Wetter. Im heimischen Tischtennis ist es noch heute Gesprächsthema: Vor 40 Jahren stieg die TGH Wetter in die Bundesliga auf, trat dort aber nie an.
„Die Alten schwärmen heute noch von damals“, sagt Reinhold Kleinevoss, „das ist immer noch Thema, wenn wir uns treffen.“ Und Frank Melerra sagt: „Ich war damals Jugendlicher, aber es tut heute noch weh.“ Der 2. und 1. Vorsitzende des SV Wetter 1981 meinen das letzte April-Wochenende vor 40 Jahren, ein historisches Datum im Wetteraner Sport und letztlich auch Anlass für die Gründung ihres Vereins: Am 26./27. April schaffte ein Tischtennis-Team aus der Harkortstadt in Würzburg den Aufstieg in die Bundesliga. Und trat nie dort an. Ein Rückblick:
Auch interessant
„Spielen bei der TGH Wetter bald Chinesen?“ Diese Frage stellte die Sportzeitschrift Kicker im Frühjahr 1980. Ausgerechnet ein kleiner Verein, der bisher nur Intimkennern der Tischtennis-Szene ein Begriff gewesen sein dürfte, plane einen großen Coup, hieß es weiter: die Verpflichtung zweier chinesischer Tischtennis-Asse. Um sich in der Bundesliga mit der „Chinesenkeule“ und dem „Penholder-Griff“ Respekt zu verschaffen. Das Fußball-Fachblatt war gut unterrichtet. In der Tat hatte der Verein aus der Harkortstadt Kontakte ins „Reich der Mitte“ geknüpft mit der Absicht, das Tischtennis-Herrenteam erstligatauglich zu machen. Dies war erforderlich, nachdem am 26. und 27. April 1980 ein einzigartiger Siegeszug seinen vorläufigen Abschluss gefunden hatte: Der Durchmarsch von der Kreisliga bis zur Bundesliga! Und Reinhold Kleinevoss, damals TGH-Sportwart, ist noch heute überzeugt: „Wir haben gute Spieler für die Bundesliga gehabt.“
Als Meister der Regionalliga West trat das TGH-Sextett am letzten April-Wochenende vor vier Jahrzehnten in Würzburg zur Aufstiegsrunde gegen die Titelträger aus dem Norden, Süden und Südwesten an. „Wir sind das professionell angegangen und schon einen Tag eher nach Würzburg gereist“, denkt Reinhold Kleinevoss zurück: „Nachdem wir die Zimmer verteilt haben, haben wir Verantwortlichen zu den Spielern gesagt, ihr geht ins Bett und wir trinken noch ein Bier. Am Ende hat uns Spieler Dieter Forster ins Bett gebracht, die Jungs blieben etwas länger auf.“ Was den Bundesliga-Ambitionen aber nicht schaden sollte, wie sich später herausstelle.
Am ersten Abend aufgestiegen
Zwei Erstliga-Plätze wurden am Main vergeben. Dass die Wetteraner zu den Mitbewerbern zählten, kam so überraschend nicht. Die Harkortstädter, die auf ihrem Weg nach oben von einem tischtennisbegeisterten lokalen Gönner – dem früheren TGH-Abteilungsleiter Paul Georg Dröse - unterstützt wurden lockten nicht selten um die 400 Zuschauer in die Halle Oberwengern. „Bei einem Spiel im Pokal auf Bundesliga-Ebene gegen den TTC Jülich waren es sogar deutlich mehr als 600, die Halle war rappelvoll“, erinnert sich Kleinevoss. Und vor Saisonbeginn war es der TGH gelungen, mit . Lothar Koch und Hans-Josef Peters zwei Akteure vom Erstliga-Absteiger TTC Jülich an die Ruhr zu holen. „Damit waren wir für die Regionalliga West gut besetzt“, erinnert sich Reinhard Jochheim, damals das einzige „Eigengewächs“ im Team. Der gebürtige Vorhaller war in Wetter zur Schule gegangen und hatte seine Tischtennis-Laufbahn bei der TGH gestartet. Nach Stationen in Hagen und Dortmund (BVB) kehrte Jochheim nach Wetter zurück um mitzuhelfen, das „Projekt Bundesliga“ zu realisieren. Mit Erfolg.
Auch interessant
Bei der Erstliga-Aufstiegsrunde in Würzburg spielte jeder gegen jeden. Zwei Plätze im deutschen Oberhaus wurden vergeben. Das TGH-Team setzte sich am ersten Tag mit 9:5 gegen den Nordvertreter TSV Selk und 9:7 gegen den SC Fürstenfeldbruck, Meister der Regionalliga Süd, durch. „Dabei hatten wir das nötige Glück“, erinnert sich Jochheim, damals 22 Jahre jung und im unteren Paarkreuz nicht unerfolgreich. „Ein Ball hat diese Partie entschieden.“ Und nicht nur diese Partie, sondern die gesamte Aufstiegsrunde zugunsten der Harkortstädter - sie waren damit vorzeitig durch. Lothar Koch. Hans-Josef Peters, Rainer Plankermann, Wolf Heinze, Dieter Forster und Reinhard Jochheim hatten den Sprung ins Oberhaus geschafft. Der Südwest-Meister SC Saarbrücken brauchte am zweiten Turniertag noch einen Sieg, um das TGH-Team in die Eliteliga zu begleiten - und schaffte ihn, was angesichts der Ausgangslage nicht überraschend kam.
Beide Klubs hatten das Billett zur Bundesliga gelöst - aber völlig unterschiedliche Voraussetzungen. „Saarbrücken hatte einen Etat von rund 600 000 Mark“, weiß Reinhard Jochheim zu berichten, „die sind dann auch bald Deutscher Meister geworden.“ Von 1983 bis 1985 sogar dreimal in Folge. „Wir wollten es mit einem Budget von 130 000 bis 150 000 Mark versuchen“, erinnert sich Jochheim. Was gut einer Verdopplung des Regionalliga-Rahmens entsprach.
Etatlücke zu spät geschlossen
„Wenn wir nicht drei Spitzenmänner verpflichten können und einen potenten Sponsor finden, werden wir die Mannschaft zurückziehen und nicht in der Bundesliga antreten“, kündigte TGH-Tischtennis-Abteilungsleiter Klaus von der Horst nach der sportlichen Qualifikation an. Neben dem Bemühen um Verstärkung aus China, was zur damaligen Zeit einer kleinen Sensation gleichgekommen wäre, gab es Vorgespräche mit dem polnischen Nationalspieler Andrzej Grubba. Auf sportlicher Ebene war man also am Ball, allein der betuchte Sponsor ließ auf sich warten. Als am 30. Juni 1980, dem Stichtag, noch keiner gefunden war, zog die THG ihre Meldung für die Bundesliga zurück.
Weil die Verantwortlichen keine Hellseher waren. Sonst hätten sie gewusst, dass drei Tage später, am 3. Juli, die verbindliche Zusage einer Discounterkette vorlag, die Etatlücke von 60.000 Mark zu schließen. Es kam zu spät – und führte später zum Zerwürfnis zwischen Tischtennis-Abteilung und Hauptverein, so dass ein Jahr später der SV Wetter 1981 gegründet wurde. „Die TGH hatte versäumt, den Briefkasten zu leeren“, bedauert Reinhold Kleinevoss (73), der seit 45 Jahren bei TGH und SV 1981 Vorstandsarbeit leistet, aktuell noch 2. Vorsitzender ist. Andernfalls hätte man vielleicht rechtzeitig die Erstliga-Auflagen erfüllen können. „Wer weiß, wie lange es gut gegangen wäre“, sagt der aktuelle SV-Vorsitzende Frank Melerra, auch Kleinevoss räumt ein: „Wir hätten vielleicht zwei, drei Jahre Bundesliga spielen können. Für die 100.000 Mark, mit denen wir damals spielen wollten, kriegt man heute, wenn man Glück hat, einen Spieler.“
Vor 40 Jahren wurde die Aufstiegs-Mannschaft dann auch nicht für die Regionalliga gemeldet. „Man hat mit der ,Zweiten’ in der Bezirksliga weitergemacht“, erinnert sich Reinhard Jochheim. Die Spieler verteilten sich in alle Himmelsrichtungen. „Ich bin zu Zweitligist Datteln gegangen“, berichtet der damals 22-Jährige, dessen Tischtennis-Laufbahn noch eine ganze Weile dauern sollte. Weil er auch mit Squash-, Badminton- und Tennisschläger besser umgehen konnte als viele andere, gehört der Titel „Mr. Racket“ zu den Trophäen, die sich der Beinahe-Erstliga-Akteur in seiner Karriere sichern konnte. Der erspielte Tischtennis-Bundesliga-Aufstieg hat jedoch den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Nicht nur bei Reinhard Jochheim. „Die tolle, begeisternde Zeit in Wetter werde ich nie vergessen“, sagt Ex-Nationalspieler Dieter Forster, beim Bundesliga-Aufstieg die Nummer vier des TGH-Teams und danach lange Betreiber eines Sportgeschäfts in Wetter, noch heute. „Wenn wir aufgestiegen wären, hätte die Stadt Wetter dann eine Halle mit über 1000 Zuschauern bauen müssen.“ Um die Chinesen anzufeuern, die nie nach Wetter gekommen sind.