Herdecke. Haben Handball-Torhüter keine Angst? Warum der Herdecker Robin Schäfer aus einer „gesunden Anspannung“ Motivation zieht:
Angst wird vielfach negativ gesehen. Die meisten, die an Angst denken, denken an Ohnmacht, Panik oder Flucht. Sie denken eher an Lähmungen und nur die wenigsten an Motivation oder an persönliche Entwicklung. Angst kann aber durchaus auch positiv wirken. Nämlich dann, wenn sie zu Höchstleistungen motiviert, vor allem im Sport. So zumindest beschreibt der langjährige Handball-Torhüter Robin Schäfer aus Herdecke seine gesunde Anspannung in einem Spiel.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Angst durchaus lähmen kann. Auch aus diesem Grund spricht Schäfer im Zusammenhang mit seiner Funktion als Handball-Torwart nicht wirklich von Angst, eher von Anspannung: „Wirkliche Angst habe ich eigentlich nicht“, sagt der Herdecker. Schäfer ist seit mehr als 20 Jahren Handballer. Sein Vater selbst war Torwart, erst beim TuS Ende, dann innerhalb der Spielgemeinschaft HSG Herdecke/Ende. Auch Robin Schäfer begann seine Karriere in Herdecke. Nach der Jugend zog es ihn zum TuS Volmetal. Dort spielte er die meiste Zeit in der Landesliga. Doch auch in der 3. Handball Bundesliga hatte er kurze Aushilfseinsätze.
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Inzwischen, im Herbst seiner Karriere, spielt er wieder für die Reserve der Herdecker. An seinen ersten Kopftreffer erinnert sich der Doktorand der Sportwissenschaften noch gut: „In der C-Jugend habe ich das erste Mal von einem älteren und höherklassigeren Spieler einen Ball vor den Kopf bekommen. Mein Trainer wechselte mich dann aus. Ich wollte weiterspielen. Es muss aber schon ein härterer Treffer gewesen sein“, so Schäfer. Im Seniorenbereich werfen gute Spieler mit über 100 Kilometern die Stunde den Ball, Verletzungen sind da keine Seltenheit. Trotzdem hat Schäfer keine Angst zwischen den Pfosten: „Es ist tagesformabhängig, wie sehr man sich selbst vertraut und wie gut die Reflexe sind.“ An einem guten Tag werfe er sich in jeden Ball, an einem schlechteren oder nach einer Verletzung spiele er eher auf halber Flamme. „Man merkt, dass der Körper dann nicht zu 100 Prozent mitmacht. Man geht dann nicht voll rein. Das könnte man vielleicht als unterbewusste Angst bezeichnen“, beschreibt Schäfer Hemmungen im Tor. Darüber hinaus gebe es allerdings auch Spieler, bei denen er wisse, dass diese vor allem einen harten, aber leider keinen besonders platzierten Wurf haben: „Da gab es schon Momente, wo man vielleicht mehr Respekt hatte. Wenn die dann auf einen zu rennen, dann kann man da vielleicht schon von Angst sprechen“, so Schäfer.
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Vor allem die Außenspieler seien gefährlich: „Aus dem Rückraum passieren weniger Kopftreffer. Die Außenspieler versuchen schon häufiger, neben dem Kopf her zu werfen. Da passiert schonmal öfter etwas“, erklärt Schäfer. Kopftreffer habe er schon mehrere bekommen, teilweise sei er danach etwas benommen gewesen. Verletzungen habe er jedoch nicht davongetragen. Das heißt: So ganz sicher ist das nicht. Schäfer leidet temporär immer wieder an Kopfschmerzen. Eine genaue Diagnose gibt es nicht – eine These könnte aber sein, dass auch die vielen Kopftreffer damit zusammenhängen könnten. Trotzdem will Schäfer nicht von Angst sprechen, wohl aber von „gesunder Anspannung“: „In der Psychologie wird vom sogenannten Flow-Zustand gesprochen. Dieser beschreibt, kurz zusammengefasst, dass eine gewisse Anspannung und Grundnervosität einen Optimalzustand herbeiführen kann, in dem man die besten Leistungen zeigen kann“, erklärt der studierte Sportwissenschaftler. Schäfer weiter: „Ich würde sagen, dass ein angepasstes Maß an Aufmerksamkeit – jedoch keine Angst - wichtig ist, um gerade im Tor die komplexen Bewegungsabläufe schnell und reflexartig abzurufen.“ Angst bzw. Anspannung wird somit eher als Motivator und Förderer für bessere Leistungen, statt zum Hindernis. Darüber hinaus überwiegt für Schäfer die Motivation einen freien Ball zu halten, vor der Angst, dass etwas passieren könnte.
Der Herdecker ist selbst Trainer der „Minis“ im Verein. Auch davor trainierte er schon Jugendmannschaften. In seinem Nachwuchstraining arbeitet er mit Torhütern vordergründig an Bewegungsroutinen und Reflexen. „Es gibt spezielle Übungen für Lidschlussreflexe. Es wäre sicher der falsche Weg Kinder, gezielt abzuhärten, das würde sie vermutlich eher zum Aufhören bewegen“, sagt Schäfer. Viel mehr sollten die Kinder mit viel Spaß an den Sport herangebracht werden: „Man muss die Kinder in die Lage bringen, wo sie Erfolge feiern können, um sich so selbst zu belohnen“, so der Torhüter. Man müsse gerade bei Kindern dabei helfen, die Angst vor dem Versagen zu verlieren.