Hagen. Niclas Thiede, Torwart beim SC Freiburg, unterstützt den Namibia Verein um René Tönnes. Aufenthalte in dem Land haben ihn nachhaltig geprägt.
2016 war das Jahr des Durchbruchs für Niclas Thiede. Beim DFB-Sichtungsturnier spielte der Torhüter alle vier Partien durch, besiegte mit der Westfalenauswahl auch den Topfavoriten Bayern mit 3:1 und bejubelte am Ende den Turniersieg. Ein Wendepunkt, nach dem es in der Karriere des ehemaligen SSV-Hagen-Spielers steil bergauf ging. Inzwischen hat Thiede in der Bundesliga Fuß gefasst und steht beim SC Freiburg unter Vertrag.
Und zu einem aus seiner Zeit bei der Westfalenauswahl ist der Kontakt nie abgebrochen: Physiotherapeut René Tönnes. Die beiden Hagener verbindet mehr als die Leidenschaft für den Fußball. Sie lieben das Land Namibia. Seit mehr als zehn Jahren ist Tönnes dem afrikanischen Land verfallen. 2009 entstand die Idee, den Namibia-Verein zu gründen, 2012 folgte die Umsetzung. „Bestimmt 13-mal“ ist der Physiotherapeut seitdem vor Ort gewesen und hat sich angeschaut, wo am dringendsten Hilfe benötigt wird. Der Förderverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Ärmsten der Armen zu helfen. „Der Blick dieser Augen hat mich bis heute nicht mehr losgelassen“, erklärt Tönnes sein Engagement.
Zwei Reisen nach Namibia
Und auch Niclas Thiede war schon zweimal vor Ort. Einmal mit dem Theodor-Heuss-Gymnasium (THG) zum Austausch im Jahr 2014, einmal mit der Westfalenauswahl 2016. Rückblickend hat ihm der Aufenthalt auch fußballerisch viel gegeben: „Wir haben dort als Mannschaft zusammengefunden und die Erlebnisse haben uns zusammengeschweißt. Es war ein ganz anderes Teamgefühl im Nachhinein.“
Ein Teamgefühl, welches ebenfalls einen Anteil am späteren Gewinn des DFB-Sichtungsturniers hatte. Da ist sich der 21-Jährige sicher. Doch der Aufenthalt in Namibia hat ihn auch nachhaltig geprägt: „Es ist enorm, wie groß die Spanne zwischen Arm und Reich in dem Land ist.“ Eine Erfahrung, die auch Tönnes auf jedem seiner Besuche bisher gemacht hat: „Nur knapp fünf Prozent der Bevölkerung sind Weiße, die restlichen sind Schwarze. Und so ist auch in etwa das Verhältnis von arm und reich.“
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„Der Ort, an dem man nicht leben will“
Besonders betroffen ist die Stadt Katutura - eine Wellblechhüttensiedlung in der Vorstadt von Windhoek. „Etwa so groß wie die Innenstadt von Hagen“, schätzt Thiede. Übersetzt bedeutet Katutura „Der Ort, an dem man nicht leben möchte“. Und René Tönnes und Niclas Thiede haben mit eigenen Augen gesehen, woher dieser Name kommt. „Der Sinn des Lebens hat gefehlt“, ist Niclas Thiede noch immer schockiert über die Zustände. „Dennoch sind die Menschen vor Ort einfach nur dankbar. Das ist so wunderbar zu sehen“, freut sich Tönnes. Thiede ergänzt: „Ich habe, als ich da war, einige von meinen Sportsachen mitgenommen und verteilt. Nichts Tolles, aber alle haben sich so gefreut und waren so unglaublich dankbar. Das hat mich schon nachdenklich gestimmt.“
Bis heute, wie er verrät: „Man vergisst ja oftmals, wie gut es uns hier in Deutschland eigentlich geht. Und ich spreche da auch speziell für uns Profifußballer.“ Deshalb möchte er künftig auf die Arbeit des Vereins aufmerksam machen. Für Tönnes ein Zugewinn: „Wir haben mit Niclas ein bekanntes Gesicht aus der populärsten Sportart Deutschlands für uns gewinnen können. Das ist einfach super.“ Das findet auch Manfred Deister, ehemaliger FLVW-Vizepräsident Jugend, der gemeinsam mit Thiede 2016 in Namibia war: „Für die Spieler der Westfalenauswahl bietet der Aufenthalt in Namibia eine große Chance, sich sportlich aber insbesondere die Persönlichkeit zu entwickeln. Niclas hat diese Chance eindrucksvoll genutzt.“
Neuausrichtung in der Krise
In den vergangenen Jahren hat der Hagener Verein schon dazu beitragen können, dass an mehreren Schulen Küchen gebaut wurden. „Hunderten von Schülern wird seitdem eine warm Mahlzeit am Tag zugesichert“, ist Tönnes die Freude anzumerken. Aktuell befindet sich der Verein im Umbruch, will sich künftig neu ausrichten. „Die Corona-Zeit hatte in dieser Hinsicht für uns sogar noch etwas Gutes“, versucht Ansgar Westphalen, Geschäftsführer des Namibia Vereins, Positives zu sehen.
Denn nachdem die Zusammenarbeit mit dem THG nach über zehn Jahren beendet werden musste, (Tönnes: „Die Ein- und Vorstellungen eines einzelnen Lehrers passten nicht mehr zu unserer Ausrichtung“) musste neue Energie und neue Ideen her. „Ich bin ganz ehrlich, ich habe mich im Anschluss an die ganze Geschichte auch erstmal gefragt, ob das überhaupt alles noch so kann und möchte“, gibt Tönnes zu, wie sehr ihn alles mitgenommen hat: „Es waren ja immerhin fast zehn Jahre, in denen man auch einiges aufgebaut hatte.“ Aber nach einer kurzen Pause entschied sich der Physiotherapeut dazu, weiterzumachen.
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Und das mit Erfolg. 13 Partnerschulen gibt es verteilt über ganz Westfalen. „Wir sind aus meiner Sicht das stärkste Projekt in NRW. Und darauf können wir stolz sein. Aber wir haben auch weiterhin noch viel vor.“ Denn noch immer gibt es genügend Schulen und Menschen, die Unterstützung benötigen. Und für die wollen der Namibia Verein, René Tönnes und künftig auch Bundesliga-Spieler Niclas Thiede sich einsetzen.