Hagen. Rafael Agacinski ist Leistungsträger des SC Berchum/Garenfeld. Wenn er nicht selbst spielt, scoutet er Talente für den polnischen Fußballverband.
Auf das geliebte Hobby müssen die heimischen Fußballer schon seit vielen Wochen verzichten. Und auch wenn mittlerweile wieder Trainingseinheiten unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln möglich sind, ist man vom Normalzustand aus Vor-Corona-Zeiten noch meilenweit entfernt. Bei Rafael Agacinski dreht sich auch in diesen Tagen dennoch alles um den Fußball.
Der 26-Jährige will den Sport nicht nur zum Hobby, sondern auch zum Beruf machen. Als Praktikant beim polnischen Fußballverband ist der Kicker des vor dem Landesliga-Aufstieg stehenden SC Berchum/Garenfeld dabei schon vielfältig gefordert und sammelt neben dem Sportmanagement-Studium wertvolle praktische Erfahrungen.
Agacinski fühlt sich beim SC wohl
Bereits in jungen Jahren entwickelte sich Agacinski als Fußballer verheißungsvoll: Über die SG Boelerheide und den SSV Hagen landete der Offensivakteur in der renommierten Jugend von Eintracht Dortmund und spielte dort bei den B- und A-Junioren in der Westfalenliga. Testspiele absolvierte Agacinski unter anderem gegen heutige Stars wie Marvin Duksch oder Julian Draxler. Für die große Fußballbühne reichte es bei den Senioren indes nicht: Über Landesliga-Stationen beim TuS Stockum und VFL Schwerte sowie Kreisligist FC Herdecke-Ende ging es im vergangenen Sommer ins Garenfelder Waldstadion, wo sich Agancinski nach wie vor sehr wohl fühlt.
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„Als mir klar wurde, dass es mit der professionellen Karriere nichts wird, wollte ich mein Hobby dennoch zum Beruf machen“, erzählt Agacinski von seiner Entscheidung zur Aufnahme eines Sportmanagementstudiums in der Fachbranche Fußball in Unna. Dort stehen Module wie Scouting und Kaderplanung, Transferwesen oder Talententwicklung und Förderstrukturen auf dem Stundenplan. Viele Dozenten sind selbst bei Profiklubs beschäftigt, so lernt Agacinski beispielsweise von Slawomir Czarniecki, dem Sportkoordinator von Bayer Leverkusen. Exkursionen zum SC Paderborn, Arminia Bielefeld oder 1. FC Köln stehen ebenfalls auf der Agenda.
Scouting ist sein Steckenpferd
In seiner aktuellen Studienarbeit befasst sich Agacinski, der sowohl die deutsche als auch die polnische Staatsbürgerschaft besitzt, mit innovativen Ansätzen wie Scouting und Kaderplanung im Jugendfußball und der Fragestellung, wie man die Nachwuchsleistungszentren der Profiklubs zukunftsfähig aufstellen kann. „Insbesondere das Scouting macht großen Spaß, das ist mein Steckenpferd“, schwärmt Agacinski, „ich schaue mir Spieler aus der ganzen Welt an, um stetig dazuzulernen.“ Das Internet biete dafür die besten Möglichkeiten.
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Eine richtungsweisende Begegnung hatte Agacinski während seiner Westfalenliga-Zeit bei der Dortmunder Eintracht: Da bekam das Nachwuchstalent einen Anruf von Tomasz Rybicki, dem Koordinator Scouting Deutschland des polnischen Fußballverbands. Er lud Agacinski 2013 kurzerhand in das polnische Konsulat in Köln zu einem Treffen ein, wo viele weitere hochklassige Talente mit polnischen Wurzeln aus Deutschland, Belgien, Niederlande und Frankreich zugegen waren.
Kontakt zum Scout nie abgebrochen
„Eine spannende Erfahrung“, erinnert sich Agacinski zurück: „Da stand ich auf einmal mit Spielern aus Dortmund, Leverkusen, Schalke, Mainz, Anderlecht oder Kerkrade.“ Ein paar Mal wurde Agacinski noch eingeladen. „Am Ende hat es leider nicht gereicht, ein polnischer Nationalspieler ist aus mir nicht geworden.“ Der Kontakt zum Scout Tomasz Rybicki ist indes nie abgebrochen. „Ich habe ihn auf mein Studium angesprochen und die Möglichkeit, mal in seine Arbeit reinzuschnuppern.“
So unterstützt Agacinski Rybicki heute als Praktikant. An den Wochenenden stehen viele Reisen auf dem Programm, beliebteste Ziele sind die Bundesligen im U17- und U19-Bereich, aber auch bei den Jüngeren oder den Mädchen wird für den polnischen Verband nach Talenten gescoutet. Kontakte knüpfen mit Funktionären, Spielern und Eltern gehört dabei ebenso zum Job wie eine professionelle Vor- und Nachbereitung der Partien.
Es wird ein Pool aus Kickern erstellt, etliche Daten gesammelt und fortlaufend verwaltet: Das Niveau der Liga, die Sprachen, die Positionen, das Alter, die Größe, die Stärken und Schwächen, die Verletzungshistorie und noch vieles mehr. All das hat Agacinski stets im Blick. „Einerseits schauen wir uns im Internet an, ob und wie lange ein Spieler im Einsatz war. Andererseits müssen wir uns regelmäßig natürlich auch live vom Entwicklungsstand überzeugen.“
Reisen unter der Woche
Unter der Woche werden die Reisen, die Agacinski auch schon mal nach Hamburg zum HSV in der Jugendpartie gegen den VfL Bochum geführt haben, geplant. Freie Zeit für andere Aktivitäten bleibt Agacinski neben Studium, Scouting und Berchum/Garenfeld nicht mehr: „Ist aber auch nicht schlimm, ich bin da einfach fußballverrückt.“ Besondere Privilegien besitzt der 26-Jährige im Waldstadion trotz des intensiven Nebenjobs indes nicht: „Ich bin wegen eines Scouting-Einsatzes mal etwas zu spät am Treffpunkt erschienen. Und das fand mein Trainer Fabian Kampmann überhaupt nicht lustig.“
SC Berchum/Garenfeld steigt erstmals in die Landesliga aufDerzeit ist Agacinski auf der Suche nach einem Praxissemester, um die theoretischen Kenntnisse aus dem Studium weiter zu vertiefen und seinem großen Traum, bei einem Profiklub oder einem Fußballverband zu arbeiten wieder ein Stück näherzukommen. „Dafür gebe ich alles“, sieht sich Agacinski auf einem guten Weg. In ein paar Jahren schafft er dann vielleicht das, wovon viele träumen: das Hobby zum Beruf machen.