Balve. Ein Steckenpferd als Sportgerät? Und ob! Reitlehrerin Marisa Philipp erzählt von Vorurteilen und warum Kinder sogar aus Dortmund nach Balve kommen.
Dass auf dem Sandplatz in Wocklum eine Dressurkür geübt wird, scheint erst einmal nicht wirklich besonders. Doch sonntagmorgens sind es nicht die Pferde, die über den Platz traben, sondern die Reiterinnen und Reiter selbst. Hobby Horsing ist der neue Trend im Reitsport. Einige belächeln den neuen Trend, andere sehen das Potenzial. Marisa Philipp, Leiterin der Reitschule Philipp, erklärt, woher der Hype kommt.
Schon vor der Pandemie startete das Hobby-Horsing-Training in Wocklum. Zwei Jahre mussten sie aussetzen, da kein Gruppentraining möglich war. „Nach dem Balve-Optimum dieses Jahr sind wir wieder voll gestartet“, berichtet Philipp. Doch wie kam es damals überhaupt dazu, das Hobby Horsing in der Reitschule anzubieten?
„Ursprünglich haben wir ein paar lustige Videos aus Finnland gesehen. Dort erfährt das Hobby Horsing einen großen Hype“, erzählt sie. Der Vorstand lachte, als Philipp damals vorschlug, den Trend auch in Wocklum anzubieten, „und dann hatten wir einen Massenandrang“.
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Was als lustige Idee anfing, entwickelte sich schnell zum Erfolgsprojekt. Gerade die Dressur- und Springturniere mit Siegerehrung und Schleifchen erfuhren einen großen Andrang, so Philipp. Aber auch zum Training nehmen einige Steckenpferd-Reiterinnen und -Reiter einen weiten Weg auf sich. „Teilweise kommen sie aus Dortmund. Da habe ich mich sehr gewundert, wie sich das denn herumgesprochen hat“, erzählt die Leiterin der Reitschule.
Zwischen fünf und 15 Jahre alt sind die Kinder und Jugendlichen, die den Trend zu ihrem Hobby machten. Beim Training in Wocklum unterscheiden sich sowohl die Teilnehmerzahl als auch deren Alter stark. „Das Hobby Horsing machen die meisten Kinder zusätzlich zum Reitunterricht“, berichtet Philipp. Das eigne sich besonders gut, findet sie, da die Kinder so wichtige Grundlagen für das Reiten auf echten Pferden lernen.
Für die Kür im Dressurreiten müssen die Reiter bestimmte Wege in unterschiedlichen Tempi und Gangarten abreiten. „Das können wir natürlich super auf das Hobby Horsing übertragen“, sagt sie, „das ist dann wie ein ergänzendes Training“. Auch das Springreiten funktioniere mit dem Steckenpferd, obwohl die Höhen selbstverständlich nicht zu vergleichen sind.
Aber: „Wir können den Kindern auch hier schon vermitteln, worauf es ankommt. Beispielsweise, wie das Pferd im Handgalopp im Gleichgewicht durch die Wendung kommt.“ Das sei wesentlich anschaulicher für die Kinder als trockene Erklärungen.
In den sozialen Medien wird das Hobby Horsing oft belächelt. Man könne den Sport auch ohne das Steckenpferd ausüben und die Reiterinnen und Reiter würden ihr Hobby viel zu ernst nehmen, schreiben viele User. Dazu hat Philipp eine ganz klare Haltung: „Lass sie doch Spaß haben“. Wie ernst die jungen Reiterinnen und Reiter das Ganze nehmen, habe auch sie schon erlebt.
Sie erzählt von Gesprächen unter den Kindern. Dabei fielen sie Sätze wie: „Mein Pferd frisst am liebsten Möhren“ oder „Vorsicht, geh nicht so dicht dran. Mein Pferd tritt manchmal.“ Philipp erzählt: „Sie waren richtig in der Rolle. Wie in einer anderen Welt. Da musste ich mich zwischendurch schon etwas zusammenreißen“. Auch sie muss also manchmal schmunzeln, aber eins ist für sie klar: „Hobby Horsing regt die Fantasie an. Wir haben früher alle mal Pferdchen gespielt. Wir hatten nur nicht dasselbe Equipment.“
Die Leiterin der Reitschule zieht einen Vergleich: „Es sind bestimmte Bewegungen, die im Gleichgewicht durchgeführt werden. Über Ballett macht sich auch keiner lustig.“ Hobby Horsing verbessere sowohl die Koordination als auch die Kondition. Dabei sei es egal, ob die Kinder und Jugendlichen Spaß an Leichtathletik haben oder ob sie mit dem Steckenpferd das Gleiche machen. Im Fokus stehe die Bewegung. „Im Ballett fragt auch keiner, ob das sinnvoll ist oder nicht.“
Die Reiterwelt sieht den Trend Hobby Horsing teilweise kritisch
Mitte September fand in Frankfurt am Main die erste deutsche Meisterschaft im Hobby Horsing statt. Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte das Event zu verzeichnen. Dennoch sagt Philipp: „Den Hype von Finnland werden wir, denke ich, nicht erleben. Auch in anderen Vereinen, die ein Training anbieten, sind es nicht allzu viele Teilnehmer.“
Auch die Reiterwelt sieht den Trend teilweise kritisch. So habe die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN eingeführt, dass man Steckenpferde offiziell als Turnierpferde eintragen kann - mitsamt offiziellem Namen und Nummer. Das fände die Reiterwelt „maßlos übertrieben“, so Philipp. Die FN solle sich vorerst um die vielen anderen Baustellen im Reitsport kümmern, bevor das Hobby Horsing in der Art in den Fokus rückt.