Erndtebrück. . Hristian Stanimirov startet als Tennislehrer in Wittgenstein. Für den 25-Jährigen, Sohn eines Fußballprofis, ist Deutsch die fünfte Sprache.
„Alles gut bei dir?“, fragt der Zwei-Meter-Mann. Das kleine Mädchen blickt nach oben nickt nur. „Dann lass uns loslegen“, sagt Hristian Stanimirov, ehe er am Sonntag zwei Einkaufskörbe voller Tennisbälle auf den Platz schiebt und für das Aufwärmtraining mit den Kindern eine Koordinationsleiter auslegt.
Für den 25-Jährigen Bulgaren ist es das erste Training in der Weiherstraße. Das Interesse daran ist groß. An der Balustrade ist kein Platz mehr frei – so voller Menschen ist Clubhaus-Balkon beim TC Gottfried von Cramm sonst nur bei den Wittgenstein Open im Sommer. Viele kommen anlässlich der Saisoneröffnung, viele wollen sich aber auch einfach ein Bild von „dem Neuen“ machen, der für die Ausbildung des Tennis-Nachwuchs in Wittgenstein zuständig sein wird.
Über 100 Tennis-Schüler aller Altersklassen übernimmt Stanimirov nahtlos von der Tennisschule Löcherbach, die er in Erndtebrück, Bad Berleburg und Schwarzenau ausbilden soll. Auch in Feudingen soll in absehbarer Zeit wieder etwas passieren. Bis auf Bad Laasphe, wo es ein klassisches Vereinstraining gibt, und Weidenhausen wird der 25-Jährige für die neu gegründete Tennisschule „HQ Tennis“ aus Hennef also auf allen Wittgensteiner Plätzen unterwegs sein. Nachgedacht wird auch über Kooperationen mit Schulen und Kindergärten.
Der solide Job hat Vorrang
Möglich macht es die Entscheidung von Jens Löcherbach, den Betrieb seiner Tennisschule einzustellen. „Der Entschluss ist mir nicht leicht gefallen, aber wir konnten zeitlich bedingt das Tennis nicht mehr so fördern, wie es zu Beginn einmal der Fall war“, sagt Jens Löcherbach, der einen „normalen“ Vollzeitjob bei der Firma Berge Bau ausübt – diesen für die Tennisschule aufzugeben, kam nicht in Frage.
So gab der 37-Jährige im einwöchigen Trainingscamp, das die Erndtebrücker in den Osterferien am Gardasee durchführten, seine vorerst letzten Tennisstunden. Er ist sich sicher: „Mit Hristian habe ich einen guten Nachfolger gefunden, welcher an unsere Ansätze anknüpfen kann.“
Stanimirov ist vergangene Woche nach Erndtebrück gezogen und sammelt seine ersten Eindrücke. Doch warum bzw. wie ist der Bulgare, der zuvor 15 Jahre in Portugal lebte und erst seit vier Monaten deutsch lernt, überhaupt in Erndtebrück gelandet?
Vater ist ehemaliger Fußball-Profi
„Er hat sich bei uns beworben“, sagt Alfred Welke, Leiter von „HQ Tennis“, der Stanimirov am ersten Tag in Erndtebrück begleitet. Überzeugende Argumente lieferte der 25-Jährige mit sechs Jahren Erfahrung als Tennislehrer in Portugal und Spanien sowie mit einer guten Spielstärke – für den Durchbruch zum Profi reichte es zwar nicht, doch immerhin an ITF-Turnieren, der zweithöchsten Ebene nach ATP-Turnieren, nahm er teil.
„Mit 19 habe ich entschieden Tennislehrer zu werden“, sagt der Bulgare, der stolz auf das Erreichte ist. Mit dem Tennisspielen begann er nämlich erst mit 14 Jahren. „Viele haben gesagt, dass ich zu alt bin um etwas zu erreichen, aber ich habe es trotzdem durchgezogen“, berichtet Stanimirov über seinen Werdegang.
Bevor er zum Tennisschläger griff, war er leidenschaftlicher Fußballer und wollte seinem Vater Ivaylo nacheifern, der 1990 – nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – als einer der ersten Ostblock-Kicker in Portugal anheuerte, bei União de Lamas. „Die haben damals in der zweiten Liga um den Aufstieg gespielt und den FC Porto aus dem Pokal geworfen“, erzählt Stanimirov, der genau wie sein Vater (heute Inhaber einer Korken-Firma) wegen Verletzungen das Kicken aufgab.
Fähig zur Konversation
Der ungewöhnliche Werdegang bringt es mit sich, das der 25-Jährige mit Bulgarisch, Portugiesisch, Spanisch und Englisch vier Sprachen fließend spricht. Auch mit Deutsch klappt es nach vier Monaten nicht schlecht. Die mündlichen und schriftlichen Nachfragen unserer Zeitung beantwortet Stanimirov bereits in Deutsch – zwar noch etwas brüchig, aber verständlich.
„Er ist sympathisch und muss es auch sein“, sagt Jens Löcherbach: „Die Leute müssen gerne zu dir kommen, sonst kann eine Tennisschule nicht funktionieren.“ Immerhin: Der Anfang ist gemacht.