Hagen. In der 6. Folge von Kabinengeflüster erinnert sich die Hagener Basketball-Legende Marcus Ligons (36) an einzigartige Momente seiner Karriere.
Er hat in seiner langen Karriere als Basketball-Profi schon alles mitgemacht. Er gewann Meisterschaften, verhalf Teams zum Klassenerhalt, verlor mal 22 Spiele in Folge, wurde aus einem Verein geworfen und in einen Zug gesetzt, ohne zu wissen, wo genau es überhaupt hingeht. „Ich habe alles mitgemacht“, sagt der US-Amerikaner Marcus Ligons, der seit 13 Jahren im regionalen Basketball verwurzelt und eines der Gesichter der BG Hagen ist. Er nennt sich selbst „Old Dog of the Regionalliga“ – und ans Aufhören denkt er auch mit 36 Jahren noch lange nicht.
In unserer neuen Folge von Kabinengeflüster mit Yannick Opitz und Sören Fritze, die seit Jahren mit Ligons auf dem Basketball-Feld stehen, blickt der sympathische Amerikaner zurück auf wichtige und kuriose Momente seiner einzigartigen Laufbahn.
Der große Kanadier
In seiner zweiten Saison als professioneller Basketballer ist Marcus Ligons bei einem luxemburgischen Zweitligisten gelandet. Eigentlich lief es nicht schlecht für ihn. Ligons fühlte sich wohl, punktete wie er wollte – aber sein Team verlor. Oft. Das Management schmiss ihn raus, und das riss dem US-Amerikaner den Boden unter den Füßen weg. Sein damaliger Agent Daniel Poerschke von der Spieleragentur Scorers First machte ihm aber Mut, wie sich Ligons erinnert:
„Keine Sorge, wir finden etwas für dich. Du kommst nach Hagen.“
„Hagen? Was mache ich denn in Hagen?“
„Ist egal jetzt, pack deine Sachen und nimm den Zug nach Hagen.“
Als Ligons am Hauptbahnhof ausstieg, sah er ein ihm bekanntes Gesicht. „I saw this big canadian”, grinst er. Dieser große Kanadier war Chris Harris, der heutige Trainer von Phoenix Hagen, und er hieß Ligons freundlich am Bahngleis willkommen. Die beiden kannten sich aus Regionalliga-Duellen der Saison 2008/09, als Ligons für Salzkotten und Harris für den BBV Hagen spielte. „Ich sagte zu ihm: Hey Kumpel, ein Coach soll mich hier abholen.“ Und Harris entgegnete: „Ich weiß, ich bin der Coach.“
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Nachdem der BBV Ende 2009 sieben Spiele hintereinander verlor, musste Trainer Adam Fiedler seinen Hut ziehen. Mit Harris, der für die Altenhagener zuvor als Center spielte, und mit Ligons als neuem Star packte das Team den Klassenerhalt. Heute ist der Flügelspieler dankbar dafür, dass ihn Harris in die Volmestadt gelotst hat. „Ohne ihn wäre ich nicht hier. Er war mein Mentor und hat mir beigebracht, positiv und zuversichtlich zu sein, wenn die Zeiten mal hart sind. Eines Tages würde ich gerne mit Chris arbeiten, als sein Co-Trainer. That would be a dream come true.“
Die Erfahrung „Hagen“
Mit Harris schaute sich Ligons 2009 auch erstmals ein Spiel von Phoenix Hagen an, dem großen Bundesligisten. Hagen ist Basketball-Stadt, das wusste er, seine Erwartungen an ein BBL-Spiel waren dementsprechend hoch. Dann setzte Ligons seinen Fuß in das Provisorium der Hohenlimburger Injoy-Halle, und bekam einen kleinen Kulturschock. „Ich dachte eigentlich, Phoenix spielt in einer monströsen Arena. Ich komme ja aus den Staaten, da ist alles größer. Dann war ich in der Injoy-Halle, und alle saßen ganz dicht aneinander und tranken Bier“, erinnert sich Ligons und lacht.
Aber er tut das nicht despektierlich. Die elektrisierende Stimmung, die Nähe der Zuschauer am Feld, die Intensität – all das packte ihn. „Ich bin viel rumgekommen, war in Luxemburg, in Bremen, in Bonn, aber nichts kommt gegen die Erfahrung Hagen an. Basketball liegt hier in der Luft. Hagen is basketball country.“
Der Arbeiter alter Schule
Marcus Ligons ist ein Basketballer alter Schule. Er spielt nicht spektakulär, wirft keine Dreier aus acht Metern oder dribbelt seine Gegner schwindelig. Alles, was er macht, ist solide und effizient. Sein Steckenpferd ist der Mitteldistanzwurf, die verlorene Kunst des Basketballs. „Das ist für ihn wie ein Korbleger. Er trifft gefühlt 90 Prozent aus der Mitteldistanz“, sagt Yannick Opitz. Was aber dann doch modern ist am Basketballer Ligons: „Er kann jede Position spielen, den Ball nach vorne bringen und Center verteidigen. Zu seinen besten Zeiten hat Marcus gefühlt 35 Punkte im Schnitt gemacht, und das mit hoher Trefferquote“, rühmt Sören Fritze seinen Mitspieler. Aber was Marcus Ligons darüber hinaus auszeichnet: Seine ruhige Art. Selbst wenn alles für sein Team schief läuft, ist er gelassen. „Er war mit Anfang 20 so und ist heute immer noch genauso. Seine Mentalität ist einzigartig“, sagt Fritze.
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Aber schon seit vier Jahren ist Marcus Ligons kein professioneller Basketballer mehr, auch wenn er im BG-Team den „US-Spot“ einnimmt und bezahlt wird. Auf Körbe wirft er nur nebenbei. Heute ackert der 36-Jährige zwischen zehn und zwölf Stunden täglich auf der Baustelle. „Ich bin ein Baustellen-Boy“, grinst Ligons. Nebenbei hat er einen kleinen Online-Handel für Sneaker. In den Regalen seines Büros stapeln sich bunte Kartons seltener Basketball-Schuhe. Er sei schon immer ein harter Arbeiter, ein „Hustler“ gewesen, weiß Fritze: „Marcus arbeitet den ganzen Tag, hat Frau und Kind, und trotzdem kommt er abends in die Halle und geht als ältester Spieler mit der besten Einstellung voran. Das ist bedingungslose Liebe für den Basketball.“
Die Maschine
Einen großen Schritt in seiner Karriere ging Marcus Ligons 2010 beim SV Haspe 70. Der damalige Erstregionalligist hatte unter Coach Marsha Owusu Gyamfi den Klassenerhalt als Ziel, und Ligons hatte ja beim BBV bewiesen, dass er spielerische Klasse und Nervenstärke besitzt. Wie ihn die 70er damals aufnahmen und gefördert haben, wird er nie vergessen. „Haspe ist sehr familiär, Karl-Heinz Langer und die Wasielewski-Brüder machen einfach alles für den Verein.“
Als Außenseiter reiste der kleine Basketball-Verein zum haushohen Favoriten Grevenbroich. Ein Spiel, das Ligons für immer prägen sollte. „Marsha, die eine der besten Coaches war, die ich je hatte, hat zu Martin Wasielewski gesagt: Wenn du heute das Spiel deines Lebens machst, dann gewinnen wir.“ Und genau so kam es. Wasielewski, nicht umsonst „Maschine“ genannt, dominierte von Beginn an, erzielte „bestimmt unsere ersten 20 Punkte. Er war nicht zu stoppen. So etwas hatte ich noch nie gesehen. He really was a machine. Das hat mich so sehr motiviert, immer alles zu geben“, sagt Ligons.
Das Lieblingsspiel
Die nächste Aufgabe hieß für Marcus Ligons: BG Hagen. Nachdem die Eilper viele Jahre um den Klassenerhalt bangen mussten, ging es in der Otto-Densch-Halle stetig aufwärts. Und einen großen Anteil daran hat Ligons, der „Old Dog“, der heute zusammen mit Sören Fritze, Yannick Opitz und Vytautas Nedzinskas einen Mannschaftskern bildet, der sich vor keinem Regionalligisten verstecken muss. Gleiches gelte für seinen Trainer, Kosta Filippou. „Er ist einer der besten Trainer in NRW. Ich liebe seinen Stil, Basketball spielen zu lassen. Es ist ein griechischer Stil, der uns viele Freiheiten lässt. Coach K lässt uns wir selbst zu sein. Und ich bin ihm und Fredi Rissmann sehr dankbar für die Möglichkeit, hier zu spielen.“
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Sein Lieblingsmoment? Vielleicht ein Überraschungssieg gegen Ibbenbüren, einem physisch starkem Topteam, das deutlich favorisiert war. Er würde es vielleicht nicht zugeben wollen, aber Filippou war vor dem Spiel etwas nervös, sagt Ligons. „Seine Lippen waren ganz ausgetrocknet. Ich habe ihm eine Flasche Wasser gegeben und gesagt: Coach, wir gewinnen das heute, keine Sorge. Don’t worry about it.“ Die Partie war dramatisch spannend, kurz vor Schluss setzte sich Ibbenbüren auf fünf Punkte ab. Doch dann traf erst Fritze einen Korbleger, ehe Opitz von der Dreierlinie einstreute. Ausgleich. Ibbenbüren vergab den nächsten Wurf, und nach einer Auszeit erzielte Fritze den entscheidenden Korb. Ein unfassbarer Sieg. Oder wie Ligons es ausdrückte: „Best sh*t of my life!“
Die armen Rookies
Witzige Momente hat Ligons ohne Ende erlebt. Über so manche Aktionen seiner Landsleute, die sich in deutschen Haushalten oft schwer tun, kann er nur den Kopf schütteln. „Einer meiner Mitspieler hat seine Wäsche immer in der Dusche gewaschen“, lacht Ligons, „ein anderer ging ständig in der Tankstelle einkaufen. Er hat dort 1000 Euro in zwei Wochen für Burger, Fertiggerichte und Cola ausgegeben, obwohl nebenan ein Lidl war.“
Was dem Basketballer besonders viel Freude bereitet: Die Jüngsten des Teams, die Rookies, auf den Arm nehmen. Aber auch er hatte Mitleid, als Opitz mal einen Nachwuchsspieler der BG reinlegte. Der Rookie sollte standesgemäß die Bälle nach dem Training einsammeln, erst danach durfte er sich umziehen. Doch die Suche dauerte ewig, die Mutter des Jungen stand schon ungeduldig vor der Halle. „Ich habe ihn gefragt: Was machst du? Er sagte, er konnte den letzten Ball nicht finden“, lacht sich Ligons kaputt. Des Rätsels Lösung: Der Basketball war bei Opitz in der Umkleidekabine, und der Rookie schaute dumm aus der Wäsche, als ihm Ligons das verriet: „He was so mad.“