Hagen. Die Gesellschaft ist voll mit Konflikten. Aber nicht überall: Im Box-Sport-Club Haspe treffen alle möglichen Kulturen friedlich aufeinander
Auf der Straße geht es hart zu. Wer da bestehen will, muss sich wehren können, sich Respekt verschaffen. Wer besonders gefürchtet ist, der hat dabei Erfolg. Ähnlich hart geht es auch im Box-Sport-Club in Haspe zu. Dort kommen auch die Fäuste zum Einsatz, aber die Herangehensweise ist eine ganz andere: Wer hier erfolgreich sein will, der muss hart an sich arbeiten. An seiner Fitness, seinen Schlägen und an der Agilität. In Gefahr ist hier niemand und Respekt bekommt man nicht durch Angst, sondern durch guten Sportsgeist, Toleranz und Fairness.
Um diese Werte an Kinder und Jugendliche zu transportieren, nimmt der Club aus Haspe am Projekt „Sport statt Gewalt“ teil. Jede Woche treffen sich Dutzende junge Boxer und werden von Trainern fit gemacht. „Hier sind alle gleich“, sagt Fatih Kurukafa, einer der Trainer und der Geschäftsführer des Clubs. Bei „Sport statt Gewalt“ gehe es darum, dass die Kinder von der Straße geholt werden, bevor sie auf „dumme Gedanken kommen“, sagt Kurukafa.
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Orientierung für Kinder
Und viele Kinder aus dem Stadtteil nehmen dieses Angebot wahr. Jede Woche wird trainert. Zielgruppe dieser Einheit sind gewaltbereite und sozial auffällige Kinder und Jugendliche, aber auch Kinder mit einer hyperaktiven Veranlagung sowie Teilnehmer mit Migrationshintergrund. Zielvorstellung dieser Aktion ist, den Projektteilnehmern durch die Ausübung des Boxsports ein Sozialverhalten anzutrainieren, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie an gesellschaftliche Regeln zu gewöhnen. Kurzum: Sie sollen Orientierung bekommen und ein Ventil, um überschüssige Energie, vielleicht auch Wut, loszuwerden. Sie müssen sich aber an die Regeln halten.
Und diese Werte werden den Kindern nicht nur beigebracht, sondern diese Form des Zusammenlebens wird im Verein auch gelebt. Wer in der Rundturnhalle Haspe am Box-Training teilnimmt, der muss sich all diesen Regeln unterwerfen, sich unter Kontrolle haben und jeden respektieren: „Es kommt auch mal vor, dass das nicht funktioniert. Derjenige muss dann gehen. Aber das kommt nur sehr selten vor“, sagt Kurukafa. Der Verein habe aktuell 200 Mitglieder.
Politik hat keinen Platz
Mehr als 25 Nationalitäten treffen beim Boxen in Haspe aufeinander. Deutsche und Araber gehören dazu, außerdem auch Russen und Ukrainer. Dass sich beide Herkunftsländer seit 2022 bekriegen, ist im Club kein Thema. „Politik hat hier keinen Platz“, sagt Wardan Mkrtschjan. Der erfahrene Boxer, der aus der Ukraine stammt, kümmert sich im Box-Sport-Club Haspe vor allem um seine gleichsprachigen Sportskameraden und übersetzt hier und da, sofern die Deutschkenntnisse bei jemandem noch nicht ausreichen. Ob das ein Ukrainer, Kasache oder Russe ist, spielt für ihn überhaupt gar keine Rolle.
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Die drei Russen Alexander Birkheim, Daniil Germanov, Maxim Maier und der Ukrainer Mykyta Nastachenko sind ebenfalls im Box-Club aktiv, und auch sie wollen sich beim Sport nicht mit dem Krieg zwischen ihren beiden Vaterländern befassen: „Da reden wir gar nicht drüber. Alle kommen hier miteinander klar, und das muss auch so sein“, sagt Birkheim.
Der Club versucht auch weitere integrative Hilfestellungen zu geben, und das Projekt „Sport statt Gewalt“ reicht über den Sport hinaus. Trainer und erfahrene Boxer wie Wardan Mkrtschjan helfen auch gerne mal bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen und bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.
Wer sich fürs Boxen interessiert und den Club kennenlernen will, der kann zu einer der Trainingseinheiten vorbeikommen. Die Zeiten findet man im Internet unter www.boxclub-haspe.de.