Hagen/Hemer. Vom Schock der Leukämie-Diagnose zur harten Behandlung und inneren Stärke im Kampf gegen Krebs – die Geschichte des Hageners Michael Rosenthal.
Eines Morgens fasste Michael Rosenthal seinen Mut zusammen und verließ sein Patientenzimmer im St.-Josefs-Hospital. Erst mal nur mit einer Gehhilfe, anders ging es nicht. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen – für ihn eine wahnsinnige Anstrengung. Rosenthal schwitzte und zitterte. Im Flur bot sich ihm dann eine Szenerie, die ihn zutiefst bewegte: Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte standen Spalier, sie klatschten und jubelten, als hätte er gerade irgendeine Meisterschaft gewonnen. Ein Moment, der all die Schmerzen und Ängste vorübergehend verpuffen ließ und der ihm Kraft gab. Kraft im Kampf gegen die Leukämie.
„Sonst würde ich hier heute nicht mehr sitzen“
Michael Rosenthal sitzt im Wohnzimmer seines Hauses in Hemer, er trinkt ein Tässchen Kaffee und pikst mit der Gabel in ein Stück Pflaumenkuchen. Auf einem Sideboard liegt ein gold-glänzender Basketball, daneben zwei Autogramme von Dirk Nowitzki und Fotos von Jugend-Auswahlmannschaften, die er mal trainierte. „Wisst ihr, ich bin unendlich dankbar“, sagt der 60-Jährige, den in der Basketball-Szene alle „Rosi“ nennen. Dankbar, weil sich die richtigen Menschen um ihn gekümmert haben, „sonst würde ich hier heute nicht mehr sitzen.“ Rosi hat es geschafft. „Ich bin erst mal clean, aber noch nicht geheilt.“ Dass er das mal sagen kann, danach sah es zu Beginn dieses Jahres keineswegs aus.
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Am 3. Januar 2023 ging Michael Rosenthal zur Vorsorgeuntersuchung bei seinem Hausarzt. Zwischen Weihnachten und Neujahr begann er Blut zu spucken, zwischendurch blutete auch seine Nase. Ihm ging es „durchwachsen“. Als er am Tag der Untersuchung nachmittags am Kaffeetisch saß, rief sein Arzt an: „Ich sollte sofort meine Sachen packen und ins Krankenhaus.“ Im St.-Josefs-Hospital bestätigten sich die Befürchtungen des Hausarztes: Bei Michael Rosenthal war Leukämie, allgemein auch als Blutkrebs bezeichnet, diagnostiziert worden. Eine Krankheit, bei der vereinfacht gesagt die Blutbildung schwer gestört ist. Und bei Rosenthal so extrem, dass er drohte, innerlich zu verbluten. „Als der Oberarzt mir die Diagnose mitteilte, dachte ich, mein Leben sei vorbei“, sagt Rosenthal. „Aber er sagte mir im selben Atemzug, dass ich es schaffen kann.“
In besten Händen
Immer wieder erwähnt Michael Rosenthal die Ärzte und Schwestern, die ihm das Leben retteten: Chefärztin Prof. Dr. Doris Kraemer („eine Koryphäe!“), Oberarzt Mohammad Almustafa, Oberärztin Dr. Julia Marzoch – und das gesamte Pflegeteam. Sie behandelten ihn nicht nur kompetent, sie machten ihm Mut. Zum Beispiel am zweiten Tag der ersten Chemotherapie, als seine Haare begannen auszufallen. „Schwester Steffi hat mich in den Arm genommen und mir vorgeschlagen, dass sie mir die Haare abrasiert“, sagt Rosenthal. Sein langer Leidensweg ging gerade erst los. Fünf Chemotherapien musste er über sich ergehen lassen; zwei Haupt-Chemos und anschließend drei Sicherheits-Chemos, um die Rückfallrate zu verringern und die Chancen auf eine Heilung zu erhöhen. Damit sein Körper gerettet werden konnte, musste er durch die Hölle gehen.
Während der ersten Chemo kam es zu Komplikationen. Rosenthal zog sich eine septische Lungenentzündung zu – was bei Leukämie-Patienten häufig vorkommt. Aber ihn erwischte es schlimm. „Ich hatte 40 Grad Fieber und ich röchelte wie ein Dieselmotor“, sagt Rosi, und seine Frau, Katrin Lohrengel-Rosenthal, erinnert sich: „Ich bekam einen Anruf aus dem Krankenhaus und sie haben mir gesagt: Kommen Sie lieber vorbei, es sieht nicht gut aus für Ihren Mann.“
Rosenthal hat es überlebt. Aber die Behandlungen brachten ihn ans Limit. Die ständige Übelkeit, die Müdigkeit, der Muskelschwund. Alles war anstrengend. Und hinzu kam die Abschottung: 24 Wochen war er in Isolation, bis auf einige Tage Unterbrechung, an denen er nach Hause durfte. Mit Corona hatte das nur bedingt etwas zu tun. „Durch die Chemotherapie werden im Körper die Abwehrstoffe fast bis auf null heruntergefahren“, erklärt Rosenthal. „Deswegen durfte ich mich unter keinen Umständen mit irgendetwas infizieren.“
Die körperliche Mühsal ist im Kampf gegen den Krebs das eine, die emotionalen Strapazen das andere. „Ich hatte ja viel Zeit nachzudenken, und mir ging alles Mögliche durch den Kopf“, erzählt Rosenthal. „Man träumt von seiner eigenen Beerdigung, von seiner Trauerfeier. Das ist – schlimm.“ Halt haben ihm das Personal im St.-Josefs-Hospital gegeben, dem, wie er ausdrücklich betont, eine deutlich bessere medizinische Ausstattung zur Verfügung stehen müsste.
Motivierende Worte einer Trainerlegende
Seine Frau, aber auch „viele Sportkollegen und enge Freunde“, ermutigten ihn. Zum Beispiel sein ehemaliger Trainer Peter Krüsmann: „Peter hat zu mir gesagt: Rosi, du hast schon so viele unmögliche Dinge geschafft, da hätte niemand auch nur einen Cent drauf gewettet. Meisterschaften, Aufstiege, da wirst du das auch noch schaffen.“ Die für den Sportler typische Kämpfermentalität, sie hat dem ehemaligen Basketballspieler und -trainer, der Spieler wie Per Günther oder Marco Pesic geprägt hat, geholfen. „Dir muss einfach klar sein“, sagt Rosenthal mit Entschlossenheit in seiner Stimme: „Entweder du kämpfst oder du verlierst. Es gibt kein Zwischending.“
Michael Rosenthal hat gekämpft. 24 Wochen im St.-Josefs-Krankenhaus, anschließend noch vier Wochen Therapie in Sankt Peter-Ording. Eine wichtige und wohltuende Zeit, denn Rosi wurde zwar als „clean“ befunden, aber fit war – und ist – er noch nicht. Die Chemos haben Spuren hinterlassen. „Ich springe noch nicht über Tische und Bänke“, schmunzelt Rosenthal. Er muss es langsam angehen lassen, auch weil er jetzt über mehrere Jahre Medikamente nehmen muss, die seinen Körper schwächen. Wenn er sich gut fühlt, dann wandert der gelernte Verwaltungsangestellte im Sauerlandpark, der bei ihm um die Ecke ist. Die Treppen hoch bis zum Jübergturm. „Das ist nicht ohne, aber die Bewegung tut gut.“
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Rosenthals dringender Appell
Rosenthals Geschichte ist inspirierend – aber er erzählt sie mit einem dringenden Appell: „Ich wusste ja, wie wichtig Blutspenden ist, aber jetzt ist mir das natürlich noch viel mehr bewusst“, sagt Rosi und verweist auf einen in Deutschland eklatanten Mangel an Blutkonserven. „Allein während meiner ersten Chemo musste ich 35 Blutkonserven in Anspruch nehmen – nur um mal die Verhältnisse darzustellen. Es müssen mehr Leute Blut spenden und sich als DKMS-Stammzellenspender registrieren lassen“, lautet Michael Rosenthals Botschaft.
Damit Menschen wie er überhaupt die Chance bekommen, kämpfen zu können.
So kann man Stammzellenspender werden
Alle zwölf Minuten erhält ein Mensch in Deutschland die Diagnose Blutkrebs, weltweit alle 27 Sekunden - diese Zahlen der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) erschüttern. Leukämie ist bei Kindern die häufigste Krebserkrankung. In vielen Fällen liege ihre letzte Überlebenschance in einer Stammzelltransplantation, doch jeder zehnte Patient finde keinen passenden Spender.
Unter www.dkms.de kann man sich online ein Registrierungsset bestellen. Dann bekommt man per Post das Set mit drei Wattestäbchen zugeschickt, nimmt selbst zu Hause einen Wangenabstrich vor und schickt die Unterlagen zurück zur DKMS.