an Weihnachten das erste Mal nach langer Zeit gesehen.
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Als wir über Deutschland gesprochen haben, habe ich ihnen von den Unterschieden zu Portugal erzählt. Natürlich gibt es einen etwas höheren Lebensstandard in Deutschland, aber neu waren für mich auch viele Kleinigkeiten, etwa das Biertrinken. Das tue ich viel häufiger als früher, weil es hier einfach nach dem Training oder Spiel zur Geselligkeit dazugehört. Auch der Lebensrhythmus ist ganz anders. Alles passiert früher als in Portugal. Das frühe Aufstehen war für mich zuerst komisch. In Portugal ist sieben Uhr eine gute, normale Zeit dafür – dann sind hier schon viele Leute bei der Arbeit. Und zu den Zeiten, an denen wir in Portugal zu Abend essen, schließen die Restaurants hier schon.
Ungünstige Arbeitszeiten
Als Tennislehrer muss ich nicht früh aufstehen, weil die Trainingsstunden am Nachmittag und am Abend sind.
Das ist ein bisschen blöd, um außerhalb des Sports Menschen kennen zu lernen, denn wenn ich frei habe, sind die meisten Leute am arbeiten. Ich bin dann viel am Telefon oder bei Whatsapp, um mit meiner Familie oder meiner Freundin, die in Bulgarien studiert, zu sprechen.
Umso glücklicher bin ich, dass es mit den Kontakten beim Sport gut funktioniert. Wir haben eine Weihnachtsfeier im Westfälischen Hof gemacht, mit Abendessen und natürlich mit Biertrinken, dazu sind 33 Leute gekommen. Wären nicht so viele Weihnachtsfeiern gleichzeitig gewesen, wären wir über 50 Leute gewesen.
Für 2020 hoffe ich, dass wir mit der Tennisschule etwas wachsen und noch mehr Kinder begeistern. Es wird eine Kooperation mit der Grund- und Realschule geben.
Es müssen nicht Spitzenleistungen sein
Aktuell spielt gerade mal ein Prozent der Erndtebrücker Schüler Tennis. Viele Kinder machen sogar überhaupt gar keinen Sport und bewegen sich wenig, aber das ist eher ein Problem der Generation als von Deutschland, denn in Portugal, Spanien oder Bulgarien beobachte ich das Gleiche. Was hier aber etwas anders ist: Die Kinder, die Sport treiben, machen ganz viel. Noch ein oder zwei andere Sportarten, noch Musik oder Feuerwehr. Und weil die Kinder dann sowieso schon mit der Schule und anderen Sachen viel Druck haben, geht es für die Eltern beim Tennis nicht unbedingt darum, dass ihre Kinder Spitzenleistungen erreichen.
So war es für mich persönlich auch viele Jahre. Mit der Tennismannschaft des TC Gottfried von Cramm Erndtebrück habe ich im Sommer zum ersten Mal seit sechs Jahren ein echtes Wettkampfspiel gehabt. Am Anfang war es schwierig für mich, zumal ich auch jahrelang nicht auf Asche gespielt hatte. Ich persönlich habe nur eines von sechs Spielen gewonnen, aber wir haben im letzten Spiel den Klassenerhalt in der Südwestfalenliga geschafft. Es fehlte dann sogar nur ein Punkt zum Aufstieg, aber ich denke, wir sind in dieser Liga gut aufgehoben. Das ist einfach unser Level.
Jetzt im Winter fühle ich mich wohler und ich hatte gute Matches, aber wir haben sehr mit Verletzungen zu kämpfen. Wir werden die Bezirksliga trotzdem halten. Und dann geht es draußen schon wieder los. Darauf freue ich mich schon.
Serie: Mein Sportjahr 2019
Bis Silvester berichten an dieser Stelle verschiedene Athleten aus Wittgenstein über ihr Sportjahr 2019.
Unser erster Gastschreiber, Hristian Stanimirov, ist 26 Jahre alt, stammt aus Bulgarien und hat viele Jahre in Portugal gelebt.
Sein Text entstand mit Unterstützung und auf Basis einiger Fragen unserer Redaktion.