Herdecke. Vor 30 Jahren stieg die TSG Herdecke in die 2. Liga auf, jetzt traf man sich wieder. Und erinnerte sich an eine TSG-Sternstunde:
Dirk Singmann hatte es gar nicht so einfach, eine passende Lokalität zu finden, um sich gemeinsam mit seinen ehemaligen Weggefährten an glorreiche Zeiten zu erinnern. Denn der frühere Spieler der TSG Handball Herdecke hatte ein Ehemaligentreffen organisiert. Zusammen kamen die Spieler, die vor 30 Jahren am 31. Mai 1994 den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft hatten. Ein Höhepunkt der Vereinsgeschichte.
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Natürlich waren die sportlichen Erinnerungen Thema, doch gar nicht vordergründig. Vor allem freuten sich die Ex-Teamkameraden, wieder in größerer Runde zusammenzukommen. Einige haben immer mal wieder Kontakt oder begegnen sich im kleinen Herdecke, doch die komplette Mannschaft hat sich lange Zeit nicht mehr gesehen. „Ich habe viele wirklich 30 Jahre lang nicht gesehen. Spannend war: Erkenne ich alle wieder. Das hat geklappt“, erzählt Karl-Heinz Paukstadt, der ehemalige Rechtsaußen und Co-Trainer der Aufstiegsmannschaft von 1994. Die Gruppe freute sich zudem riesig darüber, dass auch die Vorstände von damals – die mittlerweile über 80 Jahre alt sind – mit in der Runde waren. „Sie haben es damals ermöglicht, dass wir alles so durchziehen konnten“, spricht Paukstadt seinen Respekt aus.
Sensation in den Spielen um den Aufstieg
Singmann brachte aus der glorreichen Zeit Fotos und Zeitungsartikel mit. Zudem hatten ein paar Ex-Handballer recherchiert und sich auf Youtube Videos angeschaut, die es von der TSG Herdecke gibt. Singmann und Paukstadt sind heute privat noch oft unterwegs, auch mal zu Handballspielen. Mit Carsten Lueg gehörte auch der aktuelle Mannschaftsarzt der Frauen-Nationalmannschaft der TSG an.
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Vor allem wurde natürlich noch einmal die beiden Aufstiegsspiele gegen die Spvg Versmold gesprochen. Nach der erfolgreichen Regionalligasaison fand das Hinspiel in Herdecke statt. In der Bleichsteinhalle siegte die TSG in einer torarmen Partie überraschend mit 15:14. Heiner Möller, damals Herdeckes Trainer, erinnert sich sehr genau: „In Versmold hingen zum Rückspiel Riesenplakate, es war alles für die Aufstiegsfeier vorbereitet. Sie waren klarer Favorit, wir der Underdog.“ Doch die TSG vermieste den Gegnern mit einem 21:21-Remis alles. „Als wir das Unentschieden kurz vor der Schlusssirene geschafft haben, wurde es sehr emotional“, erzählt Möller. Die TSG konnte erst kaum glauben, was gerade passiert war. „Die Gegenspieler taten mir schon ein bisschen leid. Draußen stand ein großes Partyzelt, und die Spielerfrauen hatten ihrer Mannschaft zur Belohnung eine USA-Reise geschenkt“, merkt Singmann an. Als damals junger Spieler sagt er: „Dass wir aufsteigen, nimmt einem keiner mehr. Das war für mich ein Meilenstein.“
TSG Herdecke bricht der Spvg Versmold das Genick
Die Versmolder waren völlig am Boden zerstört und erholten sich nie wieder von der Niederlage. „Sie waren finanziell gut aufgestellt, sie wollten es unbedingt schaffen. Aber die Niederlage hat ihnen einen Knacks versetzt und sie sind danach nie in die 2. Liga aufgestiegen“, berichtet Möller. Er bezeichnet das Remis aber auch als „glücklich“. Denn Herdecke erzielte einige Tore, weil der gegnerische Torhüter keinen guten Tag hatte. „Und unser Torwart Rainer Böhle war in dem Spiel überragend“, lobt der Ex-Trainer. Und dann noch das: Zur neuen Saison schloss sich ein Versmolder der TSG an: Es war Carsten Lueg, der seinen Weg auf höherer Handballebene bis heute fortsetzte.
Erinnerungen an verstorbene Ex-Spieler
Fast die gesamte Aufstiegsmannschaft der TSG Herdecke ist zum Ehemaligentreffen zusammengekommen. Es fehlten nur Jens Kissner, Lars Heismann und Hartmut Weber. Die Spieler haben sich an ihre treue Seele Hubert „Hubsi“ Hartmann, erinnert, der mittlerweile verstorben ist. Er wird von Möller als „Mädchen für alles“ bezeichnet, der den Handball lebte und mit der Mannschaft früher überall dabei war.
Ebenfalls verstorben ist vor zwölf Jahren Valerij Savko, 80-facher russischer Nationalspieler und dreifacher Weltmeister mit der UdSSR, der in Regionalliga und 2. Bundesliga für Herdecke auflief. Besonders in Erinnerung bleibt er aufgrund seiner Größe von 2,23 Metern. Die TSG hielt sich bis 2001 in der 2. Bundesliga. Aufgrund des Ausstiegs von einem der beiden Hauptsponsoren, Günter Ocker, ergaben sich 2001 finanziell nicht mehr stemmbare Hürden. Sportlich kämpfte Herdecke sogar um den Aufstieg in die 1. Bundesliga, musste die Mannschaft nach der Saison jedoch in die Oberliga Westfalen zurückziehen.
Nach dem Aufstieg folgten Erlebnisse, die ein kleiner Klub aus Herdecke nicht mal eben macht. Zum Beispiel lange Auswärtsfahrten in der Nordstaffel, bis an die polnische oder dänische Grenze. Teilweise lernten die TSGler auch eine ganz andere Mentalität kennen und sie waren natürlich in der 2. Bundesliga immer der Außenseiter in den Duellen, traten teilweise mit zu viel Respekt auf. „Ein komplettes Wochenende war kaputt, wenn wir samstagabends gespielt haben. Die Rückfahrten waren aber immer spannend und lustig. Wir haben ein Bierchen getrunken und Karten gespielt. Es gab noch keine Handys, also haben wir viele Witze gemacht und gequatscht“, verrät Möller. Auch der ein oder andere „Edelfan“ war dabei. Und als eine der Verstärkungen lenkte der ehemalige russische Nationalspieler Alexander „Sascha“ Maistrenko das Spiel in der gesamten Zweitliga-Ära der TSG entscheidend.
Frotzeleien gehören beim Treffen dazu
Durch das intensive Zusammensein unter der Woche – neben dem eigentlichen Beruf – wuchs eine tolle Gemeinschaft, die beim Treffen noch deutlich zu spüren war. So, als ob kurz vorher noch ein Training stattgefunden hätte. Und ein paar Frotzeleien gehörten dazu: Manche brachten ihr altes Trikot – damals übrigens noch aus reiner Baumwolle ohne Synthetik – mit, um zu schauen, ob sie noch reinpassen. Ergebnis: nicht jeder einwandfrei. „Wir müssen versuchen, in kleineren Abständen ein solches Treffen zu wiederholen“, sagen Ex-Nationalspieler Möller, der frühere Kreisläufer Singmann und Vereinslegende Paukstadt unisono.