Wattenscheid/Herdecke. Im Berliner Olympiastadion lief sie jüngst letztmals um den deutschen Titel. Warum Patricia de Graat überraschend ihre Karriere beendet:
Der Zeitpunkt sei perfekt, sagt sie: „Ich kann mit einem richtig guten Gefühl aufhören.“ Die Leichtathletik-Freiluftsaison ist kurz vor ihrem Ende, das reaktivierte Lohrheide-Meeting bot einen würdigen Rahmen. Dort, auf der Laufbahn in Wattenscheid, beendete Patricia de Graat, am Samstag-Abend ihre hochleistungssportliche Karriere mit einem letzten Rennen über 800 Meter. „Eine großartige Athletin verlässt die Leichtathletik-Bühne“ würdigt ihr Verein LG Olympia Dortmund, für den die 23-jährige Herdeckerin seit 2014 startete. Und insgesamt zwölf Medaillen bei deutschen Meisterschaften gewann.
Natürlich sei sie auch ein bisschen traurig, räumt Patricia de Graat ein. „Und es wird sicher Momente geben, in denen ich überlege, ob dieser Schritt richtig war“, fügt sie hinzu. Doch aktuell ist die Herdeckerin überzeugt, dass der in den letzten Wochen bei ihr gereifte und viele überraschende Entschluss, ihre Leichtathletik-Laufbahn zu beenden, zum richtigen Zeitpunkt kommt. Nur der Familie und den engsten Freunden hat die Mittelstrecklerin davon erzählt, die bereiteten ihr im Wattenscheider Lohrheide-Stadion abseits des Wettkampf-Geschehens einen emotionalen Abschied mit großem Plakat und Blumen. „Es war doch ein schöner Abschluss“, sagt die 23-Jährige, „und wenn man etwas so lange so intensiv macht, ist es natürlich sehr emotional. Auch Tage danach noch.“
Dass sie bei ihrem letzten Rennen in 2:10,78 Minuten Rang sieben in einem starken Teilnehmerfeld belegte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Es spielte an diesem Abend keine Rolle mehr. „Wie stellt man sich auf ein Rennen ein, von dem man weiß, dass es das letzte sein wird“, schildert Patricia de Graat die schwierige Vorbereitung. „Es ist ja für mich der Abschluss eines Lebensabschnitts, der ewig lang gedauert hat. Aber ich hatte eine Super-Zeit. Jetzt bin ich bereit für etwas Neues.“
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Studium vorantreiben
Ihr Studium der Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität in Bochum, das sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Industrie-Kauffrau begonnen hat, will Patricia de Graat nun vorantreiben. Das ist auch der Grund für ihren Abschied vom Hochleistungssport. „Ich kann nicht beides mit der gleichen Intensität tun, mit der ich das gewohnt bin“, erklärt sie und weiß: „Mein Tagesablauf wird ein anderer sein, das Training wird nicht mehr die erste Priorität haben. Daran muss ich mich gewöhnen.“ Auch wenn sie schon aus gesundheitlichen Gründen nach langer Karriere erst „abtrainieren“ - also die Trainingsintensität langsam abbauen - muss.
Von ihrem Stammverein TSV 1863 Herdecke war Patricia de Graat, damals schon als westfälische und westdeutsche Meisterin, 2014 zur LG Olympia Dortmund gewechselt, trug neun Jahre das rot-weiße LGO-Trikot. Und gewann in ihrer Karriere insgesamt zwölf Medaillen bei deutschen Meisterschaften im Nachwuchsbereich. „Der erste DM-Titel war besonders“, blickt sie zurück, 2015 sicherte sie sich in Jena den U18-Titel über ihre Paradestrecke 1500 Meter: „Und auch die Teilnahme an den U20-Europameisterschaften war ein Highlight.“ 2017 in Grosseto (Italien) schnupperte die Herdeckerin internationale Wettkampfluft. Eine langwierige Verletzung der Plantarsehne warf sie gegen Ende ihrer Jugendzeit zurück, die Corona-Pandemie brachte sie um ihre letzten Meisterschaften dort. „Zurückkommen nach Verletzungen ist nicht einfach“, sagt sie, „da gilt auch für das letzte Jahr, in dem ich viel trainiert habe, es aber nicht auf die Bahn gebracht habe.“
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Abschied als Top-15-Athletin
In die nationale Spitze und Endläufe bei deutschen Meisterschaften lief Patricia de Graat aber auch im Erwachsenen-Bereich. Und verabschiedet sich jetzt mit persönlichen Bestzeiten von 2:06,36 Minuten (800 m), erst vor einigen Wochen aufgestellt, und 4:16,54 Minuten (1500 m) als nationale Top-15-Athletin. „Ich werde dem Laufen treu bleiben - aber eben nicht so“, sagt die 23-Jährige, Starts bei Volksläufen etwa kann sie sich gut vorstellen. Und sie denkt darüber nach, sich absehbar wieder den Laufgruppen des TSV Herdecke anzuschließen. Wie früher.