Gevelsberg. Die Gevelsbergerin Elisabeth Linné ist trotz ihres hohen Alters von 96 Jahren topfit. Und dass obwohl 2020 eine unfassbare, goldene Serie endete
„Ich kann gar nichts dafür“, sagt Elisabeth Linné mit einem bescheidenen Achselzucken. Doch die Frage, wie sie sich denn so lange so fit halten konnte, muss mit einem zwar späten Einstieg, doch einer sehr langen Hingabe zum Sport beantwortet werden. Dadurch kann die Gevelsbergerin ihren Alltag selbst mit stolzen 96 Jahren noch immer unabhängig und ohne fremde Unterstützung gestalten. Ihren sportlichen Lebensstil hat sie bis zum heutigen Tage beibehalten.
Täglich greift sie zu Gewichten und Geräten, mit denen sie Gymnastikübungen zur Mobilisierung und Stärkung ihres Körpers macht. Mit diesem hat sie sage und schreibe 51 Sportabzeichen errungen – ein jedes ingoldener Ausführung. Aber nicht nur das Sportabzeichen hatte zunächst keine Bedeutung für sie als junge Frau. Erst verhältnismäßig spät fand sie Freude daran, sich überhaupt mit Sport zu beschäftigen und ihren Körper herauszufordern: Nämlich mit Mitte 30, nach ihrer Hochzeit und der Geburt ihrer drei Kinder.
So fand die Gevelsbergerin zum Sport
Elisabeth Linné erinnert sich an ihre allererste Teilnahme Ende der 1950er Jahre, die zu diesem Zeitpunkt eine nicht ganz so gute Idee war: „Ich bin nach einem Urlaub auf Wangerooge auf den Sport gekommen. Da habe ich einen Aushang gesehen, der die Sportabzeichenabnahme am nächsten Tag angekündigt hat. Ich wollte es einfach mal versuchen, obwohl ich überhaupt nicht trainiert war. Bei der Abnahme habe ich mir dann aber einen Muskelfaserriss zugezogen“, so die Rentnerin. Aber: Nachdem sie ihre Verletzung in der Heimat auskuriert hatte, wurde sie auf das Gymnastikangebot des TSV 1862 aufmerksam und stieg in eine der Gymnastikgruppen ein.
„Ich las außerdem, dass es einen Lauftreff in Gevelsberg gab. Der hat sich jeden Sonntag um 9 Uhr getroffen und dann wurden immer fünf oder zehn Kilometer gelaufen. Das habe ich dann auch jahrelang gemacht und das tat sehr gut“, erzählt sie von den gemeinsamen Runden, die im Stefansbachtal starteten. Im Jahr 1975 wären sie hingegen nur noch zu zweit gewesen, da sich schließlich die Gruppe auflöste. Im letzten Jahr nahm dann auch die Gymnastikgruppe des TSV ein Ende. Elisabeth Linné gehörte zum „harten Kern“ und bewegte sich dort über fünfzig Jahre bis zum Ende – das ist Vereinstreue.
Das Ende ihrer Serie
Und die Sportabzeichen? Die legte sie nach der Animierung von Herbert Horn, ehemals Polizist in Gevelsberg, erstmals im Jahr 1960 ab. Danach sei sie regelmäßig hingegangen. „Beim ersten Mal habe ich gleich Gold bekommen“, so Linné. „Seitdem habe ich fast jedes Jahr daran teilgenommen.“ Das letzte Abzeichen legte sie im Jahr 2020 ab.
Auch Interessant: Eine Geschichte wie ein Drehbuch: Das verrückte Jahr in Mexiko von Bernd Kumpe
Danach machte ihr ein Oberschenkelhalsbruch zu schaffen, durch den sie ihre Serie widerwillig beenden musste. „Wäre der Bruch nicht gewesen“, meint Linné, „dann hätte ich auch noch weitergemacht! Die letzte Abnahme war relativ leicht“, so die zum damaligen Zeitpunkt 94-Jährige heute, über die zu präsentierenden Übungen, die an Alter und Geschlecht der Teilnehmenden ausgerichtet sind. „Bis auf das Schwimmen – da musste ich mich ziemlich anstrengen.“
Tischtennis im Garten hält fit
Eine besondere Bedeutung an der fortlaufenden Teilnahme hatte der ehemalige Sportabzeichenprüfer und -koordinator Peter Weber. „Er hat mich immer wieder animiert bis ich 94 war“, so Elisabeth Linné dankbar. Doch abgesehen von den Sportabzeichen entwickelte sie durch ihre Mitgliedschaft im Sportverein und dem Lauftreff auch Interesse für andere Sportarten wie Ski-Langlauf und Tischtennis. Noch heute steht eine Tischtennisplatte auf der Terrasse in ihrem Garten. „Die steht schon seit 50 Jahren da“, schmunzelt Linné. „Ich habe sie irgendwann nicht mehr über den Winter weggeräumt, aber die Platte ist heute immer noch gut. Hin und wieder spiele ich auch noch“, berichtet sie munter.
Im Rückblick auf diejenige Sportart, mit der sie sich am liebsten ins Schwitzen gebracht hat, ist sie sich sicher: „Laufen war immer schön.“ Dabei hat auch die gemeinsame Zeit im Verein noch heute eine große Bedeutung für sie. „Das ist immer eine nette Gesellschaft gewesen. Man schließt Freundschaften, die man auch beibehält“, so die Rentnerin. Den Rückgang der Mitglieder in Sportvereinen könne sie daher nicht nachvollziehen. Aber sie sagt auch: „Zuerst war ich im Verein, um gemeinsam Sport zu machen. Dann aber vor allem, um mich einfach fit zu halten.“ Da sie aufgrund der Liebe von Bad Oeynhausen nach Gevelsberg gezogen ist, war die Vereinsmitgliedschaft auch ein Mittel, um Kontakte zu knüpfen und sich ein eigenes soziales Umfeld aufzubauen.
Plädoyer für den Vereinssport
Nach all den Jahren im Sport, blickt die 96-Jährige zurück und denkt einen Moment über die Bedeutung des Sports nach. „Im Nachhinein würde ich sagen, dass Sport einfach wichtig ist, um auch im Alter fit zu sein“, fällt ihr sofort ein. „Ich habe Bekannte, die jünger sind und nicht so viel Sport gemacht haben, und die müssen jetzt im Liegen betreut werden“, bedauert sie. „Ich würde jedem einen Verein empfehlen, weil man sich dann auch verpflichtet fühlt. Ich schaffe meine Übungen zwar auch alleine, mache sie aber nur noch, um fit zu bleiben und alleine zurecht zu kommen.“ Welchen positiven Einfluss Sport langfristig auf die Gesundheit hat, demonstriert Elisabeth Linné mit ihren bald 100 Jahren als Paradebeispiel. Ein sportliches Leben hat eben eine positive, nachhaltige Wirkung bis ins hohe Alter.