Hagen. Die Hagener Basketballer Yannick Opitz und Sören Fritze graben witzige Anekdoten aus ihren Karrieren aus – und erinnern an Matthias Grothe.
Wenn Basketballer auf ihre Laufbahn zurückblicken, dann geht es vor allem um packende Siege, um Meistertitel, um wichtige Würfe und um schmerzliche Niederlagen. Aber was mindestens genau so gut in Erinnerung bleibt, sind all die lustigen, verrückten und auch inspirierenden Geschichten, die man mit seinen Mitspielern und Trainern erlebt hat. Geschichten, die es meistens nicht in die Zeitung schaffen.
Doch genau darum geht es in der Serie „Kabinengeflüster“, die wir gemeinsam mit den BG-Hagen-Spielern Yannick Opitz (30) und Sören Fritze (26) ins Leben gerufen haben. Jede Woche erzählt ein prominenter Gast Anekdoten aus seiner Karriere, darunter Dominik Spohr, Bernd Kruel oder David Bell, die in der ersten Staffel zu Gast sind. Doch in der Pilotfolge erzählen die beiden Gastgeber und Initiatoren der Serie erstmal selbst. Es geht um Disco-Besuche, Jackpots und Alligatoren in Iserlohn.
Das Disco-Dilemma
Im zarten Alter von 16 Jahren wollte Yannick Opitz die Hagener Partyszene kennenlernen. Da passte ihm ein Phoenix-Juniors-Training am Samstagmorgen nicht in die Karten – also meldete er sich bei seinem Trainer Dietmar Günther krank. Die gute Feierlaune bekam einen Dämpfer, als er in der Großraumdisco DIE Hagener Basketball-Legende Matthias Grothe traf.
Der Kapitän von Phoenix Hagen hatte stets ein Auge auf den Vereinsnachwuchs und wusste, dass der junge Opitz das Training geschwänzt hatte – und das verursachte nachhaltige Gewissensbisse, die so richtig aufkeimten, als beide gut zwei Jahre später zu Teamkameraden bei Phoenix wurden. „Ich hatte einen schlechten Ruf bei ihm. Für Matthias war Basketball einfach alles. Wenn jemand nicht ernsthaft bei der Sache war, hat er das nicht akzeptiert“, erinnert sich Opitz.
Für den Guard ein Riesenansporn, sich jetzt zusammenzureißen, jedes Training überpünktlich zu sein und alles zu geben. „Als ich Jahre später für Dortmund in der Regionalliga spielte“, blickt Opitz zurück, „war Matze Trainer in Iserlohn, und sagte dann zu mir: Du hättest doch auch für mich spielen können.“ Aber Yannick Opitz hätte es damals nicht für möglich gehalten, dass Grothe ihm das Disco-Dilemma verzieh. Doch „Matze“ hatte Erbarmen. 2014 kam der Wurfspezialist schließlich ins Kangaroos-Team und wurde zu einem der zuverlässigsten Spieler Grothes. „Da hatte ich es geschafft“, lacht Opitz, „mein Trauma war endlich aufgearbeitet.“
Der Matze-Faktor
Kein anderer Hagener Basketballer legte so viel Wert auf Gemeinschaft wie Matthias Grothe. Zu Phoenix-Zeiten wurde freitags bei den Grothes gepokert – und zwar jede Woche, mit allen Spielern. „Seine Frau Maja hat dann Nachos mit Hackfleisch gemacht, Sophie und Phil sind irgendwann eigenständig ins Bett gegangen. Weil bei Matze die ganze Familie Basketball gelebt hat, hat das immer perfekt funktioniert“, sagt Opitz. Und wer mit Grothe in einem Team spielte, der konnte nur von der Leidenschaft des energiegeladenen Flügelspielers mitgerissen werden. „Vor jedem Spiel hat er seinen Ring geküsst, eine Red-Bull-Dose geext und sie sich vor die Stirn gehauen. Wie Matze tickte, war einmalig.“
Einmalig war es auch, für Grothe zu spielen. „Matthias’ Spieler waren wie seine Kinder. Wenn er dich aufgenommen hat, warst du Teil seines Lebens“, sagt Sören Fritze, der 2016/17 unter Grothe in Iserlohn spielte. Jeden Dienstag ging es für die gesamte Mannschaft ins Restaurant „Onkel Dimos“. „Dimos Dienstag nannten wir das“, lacht Fritze.
Bei all dem Vergnügen wurde dennoch viel Wert auf Teamregeln gelegt. „Ching, ching“, johlten alle Mitspieler laut, wenn jemand zu spät kam – die Mannschaftskasse klingelte. Hingegen konnte man sein Geld wieder reinholen, wenn man einen guten Distanzschuss hatte: Vor jedem Spieltag winkte demjenigen, der einen Wurf von der Mittellinie in den Korb traf, ein Jackpot, der bei jedem Iserlohner Sieg wuchs. „Matze hat auch einfach mal einen Hunderter gezückt und in den Pott geworfen“, erinnert sich Fritze. „Sagt das bloß nicht Maja“, ermahnte Grothe seine Spieler.
Der Sprung in die Freiheit
Sören Fritze war einer der begabtesten Aufbauspieler Deutschlands, und im Alter von 18 Jahren schloss er sich der Talentschmiede von Bundesligist Ratiopharm Ulm an. So begnadet wie sein Teamkollege Tommy Mason-Griffin war er indes nicht. Selbst als der US-Amerikaner wegen einer Achillessehnenverletzung eine Manschette am Bein trug, spielte er in der Ulmer Trainingshalle jeden seiner Mitspieler an die Wand. „Der Typ war unglaublich, der hätte auch im Eins-gegen-drei alle verputzt, und das mit einer Verletzung“, schüttelt Fritze den Kopf.
Szenenwechsel: Die Ulmer machen Trainingslager auf Gran Canaria. Das Wetter und das Hotel, in dem die Basketballer residieren: ein Traum. Aber jeden Tag rackern sich die Profis in ihrer Saisonvorbereitung maßlos ab. Da tut ein Ausflug mit einem luxuriösem Katamaran auf dem Atlantischen Ozean ganz gut. Die Sehnsucht nach mehr Entspannung wächst bei den geschundenen Spielern.
Das weiß auch Trainer Thorsten Leibenath. Aber er weiß auch, dass Mason-Griffin Angst vor Gewässern und vor Meeresbewohnern hat – und in diesem Moment schwimmt ein Schwarm Delfine auf das Boot zu, erzählt Fritze. „Wenn Tommy reinspringt“, ruft Leibenath, „dann haben morgen alle trainingsfrei.“ Der US-Amerikaner kann dem Druck nicht mehr standhalten. „Alle rasteten komplett aus, Tommy hatte schon Schweißperlen auf seiner Stirn“, lacht Fritze. Und dann springt Mason-Griffin tatsächlich zu den Delfinen – und alle Ulmer Basketballer hinterher. Leibenath hält sein Wort: Tags darauf ist trainingsfrei.
Die Gefahr im Haushalt
Mason-Griffin war nicht der einzige US-amerikanische Mitspieler der beiden Hagener Guards, der viel Respekt vor Gewässern hatte. Terrell Harris, der 2016/17 für die Iserlohn Kangaroos spielte, hatte große Bedenken vor einem Mannschaftsausflug zu einer heimischen Talsperre, weil er dort Alligatoren vermutete. Der Grund: Harris stammt aus Florida, wo die Reptilien weit verbreitet sind. „Er dachte, dass in allen Seen Alligatoren ihr Unwesen treiben“, schmunzelt Yannick Opitz.
Mehr Probleme hatten die Spieler aus Übersee aber im deutschen Haushalt, der eben etwas anders funktioniert als der amerikanische. „Es war ja nicht so, dass die hinterm Mond lebten. Für die war halt vieles hier ungewohnt“, weiß Fritze. Viele sammelten bergeweise Pfandflaschen, teilweise sogar von gegnerischen Mannschaften, etwa auch Ex-BG-Spieler Clayton Longmire. „Clayton hatte einen kleinen Weg zum Bett, der Rest der Wohnung war mit Pfandflaschen zu. Er fand es faszinierend, dass man quasi für Müll Geld bekommen hat“, erzählt Opitz. Eher harmlose Gewohnheiten.
Gefährlicher wurde es hingegen vor gut acht Jahren in einer Spieler-WG in Herten, in der Yannick Opitz mit dem Amerikaner Blake Poole lebte. „Er liebte Pommes, vermisste aber eine Fritteuse. Also kippte er eines Tages einen Topf voll mit Öl und schmiss aus zwei Metern Entfernung Fritten hinein.“ Ein ehemaliger Mitspieler Fritzes, dessen Namen an dieser Stelle verschwiegen bleibt, heizte seine Wohnung mit offenem Backofen, als nachts die Heizung nicht funktionierte – kein Einzelfall. „Backöfen haben ja immer den Hinweis in der Bedienungsanleitung, dass sie nicht zum Heizen verwendet werden dürfen“, merkt Yannick Opitz an, und Sören Fritze verrät mit einem Augenzwinkern auch den Grund: „Den Hinweis gibt’s vermutlich wegen der amerikanischen Basketballer.“
+++ Info +++
Sören Fritze spielte bis 2014 für BG Hagen, zudem stand er im Bundesliga-Kader von Phoenix. Ulm, Weißenfels, Schwelm und Iserlohn waren weitere Stationen des Point Guards. 2018 beendete er seine Profikarriere, seitdem spielt er wieder bei BG.
Yannick Opitz stammt ebenfalls aus der BG-Jugend, im Phoenix-Kader stand er 2009/10. Danach spielte er unter anderem in Herten, Schwelm und zwischen 2014 und 2017 in Iserlohn. Nach einer Weltreise kehrte auch er 2018 zurück zur BG Hagen.