Gevelsberg/Wolfsburg. Der EM-Sommer verlief für die Gevelsberger Nationalspielerinnen im Rausch. Um das zu verarbeiten, helfen Oberdorf die Familie und Alex Popp.
Eines der schönsten Dinge am Sport ist: Es gibt immer wieder einen nächsten Wettbewerb. Egal wie bitter die letzte Niederlage und der letzte verpasste Titel waren, der Blick geht schnell nach vorne, auf die Jagd nach den nächsten Erfolgen. So ist es auch für Lena Oberdorf und Alexandra Popp, die beiden Fußball-Nationalspielerinnen aus Gevelsberg. Nachdem sie mit der deutschen Elf bei der Europameisterschaft nur knapp den Titel verpasst haben (1:2-Finalniederlage gegen England), nehmen sie nun mit ihrem Verein, dem VfL Wolfsburg, Anlauf für eine Saison, die noch erfolgreicher werden soll als die letzte. Am Samstag um 13 Uhr starten sie mit einem Heimspiel gegen die SGS Essen in die neue Bundesliga-Saison.
Die EM hat so einiges verändert, gerade für Oberdorf. Die 20-Jährige stand zuletzt oft im Fokus, wurde als beste junge Spielerin des Turniers ausgezeichnet und landete auf Platz drei bei der Wahl zu Europas Fußballerin des Jahres. Auf dem sozialen Netzwerk Instagram ist die Anzahl der Menschen, die ihr folgen, explodiert: Knapp 220.000 Follower hat sie inzwischen. Und auch auf der Straße wird sie öfter erkannt. „In der Heimat war das schon vorher so“, erzählt Oberdorf. Aber nun erlebe sie das auch an anderen Orten: „Man wird an der Ampel angehupt und jemand ruft: ‘Hey, du hast gut gespielt.’“
Die Aufmerksamkeit ist gestiegen
Nach der EM gab es zudem so viele Medienanfragen für Oberdorf, dass ihr Verein eine Woche vor dem Ligastart eine digitale Medienrunde mit ihr veranstalten musste, bei der mehr als zehn Journalisten ihre Fragen loswerden konnten. Eine ungewohnt große Runde in der Frauen-Bundesliga.
Wer aber glaubte, dass sich Oberdorf angesichts des Rummels um ihre Person veränderte hätte, oder abgehoben wäre, sah sich getäuscht. „Wenn man zwei ältere Geschwister hat, verliert man nicht den Kontakt zum Boden, sondern wird eher noch reingestampft“, sagte sie mit einem Lachen. Von ihrer Schwester Julia erhalte sie zwischendurch zwar öfter ein Lob, aber dann folge meist direkt wieder ein Spruch von ihrem Bruder Tim, der bei Fortuna Düsseldorf Fußball spielt, um sie wieder runterzuholen. Ob sie dann auch mal einen Spruch zurückgebe, wurde sie gefragt. Ihre Antwort: „Bei Tim ja, aber zu Julia darf ich nicht viel sagen, denn die spielt American Football. Da bin ich lieber leise, bevor sie mich umhaut.“
Im Video! EM-Heldinnen Popp und Oberdorf bedanken sich für Support aus der Heimat
Oberdorf hat ihren Humor nicht verloren und wirkte im Interview genau so souverän wie auf dem Rasen. In Wolfsburg sind sie daher sehr froh darüber, dass die Nationalspielerin noch vor dem EM ihren Vertrag bis 2025 verlängert hat. Der Sportlicher Leiter Ralf Kellermann hatte da schon geschwärmt, dass es „fast unglaublich“ sei, „wie weit Lena mit ihren 20 Jahren bereits ist.“ Das zeigte sie dann auch auf der internationalen Bühne eindrucksvoll.
Kurzer Weg in die Heimat Gevelsberg
Oberdorf selbst ist froh über ihre Entscheidung. „Der Verein VfL Wolfsburg reizt mich extrem. Wenn ich sehe, wie wir uns entwickelt haben, finde ich es spannend, wie weit es noch gehen kann. Ich wollte Teil dieser Reise sein“, betonte sie. Ein zusätzlicher Bonus: Es ist ein kurzer Weg bis nach Gevelsberg. „Auch Mama und Papa können so jederzeit vorbeikommen“, sagte Oberdorf.
Ihr Vater ist übrigens auch ihr Berater und wird sich künftig noch häufiger mit Transferanfragen für seine Tochter beschäftigen müssen. Doch bis es zu einem Wechsel kommt, kann es noch dauern. Denn Oberdorf stellte klar: „Ich bin ein Fan davon, Verträge einzuhalten. Mit einem Wechsel befasse ich mich Stand jetzt gar nicht. Ich bin mit meinem Kopf komplett in Wolfsburg.“
Popp als Vorbild für viele Mitspielerinnen
Das gilt sowieso für Alex Popp, die bereit seit zehn Jahren in der Autostadt Fußball spielt und ebenfalls gerade erst bis 2025 verlängert hat. Kellermanns Worte bei ihrer Unterschrift: „Alex ist mit ihrer starken Mentalität und ihrem immer noch unbändigen Erfolgshunger ein Vorbild für unsere jungen Spielerinnen und auch in dieser Rolle ein wichtiger Bestandteil unseres Kaders.“ Ihren Erfolgshunger demonstrierte die 31-Jährige gerade erst wieder in der ersten Runde des DFB-Pokals, wo sie einen Viererpack zum 8:2-Auswärtssieg beim FC Gütersloh beisteuerte.
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Popp hat noch einiges vor, auch wenn sie sich bereits im fortgeschrittenen Fußballerinnenalter befindet. Im Interview mit dem NDR sagte sie gerade erst, dass sie im Nationalteam zwar kurz mit dem Gedanken eines Rücktritts gespielt habe, „aber dieses Turnier und diese Mannschaft haben mir so viel Spaß gemacht. Es kann natürlich doch passieren, dass ich in ein oder zwei Jahren sage, jetzt ist es doch vorbei. Aber Stand jetzt habe ich die Weltmeisterschaft 2023 im Blick.“
Tipps auf dem Weg in die Heimat
Oberdorf freut sich darüber, dass sie ihren Weg weiterhin gemeinsam mit ihrer Kollegin aus der Heimat gehen darf. Denn Popp hilft ihr auch dabei, mit dem Hype um ihre eigene Person umzugehen. „Klar entsteht Druck nach einem solchen Turnier, aber ich versuche, den gar nicht zuzulassen. Mit Poppi habe ich jemanden, der gut darin ist, den Druck rauszunehmen. Sie weiß, wann man auch mal einen schärferen Ton wählen muss“, freute sich Oberdorf.
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Das Duo Oberdorf und Popp wird für Wolfsburg und die Nationalelf auch in Zukunft extrem wichtig sein. Im Verein soll die Saison noch besser werden als die letzte. „Nach zwei Titeln in der letzten Saison wollen wir jetzt drei holen“, so Oberdorfs Ansage. Das Double aus Meisterschaft und Pokal soll um die Champions League ergänzt werden. „Das ist ein großes Ziel, dafür muss man jeden Tag arbeiten und leben“, weiß die 20-Jährige. Platz zwei bei der EM ist abgehakt. Denn zum Glück gibt es eben immer einen nächsten Wettbewerb.