Hagen. Die Hagenerin Raphaela Gerlach ist Schiedsrichterin - eine Seltenheit. Was sie bisher erlebt hat und wie sie sich gegen Vorurteile behauptet.

Wenn Raphaela Gerlach den Fußballplatz betritt, schauen die Spieler erst einmal irritiert. Eine Frau soll dieses Spiel leiten? Geht das überhaupt? Zweifel haben sie von Beginn ihrer Schiedsrichter-Karriere an begleitet. Und tun es noch heute. Doch die nur 1,65 Meter große Erzieherin weiß inzwischen damit umzugehen. „Ich sehe hier niemanden sonst, der pfeifen soll“, nimmt sie den Spielern schnell den Wind aus den Segeln. Und hat sich damit schnell den Respekt erarbeitet.

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Die Fußballerin

Wie so oft begann die sportliche Karriere der Hagenerin selbst auf dem Fußballfeld. Nach anfänglichen Stationen beim TSV Hagen 1860 und Westfalia Hagen folgte der Wechsel zum SV Hohenlimburg 1910. Und das war zu Beginn gar nicht so einfach. „Wir sind zu den Trainingseinheiten immer mit dem Bus gefahren. Das ist von Hagen schon eine ganz schöne Strecke.“ Aber die Leidenschaft war größer. Nach den Jugendmannschaften wechselte Raphaela Gerlach in den Seniorenbereich. Und wurde später zur Kapitänin ernannt. Sie trug dazu bei, dass die Mannschaft sich zum besten Frauenteam in Hagen mauserte.

Die Trainerin

Nebenbei setzte sich die 24-Jährige, die in Gevelsberg arbeitet, aber auch vermehrt im Nachwuchsbereich ein und half dabei, die Mädchen-Mannschaften aufzubauen. „Da bin ich auch bis heute sehr stolz drauf, was wir da geschafft haben“, so Gerlach. Ihre eigene Karriere war dabei immer wieder von Rückschlägen geprägt. 2012 riss sich die damals 16-Jährige erstmals das Kreuzband im rechten Knie. Ein dreiviertel Jahr war sie im Anschluss raus, nutzte die Zeit aber sinnvoll: „Ich hatte schon länger vor, meinen Trainerschein zu machen. Da bot es sich dann an.“ Und parallel dazu absolvierte sie noch den Schiedsrichterschein. „Man konnte beides zusammen machen. Darauf hat mich erst mein Vater hingewiesen, der meinte, ich solle das einfach mal mit machen.“

Das Schiedsrichter-Outfit wird nun jedes Wochenende ausgeführt. Raphaela Gerlach zeigt Talent in ihrer neuen Rolle.
Das Schiedsrichter-Outfit wird nun jedes Wochenende ausgeführt. Raphaela Gerlach zeigt Talent in ihrer neuen Rolle. © WP | Privat

Denn auch während ihrer Zeit als Spielerin zeichnete sich schon ab, dass Schiedsrichter ein Job für sie sein könnte: „Ich habe immer gerne diskutiert und Entscheidungen hinterfragt. Und als ich als Trainerin aktiv war, war ich mir in manchen Situationen auch sicher, dass ich besser pfeifen könnte. Was wohl irgendwo jeder Trainer denkt“, erinnert sie sich lachend zurück. So machte sie den Schiedsrichter-Schein. Und war auch dort wieder einmal die einzige Frau.

Das Karriere-Ende

Doch erst einmal stand noch der Fußball im Fokus. Bis 2018. „Da mein Anerkennungsjahr im Zuge der Erzieher-Ausbildung anstand, wollte ich mich aus dem Fußball zurückziehen, aus Angst vor weiteren Verletzungen“, erinnert sich Gerlach. Doch beim großen Duell gegen den Derby-Rivalen aus Dröschede lässt sie sich noch einmal überreden. Und wird prompt bestraft. Nach dem rechten reißt im Spiel das linke Kreuzband. „Ich habe mich so sehr geärgert. Ich musste meine Ausbildung verlängern“, ist der Frust noch immer hörbar.

Das Fußball-Ende war damit besiegelt: „Es ist mir schon schwer gefallen aufzuhören. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich es nicht so weg gesteckt habe wie mit 16. Die Heilung hat länger gedauert.“

Die Schiedsrichterin

So folgte die Fokussierung auf das Pfeifen. „Davor habe ich anderthalb Jahre kaum als Schiedsrichterin gearbeitet.“ Doch nun ist sie voll dabei, pfeift meistens am Samstag Jugendspiele und am Sonntag im Herrenbereich.

Doch wie ging es überhaupt los? Die ersten Spiele pfiff Raphaela Gerlach in der Jugend. „Man hat quasi einen Mentor mit dabei, der die Spiele beobachtet und einen betreut. Er steht für Fragen vor und nach dem Spiel zur Verfügung. Wenn man dann langsam Sicherheit bekommt, arbeitet man sich quasi hoch.“ So ist die Hagenerin inzwischen in der Herren-Bezirksliga angelangt. 15 Spiele pro Saison sind dabei als Minimum vorgesehen. Diese überschreitet sie aber ohne Probleme. Während sie in der Bezirksliga alleine auf dem Feld steht, wird sie in der Landesliga als Schiedsrichter-Assistentin eingesetzt.

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Doch wie ist es, wenn man sich immer wieder behaupten muss. Und das einzig aufgrund der Tatsache, dass man eine Frau ist? „Es ist manchmal schon ärgerlich, weil man erst einmal zeigen muss, dass man das kann, was bei Männern irgendwie schon immer vorausgesetzt wird.“

Schlimmstes Erlebnis

Doch gibt es ein schlimmstes oder einprägsamstes Erlebnis? „Ein spezielles Spiel ist es gar nicht. Es hat sich im Kreis relativ schnell rumgesprochen, dass nun eine Frau pfeift. Und gerade von den Zuschauern kommen da immer wieder sexistische Sprüche. Da muss man zum Teil echt schlucken.“

Inzwischen kann sie diese aber gut ignorieren: „Man hört gar nicht mehr hin. Egal wo ich pfeife, es gibt immer Vorurteile.“ Doch oft bleibt es nicht dabei, dass von außen negative Sprüche zu hören sind. Auch die Spieler vergessen sich während der Partie oftmals. „Wenn sie schreien, dann schreie ich manchmal auch einfach zurück. Ich glaube ich habe einen guten Weg gefunden, Situationen einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Vielleicht ein Vorteil als Frau: Ich kann ein wenig besser auf die Spieler eingehen, als die Männer.“

Schönstes Erlebnis

Doch nicht nur negative Erlebnisse bestimmen den Schiedsrichter-Alltag. „Klar nehmen manche Sachen einen mit. Aber wenn im Anschluss Trainer und Spieler kommen und sagen, dass es ein gutes Spiel war, dann macht das einen auch stolz.“

Vor wenigen Wochen durfte sie als Assistentin bei einem B-Juniorinnen-Bundesligaspiel an der Seitenlinie stehen. „Gemeinsam mit erfahrenen Bundesliga-Schiedsrichtern so ein Spiel zu leiten, das war schon der Hammer.“

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Ziele

Und Ziele für die Zukunft hat sie auch. „Ich bin zwar mit meinen 1,65 Metern nicht groß, aber ich denke trotzdem, dass ich gut mithalten kann. Männern tut es auch mal gut, wenn eine Frau das Spiel leitet.“ Beim Kreisschiedsrichter-Ausschuss (KSA) haben sie die Motivation und das Talent bemerkt: „Ich bin im Förderteam.“ Natürlich wieder als einzige Frau.

Mit Blick auf die Zukunft gibt sich Raphaela Gerlach bescheiden: „Träumen darf man ja immer von vielem, aber mittelfristig würde ich mich gerne für die Landesliga empfehlen. Dort tritt man als Team auf, und die Spiele sind einfach noch interessanter.“ Egal wie hoch es für die 24-Jährige noch geht, Eindruck hat sie in der Männerdomäne schon jetzt hinterlassen.