Hagen. In den USA eskaliert die Situation nach dem Tod von George Floyd. Fußballer aus Hagen berichten von leidvollen Erfahrungen mit Rassismus.
In der 41. Spielminute erzielt Marcus Thuram sein zehntes Tor für den Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Der Fohlen-Elf verhilft er damit zum 4:1-Sieg gegen Union Berlin. Viel bedeutsamer ist aber, was Thuram nach seinem Tor macht. Anstatt zu jubeln, kniet der 22-Jährige sich auf den Rasen. Und setzt damit ein Zeichen gegen die Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA. Auch Jadon Sancho von Borussia Dortmund solidarisiert sich mit einem T-Shirt-Aufdruck mit den Protesten nach dem Tod von George Floyd.
„Es ist richtig und wichtig, dass die Bundesliga-Profis ein Zeichen setzen“, findet Ronny Ogonda. Der 40-Jährige lebt seit 2004 in Deutschland. Der gebürtige Kenianer versuchte er erst in Belgien sein Glück als Fußballprofi und fand schließlich den Weg nach Hagen. Und hat auch hier schon Rassismus erlebt. „Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln 2015 bin ich zur Arbeit gegangen. Ich hatte noch gar nicht mitbekommen, was passiert war. Als ich über die Straße lief, brüllte mich dann ein Busfahrer an: Scheiß Ausländer, verpiss dich.“
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Unzufrieden mit dem eigenen Leben
Auch auf dem Fußballfeld kam es schon zu rassistischen Beleidigungen gegen Ogonda: „Wir haben mit Hohenlimburg irgendwo im Sauerland gespielt. Ich weiß gar nicht mehr wo genau. Und da riefen die Zuschauer auch lauter rassistische Sachen.“ An seiner Einstellung können aber auch diese Menschen nichts ändern. „Für mich zählen diese Personen nicht. Vielleicht sind sie unzufrieden mit ihrem eigenen Leben, ich weiß es nicht. Wichtig ist es aber, den Mund aufzumachen.“
Ein Motto, welches er seinen Spielern bei seinen verschiedenen Trainerstationen immer vorgelebt hat: „Wer den Mund aufmacht, kann etwas erreichen. Das zählt auch beim Thema Rassismus. Menschen mit Einfluss müssen Vorbilder sein.“ Allerdings lassen ihn die Entwicklungen in den USA ihn zweifeln. „Uns in Deutschland geht es sehr gut. Hier wird immer auf sehr hohem Niveau gejammert. In Amerika muss man als Schwarzer Angst haben.“
Sohn darf nicht in den USA leben
Eine Erkenntnis, die auch seine Familie momentan beeinflusst: „Mein Sohn würde gerne in den USA leben, wir haben dort Freunde. Aber im Augenblick lasse ich das nicht zu. Ich könnte nicht mehr ruhig schlafen. Wenn du hier in Deutschland nachts von der Polizei angehalten wirst, warst du vielleicht zu schnell. In den USA musst du Angst haben, dass sie dich umbringen. Einfach, weil du Schwarzer bist.“
Doch nicht nur in den USA gibt es Probleme mit Rassismus. Sondern auch in Deutschland. Auch in Hagen: „Ohja, die gibt es.“ Christos Sampsonidis, Trainer von Hellas Makedonikos antwort beinahe resigniert, auf die Frage, ob er und sein Team auch schon Erfahrungen mit Rassismus machen mussten. „Beschimpfungen, Affengeräusche, es war schon alles mit dabei.“ Zu den Reihen des griechischen Vereins gehört auch ein schwarzer Spieler. „Ihm muss ich wirklich ein Kompliment aussprechen. Er hat nie zurück beleidigt oder ähnliches, sondern hat einfach noch besser weiter gespielt“, so Sampsonidis. Dabei hat der Hellas-Trainer beobachtet, dass es oftmals der Frust ist, der solchen Aktionen vorausging: „Zumeist kamen solche Anfeindungen, wenn wir hoch geführt haben.“ Der Hellas-Coach würde sich mehr Unterstützung durch die Schiedsrichter und den Verband wünschen. „Bisher ist wirklich viel zu wenig passiert, als Verein und Spieler fühlt man sich da alleine gelassen.“
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In jeder Partie angestachelt
Ein Gefühl, das auch Metin Uzun teilt. Über 30 Jahre war der heutige Vorsitzende von Türkiyemspor Hagen selbst als Trainer und Spieler aktiv und eins steht dabei für ihn fest: „Es gibt Ausländer und es gibt Türken.“ Was er damit meint? „Wir werden schon direkt komisch angeschaut und mit Vorurteilen überhäuft.“ Dabei betont Uzun: „Ich bin hier geboren, aufgewachsen, habe hier studiert, arbeite hier. Trotzdem wird man immer wieder angegangen.“
Er selbst hat schon mitbekommen, wie gegnerische Trainer ihre Spieler vor der Partie aufgestachelt haben: „Da wird dann gesagt, dass wir Türken seien und man nur die Mütter der Spieler beleidigen müsse, dann würden wir ausrasten und eine Karte bekommen. Das kann es doch nicht sein.“ Von den Schiedsrichtern fühlt auch er sich oft allein gelassen.
Niemand will es gewesen sein
Ein Vorwurf, den Patrick Lepperhoff, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses nicht nachvollziehen kann: „Wenn einer unserer Schiedsrichter rassistische Sprüche auf dem Spielfeld mitbekommt und er eindeutig zuordnen kann, vom wem es kommt, folgt die Rote Karte und es wird auf dem Spielbericht vermerkt.“ Schwieriger wird es allerdings, wenn von Zuschauern vom Spielfeldrand oder Rufe kommen: „Am Ende ist es ja immer so, dass es dann niemand gewesen sein will. Und auch niemand weiß, wer es war. Da stoßen wir dann schnell an unsere Grenzen. Zumal wir als Schiedsrichter kein Platzverweis aussprechen können, das kann nur der Heimatverein“, kennt Lepperhoff die Problematik.
Dass das Problem Rassismus in naher Zukunft verschwinden wird, daran glaubt Ronny Ogonda nicht: „Es ist tief verwurzeltes Denken. Und dieses Problem können nicht nur die lösen, die vom Rassismus betroffen sind. Daran müssen auch alle mitarbeiten, die nicht betroffen sind.“