Hagen. Am 6. April 1974 feierte der SSV Hagen in Heidelberg einen historischen Triumph. Erinnerungen an einen Meilenstein & ausufernde Feierlichkeiten.
Dieses Bild könnte auch aus einem Hollywood-Streifen stammen. Drei adrett gekleidete Männer sitzen dicht gedrängt auf dem Rücksitz eines Cabrios, das sich langsam seinen Weg durch eine Menschenmasse bahnt. Etliche Leute säumen die Straßen der Hagener Innenstadt. Sie kreischen, klatschen, jubeln. Sie wollen ihre Stars anfassen, sie beglückwünschen, sie wollen Autogramme und Fotos. Die Basketballer des SSV Hagen mussten sich an diesem wunderschönen Frühlingstag vorgekommen sein wie die Beatles. Sie kehrten mit der Deutschen Meisterschaft im Basketball zurück aus Heidelberg - und lösten damit in der Volmestadt eine Euphorie aus. „Vorher waren 300 Leute in der Halle, zu unseren Spielen kamen dann 3000“, blickt SSV-Meisterspieler Peter Krüsmann stolz zurück. „Wir haben damals den Basketball-Boom in Hagen ausgelöst.“ An diesem Samstag ist die Sternstunde des Hagener Basketballs exakt 50 Jahre her. Zeit für einen Rückblick.
Keine Hagener Basketball-Mannschaft hat vor- oder nachher das erreicht, was der Mannschaft von Trainer Jörg Trapp am 6. April 1974 gelang. Mehr als 1000 mitgereiste Hagener waren Augenzeugen des historischen Triumphs gegen den amtierenden Meister USC Heidelberg. Krüsmann und seine Mitstreiter gewannen das zweite Finalspiel mit 70:64. Angeführt vom US-amerikanischen Starspieler Jimmy Wilkins, der so schnell über das Feld dribbelte, dass die Fernsehkameras manchmal nicht hinterherkamen. Nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit setzte sich der SSV im zweiten Durchgang souverän durch - und die Feierlichkeiten nahmen ihren Lauf. Angefangen auf dem Feld, das von über tausend Hagenern erobert wurde, die ihren Helden die Trikots vom Leib rissen. Wie der USC Heidelberg hinterher ernüchternd feststellen musste, war der Hallenboden demoliert - ein Zeugnis für die Ekstase, die der Sieg des SSV auslöste.
Weiter ging die Party in den Umkleiden, wo die SSV-Basketballer ihren Betreuer Fitty Rohrschneider unter die Dusche steckten - obwohl der einen feinen Nadelstreifenanzug trug. Anschließend übernahmen die Hagener eine Heidelberger Hotelbar, wo SSV-Vorstandsmitglied Egon Buse ein paar Scheine zückte und der Mannschaft eine feuchtfröhliche Nacht bereitete. Bis 4 Uhr morgens besetzte der SSV die Bar, nur wenige Stunden später ging es für sie im Mannschaftsbus zurück nach Hagen. „An allen Raststätten von Heidelberg nach Hagen haben wir Fans gesehen, die die weiß-roten Fahnen geschwenkt haben“, erinnert sich Krüsmann.
Cabrios am Hauptbahnhof
Am Hagener Hauptbahnhof wartete eine Menschenmenge, die die Meisterhelden bis zum Rathaus begleitete. Die Spieler bekamen Blumensträuße und stiegen um in bereitstehende Cabrios. Die schicken Karossen führten einen Zug von Autos, dem Mannschaftsbus, zu Fuß gehenden Fans und dem Fanfarenchor von Blau-Weiß Haspe für eine Siegesparade über die Bahnhofstraße, am Volkspark vorbei und entlang der Körnerstraße. Bilder wie aus einem Hollywood-Film.
Den Meilenstein der Deutschen Meisterschaft konnte bislang noch keine Hagener Basketball-Mannschaft wiederholen, doch es gab seitdem viele weitere nennenswerte Höhepunkte. Zwei nationale Pokalsiege (1975 und 1994) sowie 1994 auch noch die Vizemeisterschaft. Trainer damals: Peter Krüsmann. Es folgten Europapokal-Teilnahmen, heiße Playoff-Serien, hochdramatische Spiele. Den Aufstieg von Phoenix Hagen in die BBL (2009) nicht zu vergessen. Aber noch wichtiger: Unzählige Hagenerinnen und Hagener begeisterten sich für den Basketballsport, weil Krüsmann, Wilkins und Co. den Grundstein legten. Den Grundstein für die Basketballstadt Hagen.
Ehrung für SSV-Legenden
Wenn ProA-Zweitligist Phoenix Hagen an diesem Sonntag in der Ischelandhalle auf die Uni Baskets Münster trifft (17 Uhr), dann werden die SSV-Hagen-Legenden von 1974 geehrt. „Wir wissen auch noch nicht genau, was man mit uns macht, wir lassen uns überraschen“, freut sich Krüsmann, der sowieso bei jedem Phoenix-Heimspiel in der Halle ist.
„Die Geschichte des Hagener Basketballs ist ewig lang und Phoenix ist seit 20 Jahren ein Teil davon“, sagt Martin Schmidt, Geschäftsführer von Phoenix Hagen. „Deswegen ist es für uns absolut schön und eine Ehre, dass wir 50 Jahre Meisterschaft bei einem unserer Heimspiele feiern dürfen. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber die Spieler des SSV werden ihre Ehrung erfahren, weil die Meisterschaft von 1974 ein ganz wichtiger Meilenstein war.“