Menden. Die Darts-WM ist mit dem Finale und einem neuen Champion abgeschlossen. Auch Jörg Harnischmacher von den Pheasant Pluckers schaute zu.

Die Darts-Weltmeisterschaft elektrisiert traditionell viele Sportfans in der Weihnachts- und Neujahreszeit. Am Montag ging das Großereignis in London zu Ende. Es gab einen neuen Weltmeister, der auch die Führung in der Weltrangliste übernahm. WP-Redakteur Matthias Scheuren sprach mit Jörg Harnischmacher, Pressewart und Spieler der Pheasant Pluckers aus Menden, wie er die WM während der Corona-Pandemie erlebte und wie er das Abschneiden der deutschen Spieler bewertet.

Herr Harnischmacher, wie fällt Ihr Fazit zu der Darts-WM aus?

Jörg Harnischmacher: Es war wieder einmal eine WM mit vielen spannenden Spielen und einigen Überraschungen. Ich hatte den Eindruck, dass dieses Mal doch einige Spieler, die man nicht so sehr auf dem Zettel hatte, weiter gekommen sind, als erwartet. Namen wie Dirk van Duijvenbode und Devon Peterson sieht man auch nicht so häufig im Achtelfinale. Eine 0:5-Niederlage von Michael van Gerwen hat ebenso Seltenheitswert. Und das erste Mal seit vier Jahren gab es endlich wieder einen  9-Darter von James Wade zu bestaunen.


Irgendwie war aber, durch das fehlende Publikum, die WM doch nicht so wie sonst. Emotionen wurden lediglich hier und da durch die Protagonisten gezeigt. Ganz vorne war da der spätere Weltmeister Gerwyn Price, der mit seiner provokanten Spielweise immer wieder für Diskussionen sorgt. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Dominanz einzelner herausragender Spieler wie Phil Taylor oder Michael van Gerwen dieses Mal nicht gegeben war. Aber eine Sache war dann doch wie immer - die "Ally-Pally-Biene" hat wieder bei einigen Spielern für Verwirrung gesorgt

Welche Spieler haben Sie besonders überrascht?

Dirk van Duijvenbode und Krzysztof Ratajski überraschten aus meiner Sicht mit dem Erreichen des Viertelfinales. Für die beiden war erst dort gegen Gary Anderson und Stephen Bunting Schluss. Eine Riesenleistung, wie ich finde, insbesondere von van Duijvenbode, der mit Rob Cross und Glen Durrant doch eher unerwartet zwei Top-16-Spieler ausgeschaltet hat. Aus meiner Sicht ist das die Folge der frühen Spiele, die lediglich über drei oder vier Sätze gehen. Solch eine kurze Distanz gibt auch mal Außenseitern die Chance, durch ein kurzes Leistungshoch die Favoriten zu schlagen.
Auch dass Dave Chisnall es bis ins Halbfinale geschafft hat, hätte ich nicht erwartet. Ebenso wenig wie seinen 5:0-Sieg gegen den dreifachen Weltmeister Michael van Gerwen im Viertelfinale.

Von welchen Spielern waren Sie enttäuscht?

Ehrlich gesagt haben mich Peter Wright und James Wade doch schon enttäuscht. Von den beiden war sicherlich mehr zu erwarten. Auch wenn mich die Niederlage von Wright, trotzdem es einer meiner Lieblingsspieler ist, doch eher gefreut hat. Ist doch Gabriel Clemens durch den Sieg gegen ihn, der erste deutsche Spieler, dem es gelungen ist das Achtelfinale einer Darts-WM zu erreichen.
Wade hat es dann auch am Ende nichts genutzt, einen 9-Darter geworfen zu haben. Er verlor bereits in der dritten Runde 2:4 gegen Stephen Bunting.

Was sagen Sie zum spielerischen Niveau der WM?

Ich habe die Statistiken nicht im Kopf, aber ich denke, das Niveau war gewohnt hoch. Es gab zwar auch Ausreißer in denen die Durchschnitte unter 90 und die Doppelquoten nicht sonderlich überzeugend waren, aber im Wesentlichen lagen die Spiele auf einem Niveau zwischen 90 und 105 Punkten pro Aufnahme. Wenige Spieler wie zum Beispiel van Gerwen oder Chisnall schafften auch mal mehr als 105.

Was sagen Sie zum neuen Weltmeister und der neuen Nr. 1 der Welt Gerwyn Price?

Gerwyn Price hat in der letzten Zeit auf konstant hohem Niveau gespielt. In 2020 hatte er drei Major-Turniere gewonnen. Ich denke, dass am Ende sicherlich mehrere Spieler das Niveau gehabt hätten zu gewinnen. Aber es kann halt nur einer den Pokal bekommen. Obwohl Price ein ähnliches Phänomen aufwies wie Ratajski und Clemens - er schaffte es nicht die entscheidenden Darts schnell im Doppel zu platzieren - hatte er im entscheidenden Leg das Glück, dass auch für seinen Gegner, den zweifachen Weltmeister Gary Anderson, die Doppel wie vernagelt schienen. Am Ende konnte er mit dem insgesamt zwölften Match-Dart die WM dann doch für sich entscheiden. Mit dem Preisgeld der WM hat er seit vielen Jahren Michael van Gerwen vom ersten Platz in der Weltrangliste abgelöst.

Wie bewerten Sie das Abschneiden der deutschen Teilnehmer?

Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Max Hopp, der inzwischen an seiner achten PDC-WM teilgenommen hat, hätte ich es gegönnt auch mal etwas weiter zu kommen. Er stand zweimal kurz vor dem Erreichen des Achtelfinales, schaffte es aber nicht die dritte Runde zu überstehen.
Doppelt gefreut hat mich natürlich der Erfolg von Gabriel Clemens, der sich erst im deutschen Duell gegen Nico Kurz durchgesetzt und dann mit dem Sieg gegen den amtierenden Weltmeister Peter Wright sicher viele Darts-Experten überrascht und beeindruckt hat. Nach dem erstmaligen Erreichen des Achtelfinals durch einen deutschen Spieler hat es mich umso mehr geärgert, dass er das Spiel gegen Ratajski so extrem unglücklich verloren hat. Er konnte trotz sieben Match-Darts das Spiel nicht für sich entscheiden und ins Viertelfinale einziehen. Dass das entscheidende Leg bei beiden Spielern auf der Doppel 1 endet, ist schon sehr ungewöhnlich.

Wie fanden Sie generell die Atmosphäre einer Corona-Darts-WM ohne Zuschauer?

Eine wirkliche Atmosphäre gab es meines Erachtens nicht. Die eingespielte Geräuschkulisse konnte die Live-Stimmung nicht wirklich ersetzen. Aber am Ende war es doch besser als nichts.

Was wünschen Sie sich für die nächste WM, hoffentlich wieder mit Zuschauern?

Wieder spannende, hochklassige Spiele, die ein oder andere Überraschung, ein ausgeglichenes Spielerfeld und dass die deutschen Spieler vielleicht dann doch mal den nächsten Schritt machen und sich im Viertel- oder Halbfinale wiederfinden.