Ennepetal. Die Ski-WM wirft ihre Schatten voraus. Der Ennepetaler Andi Sander will dann in seinen Paradedisziplinen vorne mitmischen. Uns hat er sie erklärt
Wer im Winter die Rennen von Andreas Sander verfolgt, muss nicht immer gleich auch der größte Experte im Skirennsport sein. Er muss noch nicht einmal selbst regelmäßig auf Brettern stehen, um zu verstehen, wie manche Bestzeiten zustande kommen und wieso ein anderer Fahrer etwas weiter hinten landet. Bei dem Ennepetaler Andreas Sander ist das manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, denn er gilt als einer der stärksten Techniker im gesamten Weltcup-Zirkus. Der amtierende Vize-Weltmeister in der Abfahrt ist in dieser Saison etwas hinter den eigenen Erwartungen, einzig in seiner zweiten Kerndisziplin im alpinen Rennsport, dem Super-G, zählt Sander auch bei der am 6. Februar beginnenden Ski-Weltmeisterschaft zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidaten. Wo aber genau liegt der Unterschied zwischen seinen beiden Paradedisziplinen? Wir haben den 33-Jährigen als Experten befragt.
Die Tore
Am offensichtlichsten ist der Unterschied zwischen einem Abfahrtsrennen und einem Super-G an den Toren zu erkennen, die die Fahrer umkurven müssen. „Die in der Abfahrt sind einfarbig, die im Super-G abwechselnd rot und blau“, weiß Sander. Wobei sich die Farbe der Abfahrtstore erst vor wenigen Jahren änderte – und zwecks der besseren Sichtbarkeit auch bei schwierigeren Verhältnissen auf orange gestellt wurde.
Unterschiedlich ist auch die Anzahl der Tore: Im Super-G müssen mindestens 35 Tore im Mindestabstand von 25 Metern umfahren werden – in der Abfahrt hingegen sind die Tore eher als Richtungsgeber zu verstehen. Ansonsten sind sich die Tore relativ ähnlich – zwei Kippstangen mit einem Tuch in der Mitte kennzeichnen den Weg für die Teilnehmer.
Die Skier
Wenn Andreas Sander mit teilweise bis zu 150 km/h die steilsten Pisten dieser Welt hinunterrast, setzt er auf Skier der Marke Atomic. Je nach Art des Rennens sind diese Bretter, die schon lange keine echten Bretter wie vor Jahrzehnten sind, unterschiedlich lang.
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Bei Sander sogar noch immer etwas länger als vorgeschrieben. 218 Zentimeter müssen die Skier in der Abfahrt sein, die des Ennepetalers sind 223 Zentimeter lang. Im Super-G hingegen dürfen sie nicht kürzer als 210 Zentimeter sein – und auch hier setzt Sander auf längere Skier als notwendig. Zum Vergleich: Slalom-Skier sind mindestens 165 Zentimeter lang und damit deutlich kürzer.
Die Geschwindigkeit
Ganz klar: Nirgendwo werden solche Geschwindigkeiten im Skirennsport erreicht, wie in der Abfahrt. Spitzenwerte werden vor allen Dingen auf den Strecken in den Alpen erreicht, 2013 erreichte der Franzose Johan Clarey den bisherigen Rekord von 161,9 km/h, gemessen am „Haneggschuss“ von Wengen. Aber:
Der Super-G gilt nicht umsonst als zweite der Speeddisziplinen – auch hier sind Geschwindigkeiten jenseits der 120 km/h nicht ungewöhnlich. „Die Messpunkte für die Geschwindigkeiten werden oft an den neuralgischen Punkten einer Abfahrt aufgebaut“, weiß Sander. Deswegen würde bei den Super-G-Rennen, die oft auf gleichen Abschnitten wie die Abfahrten gefahren werden, nicht immer auch die jeweils dort erreichte Spitzengeschwindigkeit gemessen.
Die Streckenführung
Hier gibt es die Unterschiede, die maßgeblich für die Einteilung in zwei Disziplinen ist. Im Super-G geht es deutlich kurviger zu als in der Abfahrt. Das sagt bereits der Name, denn das „G“ steht für Giantslalom – zu deutsch Riesenslalom. Allerdings gibt es im Vergleich zum Riesenslalom deutlich längere Gleitpassagen, die dafür sorgen, dass die Fahrer mehr Tempo als im „Riesentorlauf“ aufnehmen. Ein Rennen in der Disziplin Super-G ist auch immer deutlich kürzer als eine Abfahrt.
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Denn bei der Abfahrt gibt es bestimmte Mindestwerte, die zu beachten sind. Der Höhenunterschied zwischen Start und Ziel einer Strecke muss immer zwischen 800 und 1100 Meter liegen. Die Kurse, die nicht wie im Super-G von abwechselnden Trainern gesteckt werden, sind festgelegt – und deutlich direkter als im Super-G. Das heißt weniger Kurven, noch längere Gleitpassagen und auch immer wieder Abschnitte mit waghalsigen Sprüngen – wie beim „freien Fall“ in Garmisch-Partenkirchen, wo das Gefälle bis zu 92 Prozent aufweist.
Kurssetzung und -besichtigung
Die Kurse im Super-G werden immer von unterschiedlichen Trainern gesteckt. „Da versucht natürlich jede Nation, den besten Kurs für die eigenen Fahrer zu setzen“, weiß Andreas Sander. Wer den Kurs setzen darf, wird dabei dem Zufall überlassen – vor jedem Rennen wird der Kurssetzer ausgelost.
Weil die Fahrer den Kurs dann erst kennenlernen müssen, haben sie zwei Stunden vor dem Rennen die Gelegenheit, die Strecke „abzurutschen“ und sich markante Kurven einzuprägen. Informationen von der Strecke gibt es dann oft von den Fahrern der gleichen Nation, die eine frühe Startnummer hatten und anschließend ihre Teamkollegen über Besonderheiten informieren. In der Abfahrt hingegen ist das nur bedingt notwendig, da die Strecken seit Jahren gleich und den Fahrern bekannt sind.