Hagen. In Hagen steht die erste TÜV-geprüfte Kältesauna. Wie gut sie für Sportler ist und wie sich die Behandlung anfühlt, zeigen wir im Selbsttest.
Minus 160 Grad. Allein bei dieser Vorstellung läuft mir wortwörtlich ein kalter Schauer über den Rücken. Würde ich diese Temperatur aushalten und es lebend aus der ersten Kältesauna Hagens schaffen? Oder würden mir die Füße einfrieren wie Reinhold Messner beim Abstieg vom Nanga Parbat, als er sieben Zehen verlor – dabei waren es „nur“ minus 40 Grad. Ich lenke mich ab und denke an das Zitat von Per Mertesacker: „Ich gehe jetzt erstmal drei Tage in die Eistonne und dann schauen wir weiter.“
Die kältesten Minuten meines Lebens
Drei Tage wären mir zu lang, mir stehen nun aber die kältesten drei Minuten meines Lebens bevor. Nachdem meine Größe eingestellt worden ist, stehe ich bis zu den Schultern in der Kältesauna. Dann geht die Tür zu. Auf einem Monitor kann ich mein Gesicht und die aktuelle Temperatursehen. Mit minus 150 Grad beginnt der Prozess, dann sinkt die Temperatur kontinuierlich. Bei den letzten 30 Sekunden und etwa minus 170 Grad fange ich an zu bibbern. Am Ende stehe ich in einem mystisch wirkenden Dampf aus extrem kaltem Stickstoff.
Doch es fühlt es sich nicht unangenehm an. Eine Eistonne wäre im Vergleich schlimmer, erklärt mir Bernd Huck, einer der beiden Geschäftsführer des Kältesauna-Herstellers „Valere Cool“ (Enneper Straße 140a in Westerbauer im Brandt-Areal). „Es braucht es keine Überwindung, hineinzugehen, denn es ist eine sehr trockene Kälte“, sagt er. Während es für die Errichtung einer Eistonne keinen größeren Aufwand als viel eiskaltes Wasser in einer Tonne bedarf, muss bei der Kältesauna aus Sicherheitsgründen auf einiges geachtet werden.
Kälte fühlt sich an wie legales Doping
Zur Kühlung wird nämlich Stickstoff genutzt,welcher als tödliches Gas nicht eingeatmet werden darf. „Daher ist hier alles mehrfach abgesichert“, versichert mir Markus Sommer, ebenfalls Geschäftsführer, beim Zeigen der Räumlichkeiten. Zur Bestätigung der Sicherheit hat der TÜV eine sehr lange Prüfung vollzogen, welche mit dem Gütesiegel für die Räumlichkeiten im neuen Brandt-Quartier belohnt wurde. Diese Gesamtanlage in Hagen ist die erste und bislang einzige, die ein TÜV-Zertifikat erhalten hat.
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Die Anwendungsbereiche der Kältesauna lassen sich in drei Obergruppen einteilen. Die erste: Sport und Leistung. Dort findet die Methode bereits mehrfache Anwendung. „Beim Olympia-Stützpunkt oder bei manchen Profivereinen werden Kältekammern genutzt. Auch Profis wie Cristiano Ronaldo nutzen die Kraft der Kälte“, so Huck. Beim „Pre-Cooling“ beispielsweise werde die Kältesauna vor dem Sport angewendet. Das erhöhe den Testosteronausschuss. „Das ist wie legales Doping“, sagt Huck.
Zur Regeneration und Vorbeugung von Verletzungen
Nach dem Sport helfe die Kälte bei der Regeneration und beuge Verletzungen vor. Im Bereich der medizinischen Anwendung reduziere die Kälte das Schmerzempfinden. „Du bist nach relativ kurzer Zeit schmerzfrei, weil der Körper bei den Temperaturen aufhört, die Schmerzsignale ans Gehirn weiterzuleiten“, erklärt Sommer. „Rheuma-Patienten erfahren hier eine große Wohltat. Deshalb kann ein Arzt die Anwendung auch verschreiben.“
Da Rheuma-Medikamente sehr teuer seien, helfe es schon weiter, wenn bei täglicher Anwendung der Kälte nur die Hälfte der Medikamente benötigt werden würden, erklärt Sommer. An einigen Stellen lassen sich die Anwendungsbereiche aber auch verknüpfen. So sorge die Kältebehandlung auch für eine Gewichtsreduktion. Dies helfe dem Sportler, falle aber auch in den dritten Anwendungsbereich „Beauty und Wellness“. Dafür nutzen auch Hollywood-Stars wie Jennifer Aniston diese Methode.
Zusätzlich zur Kältesauna bietet Valere Cool noch die sogenannte apparative Kompressionstherapie an. Hierbei wird in zwölf Kammern, welche sich in einer speziellen Manschette befinden, Druck aufgebaut. Sommer: „Vom Prinzip her ist es ähnlich wie eine Lymphdrainage. Für die Behandlung von Cellulite beispielsweise ist die Kombination von Kälte und Kompression perfekt.“
Kältetherapie auf Vormarsch
Grundsätzlich sei der Einsatz von Kälte im Sport ja nicht neu. „Aber es hat sich weiterentwickelt und es gibt mittlerweile eine Menge Studien dazu. Es gibt auch noch ältere Kältekammern, die mit minus 85 Grad oder minus 110 Grad betrieben werden. Aber erst die tiefen Temperaturen sorgen für die gewünschten Effekte, die auch wirklich weiterhelfen“, meint Huck. Zusätzlich könne die Kältetherapie übrigens dabei helfen, Depressionen oder Burn-Out präventiv zu behandeln. „Durch die Kälte werden Glückshormone wie Tryptophane oder Endorphine ausgeschüttet.“
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Als die Tür nach den drei Minuten wieder geöffnet wird, merke ich wohl, dass es kalt ist, aber es war leicht auszuhalten. Ich habe weder Frostbeulen noch rissige Lippen, fühle mich nicht mal unterkühlt. Dann blicke ich nach unten: Alle Zehen sind noch dran. Jetzt fühle ich mich richtig gut.
+++INFO+++
Valere Cool wird von der Firma Messer unterstützt. Messer ist einer der Marktführer im Bereich der Industriegase und liefert beispielsweise Stickstoff, der für die Kältetherapie benötigt wird. Mittelfristig will Valere Cool noch weitere Standorte in Deutschland eröffnen. Hagen ist der erste Standort.