Gießen. . Basketball-Bundesligist Phoenix Hagen hat die LTi Gießen 46ers mit 105:98 (46:45, 88:88) nach Verlängerung bezwungen. Beim Zwischenstand von 78:62 sprach absolut nichts gegen den sportlich überlebenswichtigen Sieg des Schlusslichts, doch David Bell und seine Hagener Teamkollegen holten den Vorsprung in Windeseile auf.

Den Eindruck, freundliche Aufbauhilfe im Sinn zu haben, vertrieb Basketball-Bundesligist Phoenix Hagen erst spät. Und traf Schlusslicht LTi Gießen 46ers damit umso härter. Das ersehnte sportliche Lebenszeichen hatten die von der Insolvenz bedrohten Hessen ganz nah vor Augen, als sie noch 150 Sekunden vor der finalen Sirene mit elf Punkten vorn lagen. Doch mitleidlos entrissen David Bell und seine Hagener Teamkollegen den zusehends erstarrenden Gastgebern den Vorsprung in Windeseile und retteten sich in die Verlängerung, wo sie bei ihrem 105:98 (46:45, 88:88)-Sieg keine Mühe mehr hatten. „Ein solches Comeback habe ich auch noch nicht erlebt“, staunte Phoenix-Routinier Bernd Kruel, der auf bald 20 Bundesliga-Jahre blicken kann.

"Willkommen in der Osthölle"

Das Nummerngirl mit dem Schild „Willkommen in der Osthölle“ und AC/DCs Rockklassiker „Highway to hell“ sollten helfen, doch es herrschte bedrückte Stimmung in der Gießener Sporthalle Ost. Ein großes Banner mit der Aufschrift „Unsere verlorene Liebe“ hatten die Anhänger des Liga-Gründungsmitglieds über ihren Block gehängt, an der Austragung des nächsten Heimspiels Anfang Februar herrschen im 46ers-Umfeld große Zweifel. Auf den Rängen dominierten so die Farben Blau und Gelb der knapp 400 mitgereisten, sangesfreudigen Hagener Fans, für die die Fahrt über die Sauerlandlinie zum Traditionsduell bisher zum alljährlichen Pflichtprogramm gehört.

Die Verunsicherung der leidgeprüften Gastgeber, die wegen abgelaufener Spielberechtigung auch noch auf US-Amerikaner Jeff Bonds verzichten mussten, wollten die Gäste zügig mit aggressiver Defensive nutzen. Doch zu viele Chancen ließ Phoenix liegen, mit Ballverlusten baute man die Gießener um das dominante Center-Trio Elvir Ovcina, Jasmin Perkovic und LaQuan Prowell auf. Erst nach dem 25:18 durch den Ex-Hagener Dominik Spohr (11. Minute), der später wegen einer Schulterverletzung ausfiel, kamen die Gäste zu ihrem Tempospiel. Der starke Davin White - ungeachtet eines Trauerfalls in der Familie mit beeindruckender Energieleistung auftrumpfend - führte sie zur knappen Pausenführung.

16 Punkte Vorspring für Gießen

Ihren Rhythmus fanden die Hagener aber auch nach der Pause nicht, ganz im Gegensatz zu den Gastgebern. Angeführt vom kaum noch zu stoppenden Ryan Brooks setzten sich die 46ers ab, weil Phoenix offensiv nun nahezu alles missglückte. Die Gießener Kulisse erwachte, beim 78:62 durch Brooks spektakulären Alleyhoop-Dunking (33. Minute) sprach absolut nichts gegen den sportlich überlebenswichtigen Sieg des Schlusslichts. Außer dem unbedingten Willen der nach drei Auswärts-Coups in Folge selbstbewussten Gäste, sich nicht ausgerechnet gegen den mutmaßlichen Absteiger zwei Saisonniederlagen zu leisten. Mit einer kleinen Aufstellung erhöhte Trainer Ingo Freyer den Defensivdruck, das zeigte bei den nervlich angeschlagenen 46ers allmählich Wirkung.

Schnelle Ballgewinne brachten die Gäste heran, da gerade Bell jetzt hochprozentig traf. Seinen Dreier zum 80:74 drei Minuten vor dem Ende konterten die Gießener noch mit fünf Punkten, mit dem erlösenden Sieg vor Augen (85:74) gerieten sie aber völlig aus der Spur. Ganze 26 Sekunden benötigte Phoenix für neun Zähler in Folge, auch weil die 46ers an der eigenen Grundlinie gegen die aggressive Hagener Pressverteidigung gleich dreimal den Ball herschenkten. Und als dann erneut Bell per Dreier zum 88:88 ausglich, war die Moral beim Schlusslicht endgültig gebrochen. Die Verlängerung der hoch emotionalen Partie spielte Phoenix ganz souverän herunter, auf den Rängen herrschte Schockstarre - bis auf die nun wieder enthemmt feiernden Hagener Fans, die erstmals Freyer zum Anstimmen der Sieges-Rituale ans Megaphon baten.

"Wahnsinn, unglaublich"

„Wahnsinn, unglaublich“, hatte auch der Phoenix-Coach zunächst Mühe, die dramatische Wende zu verarbeiten: „Es war beeindruckend, wie meine Mannschaft hier zurückgekommen ist. Bis drei Minuten vor Schluss haben ja alle in der Halle gedacht, dass wir das Spiel verlieren.“ Nur die Komplimente an sein Team für einen „guten Fight“ blieben da seinem Gegenüber Mathias Fischer: „Ich wünschte, wir hätten gewonnen. Es wäre so wichtig gewesen.“ Ob es noch eine weitere Chance für die Gießener gibt, weiß auch er nicht.

Statistik: LTi Gießen 46ers - Phoenix Hagen 98:105 n.V. (45:46, 88:88)

LTi Gießen 46ers: Harris (8, 5 Assists), Ovcina (16, 10 Rebounds, 5 Assists, 5 Ballverluste), Faßler (10), Zazai (14, 2/3 Dreier, 5 Assists), Spohr (4), Büchert, Brooks (18), Prowell (10), Perkovic (18).

Phoenix Hagen: Bell (28, 4/7 Dreier, 4 Steals), Hess (10, 2/4 Dreier, 7 Rebounds), Kruel (1), Wendt, Gordon (12, 7 Rebounds, 5 Steals), Lodwick (2), Gregory (13, 7 Rebounds), White (26, 1/5 Dreier, 13/14 Freiwürfe).

Viertel: 23:18, 22:28, 25:12, 18:30, 10:17.

Teamstatistik: 50:47% Wurfquote, 6/15:8/22 Dreier, 18/23:27:36 Freiwürfe, 41:41 Rebounds, 20:9 Assists, 23:15 Ballverluste, 5:18 Ballgewinne, 2:3 Blocks. Zuschauer: 3192.