Hagen. Helmut Schröer stemmt mit 78 Jahren noch schweres Eisen. Der Gewichtheber aus Hagen erzählt die Geschichte seines besonderen Teams:
Als Helmut Schröer 1963 in den SSV Hagen eintrat, probierte er sich am Gewichtheben und blieb dabei. Was er nicht ahnte: Zwei Jahre später stand er auf einmal ganz alleine als Sportler in der Halle. Viele hätten wahrscheinlich einen anderen Verein gesucht oder die Sportart gewechselt. Doch Schröer blieb im wahrsten Sinne des Wortes bei der Stange und hielt damit die gesamte Abteilung am Leben. Heute gibt es sie immer noch – nach der Auflösung des Hauptvereins Ende 2023 nun auf eigenständiger Basis. Die alte Garde, die vor 50 Jahren in der 2. Bundesliga kämpfte, trifft sich heute noch regelmäßig beim Training.
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Die meisten, der harte Kern, kommen dreimal die Woche. Sie trainieren natürlich nicht mehr in der Intensität wie früher, sondern eher mit Fokus auf die Gesundheit. Denn die Altersspanne bewegt sich von Mitte 60 bis Ende 70 Jahre. „Wir sind ein bisschen an den Geräten, ein bisschen auf der Matte und machen ein paar Dehnungen“, zählt Johannes Sarasa auf. Im Endeffekt werde das Spektrum weiterhin bedient, nur eben mit deutlich weniger Gewicht. Ambitioniert sind die meisten aber doch noch. Schließlich kennen sie das Training aus ihren aktiven Zeiten und wissen, wie sie ihren Körper effektiv fordern können.
Besondere Ehrung für viele Funktionen beim SSV
Zwischendurch gehört Unterhaltung dazu. Dabei kommen viele schöne Erinnerungen an die erfolgreichen Zeiten zurück. Vor allem aber sind die Kraftsportler Schröer dankbar, dass er ein Jahr in der alten Ischelandhalle ausharrte und so die olympische Sportart in Hagen hielt. 2023 wurde er für 60 Jahre Vereinsmitgliedschaft geehrt. Er war Sportler, Trainer, zwischendurch 40 Jahre Abteilungsleiter und half teilweise noch in der Mannschaft aus, die 1980 in die 2. Bundesliga aufstieg und dort ausschließlich mit Eigengewächsen – ohne Kämpfer aus dem Ostblock – gut mithielt. Schröers Funktion dabei war hauptsächlich Co-Trainer, neben dem Ex-Nationalsportler Peter Czitneki aus Ungarn.
Mitte der 1960er-Jahre hantelte Schröer in der alten Ischelandhalle, machte Fitness-Übungen und tastete sich selbst an die Technik des Gewichthebens heran. „Die beherrschte ich noch gar nicht richtig“, gesteht der 78-Jährige. Der damalige Abteilungsleiter Reinhold Graumann schaute einmal die Woche in der Sporthalle vorbei, um die Trainingszeit zu halten. „Helmut hat die Abteilung am Leben gehalten“, bringt es sein jetziger Trainingskollege Johannes Sarasa auf den Punkt. Er selbst stieg mit 19 Jahren ein, war der Jüngste der späteren Zweitliga-Mannschaft. Andere fingen eher an, etwa die Zwillinge Walter und Uwe Schmidt. Sie stießen mit einer Clique dazu. „Sie haben durch die Fenster geschaut und wollten das Gewichtheben probieren. Dadurch, dass sie mehrere Leute waren, hatten sie mehr Ehrgeiz“, erinnert sich Schröer.
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Aufstieg in die erste Bundesliga um ein Haar verpasst
Der wurde dann Trainer der Landesliga-Mannschaft, die erfolgreicher wurde. An genau diese Zeiten erinnern sich heute die alten Gewichtheber. Es entstand privater Kontakt, der bis heute anhält – nicht nur auf der Trainingsfläche des ehemaligen Schutzbunkers der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule in Wehringhausen. Die Sportler schwärmen von gemeinsamen Urlauben. Über Czitneki ging es dabei auch nach Ungarn an den Balaton. „Es ist eine entstandene Freundschaft seit Jahrzehnten“, sagt Sarasa. Gegen einen ungarischen Verein hat sich der SSV mal privat gemessen, in Ungarn und in Hagen. Sarasa: „Peter hat die Kontakte und es organisiert. Das sind Erinnerungen, die bleiben für das Leben.“
Ein Thema weckt die meisten Erinnerungen in der Truppe. Aus sportlicher Sicht war es ein negatives: der verpasste Aufstieg in die 1. Bundesliga. Es war ein Wettkampf gegen den KSV Langen. Ärgerlich: Die Punkterechner hatten sich etwas verrechnet. Sarasa kramt in seinem Gedächtnis und erzählt: „Walter Schmidt war damals als Letzter für uns an der Hantel. Er stemmte dann 1,5 Kilogramm zu wenig. Hätte er 2,5 Kilogramm mehr aufgelegt, was er wohl auch geschafft hätte, wären wir sicher aufgestiegen.“
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Verbundenheit geht über das reine Training hinaus
Die Gewichtheber sehen den Sport als Hobby an. Auf Bestleistungen kommt es nicht mehr an, aber auf Zuverlässigkeit: „Wir sind immer pünktlich beim Training. Wenn einer mal fehlt, entschuldigt er sich extra. Die Bindung ist uns sehr wichtig“, sagt Steffen Barth. Der Physiotherapeut aus dem Rehazentrum Hagen stieß 1978 dazu. Er war früher im Bundeskader und mit dem TV Kronenburg in der ersten Liga. Danach wird er immer mal im Training gefragt. Genauso wie nach „Wehwehchen“. „Manchmal kann ich mich davor gar nicht retten“, sagt er mit einem Zwinkern.