Hesselbach. . Wer am Hang des SV Oberes Banfetal unterwegs ist, trifft Ski-Puristen, Pizzabremser und Zuckermacher. Wie viele Fahrten pro Stunde möglich sind.

0,4 Pistenkilometer, ein Schlepplift und elf Schneekanonen – der „Hesselbacher Gletscher“ ist ein Zwerg im Vergleich der Skigebiete und schnell erkundet, genießt aber einen hervorragenden Ruf. Ein Besuch am Bohnstein, wo aktuell noch 60 Zentimeter Schnee liegen.

14.58 Uhr: Wenn der Lift mit dem Drehen beginnt, schlägt die Stunde der Genießer – die „Macher“ des Skigebiets und ganz frühe Gäste haben das Skigebiet noch fast für sich allein. Erster ist Helmut Bernhardt, Leiter der Skihütte. „Bevor ich anfange, fahre ich jeden Tag eine halbe Stunde. Dann ist die Piste noch glatt“, so der 67-Jährige, ehe er die ersten Schneisen in den planierten Schnee pflügt. Die Luft lässt bei der ersten Abfahrt die Wangen gefrieren und die Lunge brennen. Auf der ebenen Piste kann man es so richtig laufen lassen – ein Traum.

Tagesticket in Hesselbach ist ein Schnapper

Günther Gerhard beim Ticketverkauf. Foto: Florian Runte 15.02 Uhr: Ticket kaufen in der Skihütte. Gletscher-„Boss“ Günther Gerhard verkauft ausschließlich Saison- und Tagestickets – die sind dafür echte Schnapper. 9 Euro kostet das Tagestickets unter der Woche, ab 17 Uhr sogar nur 7 Euro. Für Jugendliche gibt es Ermäßigungen. Dem Ehrenamt sei dank: an Liften in der Region ist es sonst nur in Ewersbach ähnlich günstig.

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15.14 Uhr: Noch so einer, der die ersten Minuten zu schätzen weiß, ist Sven aus Kreuztal – überhaupt kommen viele Siegerländer über den Rothaarkamm. Sven ist mehrmals pro Woche hier und bekannt wie ein bunter Hund – und das nicht wegen seiner knallbunten Skiklamotten. Der Siegerländer ist auf Telemarkski unterwegs, die nicht nur deutlich breiter sind als der normale Carving-Ski, sondern auch anders zu fahren sind. Sven kniet beim Schwung auf dem Bergski, indem er die Ferse des hinteren Fußes hochhebt und den Talski nach vorne schiebt. Klingt kompliziert, sieht aber cool aus. „Ich fahre lieber nach Hesselbach als nach Winterberg. Der Schnee ist besser und hier stehen die Leute nicht so viel herum. Man kann einfach gut fahren.“ 15.50 Uhr: Inzwischen ist Aufmerksamkeit am Lift gefordert. Wer vergisst, eine breite Körperstellung einzunehmen, an dem flutschen ruckzuck Kinder vorbei, die das aktive Anstehen zur Wissenschaft erkoren haben. „Neulich ist im Verein sogar eine E-Mail rumgegangen, dass die Kinder in den orangenen Jacken sich doch bitte etwas zurückhalten sollen“, schmunzelt Zoe (13) aus Saßmannshausen, eine der „Orangenen“. Der Hang ist voll mit den Farbtupfern – die Jacken sind das Markenzeichen des SV Oberes Banfetal.

Die Kinderskischule in Hesselbach. Foto: Florian Runte 16.15 Uhr: Die Kinder-Skischule hat begonnen. Tanja Schäfer ist auf dem „kleinen“ Anfängerhang, der links des Skiliftes verläuft, mit einer Gruppe von neun Kindern unterwegs, die sie zwischen Maus und Elefant hindurchnavigiert – diese Kindertore hat der Verein selbst gezimmert. Einige Kinder nimmt sie bei den ersten Fahrten zwischen die Beine und erklärt den richtigen Schwung. Andere sind schon eigenständig unterwegs, müssen aber an die richtige Technik erinnert werden. „Pizzabremse“ oder „Großes Krokodil“ ruft Tanja Schäfer, wenn der Schneepflug angesagt ist. Ist eingängiger und klingt schöner.

Skifahren wie auf Zucker

16.45 Uhr: Inzwischen ist der „Auslauf“ im Tal zu einer Spur geworden, die den Fahrer beim Bremsen quasi automatisch zum Lift führt. Dort kommt es einem so vor, als wäre man auf Zucker unterwegs – typisch für alten Kunstschnee. „Je älter, desto krisseliger“, erklärt Günther Gerhard, der sich in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge Expertenwissen zur künstlichen Schneeproduktion aneignete und die „Kanonen“ in Hesselbach bedient: „Der Schnee wird immer wieder feucht und gefriert neu. Dadurch ändert sich die Konsistenz.“

Helmut Bernhardt in der Skihütte im Einsatz. Foto: Florian Runte 17.24 Uhr: Erster Stopp in der Skihütte. Es riecht nach Kaffee und statt Apres-Ski-Hits wie „Holzi Holzi Holz“ läuft WDR2. Helmut Bernhardt hat noch recht wenig zu tun – seit auf „normalen“ Wiesen weniger Schnee liegt, hat der Betrieb spürbar abgenommen. Welche Getränke am besten laufen, kommt aufs Wetter an. Bier spielt fast nie die Hauptrolle. In der gut sortierten Küche ist neben dem Topf für die Bockwurst vor allem das Waffeleisen gefragt. „Den Teig macht meine Frau. Und sie backt jeden Tag Brezeln“, erklärt Bernhardt, der immer hinter der Theke steht, wenn der Lift läuft. Dies macht er ehrenamtlich seit die Hütte steht – also über 30 Jahre. Neben der Theke hängt der Kalender eines Unternehmens für Pistenraupen. „Leidenschaft ist unser Antrieb“, ist darauf zu lesen. Könnte auch der Slogan des Skigebiets sein.

Rennsport spielt eine Nebenrolle im Skigebiet

18.25 Uhr: Inzwischen ist das Flutlicht an und Sven aus Kreuztal ist dazu übergegangen, rückwärts die Piste hinunter zu fahren – in der Skihütte ist er deshalb einfach nur als „Rückwärtsfahrer“ bekannt. „Ich fahre Telemark, weil es anders als beim statischen alpinen Stil eine rundere Bewegung und viele neue Möglichkeiten bietet“, erklärt der Siegerländer während der Liftfahrt – und nimmt beim Ausstieg in einer Bewegung den Schwung nach unten mit. Pro Richtungswechsel fliegen drei Pfund Zucker zur Seite.

Eine Flutlichtfahrt in Hesselbach. Foto: Florian Runte 19.05 Uhr: Vorübergehend Aufregung in der inzwischen volleren Skihütte. Ein Skiclub aus Hessen ist angereist und will Stangentraining machen. Dies sei abgesprochen gewesen, doch keiner weiß etwas – und Renntraining findet grundsätzlich nur Dienstags statt. Also: Kein Stangentraining. „Das ist unmenschlich“, wütet ein Jugendlicher, doch Bernhardt lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Wirklichen Ärger haben wir hier nie. Sonst hätte ich auch keinen Spaß daran“, erklärt er, während ein Kompromiss ausgehandelt wird. Ganz am Rand dürfen Kippstangen gesetzt werden – ausnahmsweise. Damit kann auch der Hüttenwirt leben, der stolz auf seine Skisport-verrückten Nachkommen ist – Enkelin Jana wurde am Samstag Westdeutsche Schülermeisterin.

Bis zu 20 Abfahrten pro Stunde möglich

Abends hat man den Lift fast für sich allein. Foto: Florian Runte 20.30 Uhr: Auf der Piste ist kaum noch etwas los, Wartezeiten gibt es nicht. Zeit für ein Experiment: Eine Fahrt mit dem durchaus flotten Schlepplift dauert zwei Minuten, eine Abfahrt je nach Fahrstil 25 bis 60 Sekunden – theoretisch sind also 20 Fahrten pro Stunde möglich.

21.05 Uhr: Während draußen die Pistenraupe ihren Dienst aufgenommen hat, hat Tanja Schäfer einen Jungen aus der Skischule auf dem Arm und lässt sich in der Skihütte über die neuesten Dorfgeschichten informieren. Sie wohnt und arbeitet in Köln, kommt aber ab und zu für die Skischule in ihre Heimat. „Das gehört für uns einfach dazu. Jungschar, Kinder-Gottesdienst, Schwimmbad, Inlinefahren und Ski. So haben wir die Jugend verbracht“, erklärt Schäfer, während der Junge auf ihrer Schulter eingeschlummert ist. Ist schließlich anstrengend, so ein Tag am Gletscher.