Gevelsberg. Die Liga kommt nach der Eskalation des SV Ararat nicht zur Ruhe. Vereine drohen mit Boykott. Doch geht das einfach so? Wir haben nachgefragt.
30 Spiele hat eine Mannschaft in der Fußball-Kreisliga A eigentlich zu absolvieren. Für den FC SW Silschede hingegen steht fest, dass es in der kommenden Saison nur zu 28 Spielen kommen wird. Der Verein teilte am Mittwochabend mit, dass er in der Spielzeit 2023/2024 nicht mehr gegen den SV Ararat Gevelsberg antreten möchte – unabhängig davon, wie der kurdische Verein die unfassbaren Szenen vom vergangenen Sonntag aufarbeiten wird. Andere Vereine kündigten bereits an, sich solidarisch mit den Silschedern zu zeigen, was zu einer bizarren Situation führen könnte: Spielt bald keiner mehr gegen den SV Ararat?
Dietmar Achtert vom Fußballkreis Hagen/Ennepe-Ruhr ist in den nächsten Wochen vermeintlich nicht zu beneiden. Achtert ist Staffelleiter für die Kreisliga A2, also der Liga, die in diesen Tagen aufgrund der Gewalteskalation von Spielern und Zuschauern des SV Ararat Gevelsberg in die Schlagzeilen geraten ist. Auf Achtert könnte deswegen vermehrt Arbeit zukommen, weil immer mehr Vereine in Erwägung ziehen, nicht mehr gegen den kurdischen Verein anzutreten. „Gegen die will keiner mehr spielen“, heißt es von verschiedenen Seiten im lokalen Fußball.
Silschede hofft auf Solidarität
Ermittlungen der Polizei laufen
Strafrechtlich werden die vermeintlichen Übergriffe durch Spieler und Anhänger des SV Ararat Gevelsberg ebenfalls verfolgt. Eine Anzeige gegen mehrere Beteiligte wegen gefährlicher Körperverletzung wurde durch die geschädigten Personen gestellt.
Laut Aussage der Polizeisprecherin Sonja Wever laufen zudem Ermittlungen gegen weitere Tatverdächtige, die auf mehreren der Polizei zur Verfügung gestellten Videos zu erkennen sind. „Die Chance, dass die Täter dadurch identifiziert werden, sind sehr hoch“, so Wever.
„Nach einer internen Aufarbeitung hat unsere 1. Mannschaft entschieden – unabhängig vom Ausgang der Gerichtsverfahren und Sanktionen – in der kommenden Saison nicht mehr gegen Ararat Gevelsberg anzutreten. Die Unversehrtheit unserer Spieler aber vor allem auch unserer Familien am Spielfeldrand ist unser wichtigstes Anliegen. Wir hoffen auch auf die Solidarität der Liga“, schreibt der FC SW Silschede in einer offiziellen Erklärung in den Sozialen Medien.
Der FSV Gevelsberg II, eigentlich nächster Gegner des SV Ararat am kommenden Wochenende, hatte bereits im Vorfeld der Absetzung der Partie beschlossen, zumindest in dieser Saison nicht gegen Ararat antreten zu wollen. Die Gevelsberger hätten dabei auch eine Geldstrafe in Kauf genommen – zusätzlich zu den abgeschenkten Punkten und den in diesem Fall obligatorischen zwei Gegentoren.
Ab Mai: Bei Nichtantritt drei Punkte Abzug
Für die nächsten Gegner des SV Ararat vom VfL Gennebreck, der TSG Herdecke und dem TuS Hasslinghausen ändern sich die Konsequenzen für einen Nichtantritt allerdings ab Anfang Mai. Dann gibt es für einen Nichtantritt neben den oben beschriebenen Strafen auch noch einen dreifachen Punktabzug für die kommende Spielzeit – was die Einstellung der Vereine allerdings nicht verändert. Laut Informationen dieser Zeitung wird der VfL Gennebreck, der nur noch rechnerisch Möglichkeiten auf den Klassenerhalt hat, auf das Spiel gegen Ararat verzichten. Bei der TSG Herdecke zieht man einen ähnlichen Schritt noch in Erwägung, ähnlich sieht es diesbezüglich auch beim TuS Hasslinghausen aus.
Derweil wird immer öfter die Forderung ausgesprochen, dass der komplette Verein SV Ararat Gevelsberg nach der jüngsten Eskalation komplett vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden soll. Ganz so einfach ist es aber mit einem Ausschlussverfahren für einen gesamten Verein nicht, wie Thomas Berndsen, Abteilungsleiter Amateurfußball beim Fußball-und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW), auf Anfrage dieser Zeitung mitteilt.
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Erst einmal sei eine Entscheidung des Kreissportgerichts zu beachten. Dabei könnten auch das im Internet kursierende Video und die Aufnahmen der Überwachungskamera am Vereinsheim im Silscheder Waldstadion als Beweismittel herangezogen werden. „Ich als Sportrichter würde mich solcher Mittel gerne bedienen. Letztendlich entscheidet aber das zuständige Kreissportgericht, ob sie diese Mittel in Anspruch nimmt“, so Berndsen.
Einen Verein vom Spielbetrieb ausschließen kann das Kreissportgericht allerdings nicht – dafür ist der Verband zuständig. „Wenn ein Verein glaubhaft versichern kann, dass er alles tut, um deeskalierend zu wirken, können wir ja nicht einen ganzen Verein bestrafen“, schränkt Berndsen ein. Eine Meinung, die Dietmar Achtert teilt. „Es ist nicht einfach mit solchen Sanktionen, da wir dann auch Spieler wie beispielsweise den schlichtenden Torwart von Ararat bestrafen würden“, sagt er.
Ararat hat nur noch sechs Spieler
Beim SV Ararat strebt man aktuell weiterhin die lückenlose Aufklärung der Geschehnisse vom vergangenen Sonntag an. Die Vorsitzende Vanessa Aufermann zeigt Verständnis für die Entscheidung der Konkurrenz, vorerst nicht gegen ihren Verein antreten zu wollen – hofft aber darauf, dass dort anerkannt wird, wie sie in ihrem Verein nun aufräumt. Am Mittwochabend sortierte Aufermann gleich 13 Spieler aus, aktuell sind aus dem Kader der ersten Mannschaft nur sechs Spieler übrig geblieben. „Die meisten konnten es nachvollziehen. Wir haben uns bei den Suspendierungen ausdrücklich nicht nur auf die Geschehnisse am Sonntag berufen“, sagt Aufermann. Darüber hinaus möchte sie ein Platzverbot für die Zuschauer erwirken, die in Silschede Teil und vermeintlich auch Auslöser der Eskalation waren.
Viel mehr als diese Suspendierungen überrascht aber die Anfrage des SV Ararat Gevelsberg beim Kreissportgericht. „Wir haben darum gebeten, uns für die letzten vier Spiele zu sperren“, sagt Aufermann. Damit würde der Verein einen etwaigen Boykott umgehen, ohne dass die bisher erzielten Ergebnisse aus der Wertung genommen würden. Das dürfte, je nach Entscheidung des Kreissportgerichts, vor allem den TuS Ennepetal II freuen. Der SV Ararat hatte den Ennepetaler Konkurrenten um die Meisterschaft, der TSG Sprockhövel II, vor zweieinhalb Wochen überraschend geschlagen. An ein Ausschlussverfahren seitens des Verbandes glaubt Aufermann derweil nicht.
Die Ararat-Vorsitzende bekommt nach eigener Aussage seit dem vergangenen Sonntag Drohanrufe. „Mir solle das gleiche passieren wie den Silschedern“, heiße es da, wie Vanessa Aufermann berichtet. „Ich lasse mich davon aber nicht abbringen, den Verein, dem ich seit 22 Jahren vorstehe, aufzuräumen. Ich lasse hier niemanden im Stich“, sagt sie.