Herdecke. Integrationsarbeit hat bei der TSG Herdecke Tradition, auch aktuell ringen hier Sportler aus Irak und Afghanistan. Warum davon allen profitieren:

Seit Jahrzehnten helfen die Verantwortlichen der TSG Schwerathletik Herdecke Menschen vieler verschiedener Nationen dabei, in Herdecke und Umgebung Fuß zu fassen. Das gilt auch für Mitglieder des aktuellen Teams der TSG Tigers in der Ringer-Oberliga, das am Samstag zum Rückrundenauftakt beim KSV Kirchlinde gastiert: Auch Same Ullah Sidiqe und Ali Al-Mafradi hatten es wegen Frank Meyer und Recep Mercan wahrscheinlich ein Stück leichter, sich in fremder Umgebung zurecht zu finden. Das ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation.

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Wohl der größte Triumph in mehr als 100 Jahren Geschichte der TSG Schwerathletik Herdecke ist der Aufstieg in die 2. Bundesliga in der Saison 1989/90. Mit dabei damals: Yasar Mercan, Vater des heutigen Co-Trainers Recep Mercan. Und schon damals stand bei den Ringern aus Herdecke nicht nur das Sportliche im Vordergrund. Seit vielen Jahren leistet die TSG Integrationsarbeit. Vor allem durch den heutigen Ehrenvorsitzenden Wilfried Potthoff unterstützte der Verein vor 30 Jahren den talentierten Ringer Yasar Mercan, etwa bei der Wohnungssuche und in vielen anderen Angelegenheiten. Für Sohn Recep Mercan ist es deswegen selbstverständlich, die Tradition fortzuführen und junge Ringer auf ihrem Weg zu unterstützen: „Wilfried Potthoff hat uns früher sehr geholfen. Frank Meyer hilft heute allen, wo er nur kann. Auch ich will etwas weitergeben“, sagt Recep Mercan, der heute für viele Ringer nicht nur Ansprechpartner, sondern vielmehr ein Freund geworden ist.

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Noch keine Niederlage im TSG-Trikot

Same Ullah Sidiqe ist 2015 aus Afghanistan gekommen. Auch dort hatte der 21-jährige bereits gerungen, trainiert wurde sechs Mal die Woche. In Deutschland lebte er zu Beginn in Meschede. Da es aber im Sauerland keinen geeigneten Verein für ihn gab, ist er mehrmals die Woche nach Dortmund-Hörde gependelt, wo er in der Bezirksliga antrat. Nach einem Turnier sprach Recep Mercan den talentierten Ringer an: „Ich habe damals sein Potenzial in seinen Bewegungen gesehen.“ Nach einem Probetraining war dann alles klar: Seit 2018 ringt er für die TSG – äußerst erfolgreich und ohne Niederlage. „Es macht großen Spaß hier. Es gibt eine schöne Halle“, findet Sidiqe. Auch beim Umzug nach Herdecke war er nicht allein. Hier sei es vor allem Klubchef Frank Meyer gewesen, den alle liebevoll „Otto“ nennen, der sich für Sidiqe in Zeug legte. Schnell wurde eine Wohnung gefunden, auch bei den schwierigen Amtsgängen konnte sich der Afghane auf „Otto“ verlassen. Auch der Co-Trainer war immer zur Stelle, was ihm Sidiqe bis heute dankt: „Ohne Recep wäre es nicht möglich gewesen, hier ohne Probleme zu leben.“

Ali Al-Mafradi war im Irak ein professioneller Ringer. In dem Land, in dem Ringen ein absoluter Nationalsport ist, wurde er zweimal irakischer Meister und darüber hinaus auch zweimal arabischer Meister. In Ägypten, bei einem renommierten internationalen Turnier, errang er 2013 die Bronze-Medaille. Auch Al-Mafradi musste im Jahr 2015 sein Heimatland verlassen und in einem fremden Land neu Fuß fassen. Und auch hier half die TSG: Frank Meyer habe ihm beim Führerschein geholfen, und vor allem auch bei den Behördengängen, als es um die Aufenthaltserlaubnis ging. „Es ist wie eine Familie hier, wenn jemand Hilfe braucht, dann helfen sie uns“, sagt Al-Mafradi.

Von der Matte in die Pflege

Stolz ist der Iraker auch auf seinen beruflichen Werdegang in Deutschland. Angefangen im Kornspeicher in Herdecke, als Küchenhilfe und Kellner, arbeitet der 29-jährige inzwischen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Familien- und Krankenpflege in Wetter. „Das ist eine gute Arbeit. Ich mag es, älteren Menschen und helfen und sie zu begleiten. Ich habe vorher auch schon in einem Altenheim gearbeitet“, so Al-Mafradi.

Bei der ganzen wertvollen Hilfe, macht Mercan aber auch keinen Hehl daraus, dass es für beide Parteien eine Win-Win-Situation ist: „Wir helfen den Jungs sicher nicht nur wegen des Ringens. Aber natürlich haben wir die Sportler dann hier vor Ort. Das hilft uns ja auch.“ Durch den engen Kontakt entstünde ein starkes Mannschaftsgefühl, das sehr wichtig sei. Das zahlt sich aus: Ein TSG-Ringer habe ein Angebot aus der Bundesliga abgelehnt und sei der TSG treu geblieben. Auch ihm hat man damals bei der Jobvermittlung und der Wohnungssuche geholfen. Al Mafradi und Sidiqe haben ein Ziel mit der TSG: Sie wollen sportlich erfolgreich sein. Same Ullah Sidiqe geht noch ein Stück weiter: „Wir wollen gerne noch mal aufsteigen mit Herdecke.“