Gevelsberg/Istanbul. Lena Oberdorf wird Dritte bei der UEFA-Wahl zu Europas Fußballerin des Jahres. Ein Blick auf die steile Karriere der 20-jährigen Gevelsbergerin.
Es war zwar nicht der erhoffte erste Platz, trotzdem ist es eine riesige Ehre: Die Gevelsberger Fußballspielerin Lena Oberdorf landet bei der UEFA-Wahl zu Europas Fußballerin des Jahres auf Rang drei. Etwas überraschend war es nicht der englische EM-Star Beth Mead (Arsenal London), der am Donnerstagabend in Istanbul die große Auszeichnung erhielt, sondern Alexia Putellas, aktuell verletzte Ausnahmespielerin vom FC Barcelona.
Dennoch: Mit gerade einmal 20 Jahren ist dieses Ergebnis für Oberdorf ein Ritterschlag, der beeindruckender kaum sein kann. Ihre Karriere hat gerade erst begonnen – und viele Jahre im Profifußball liegen noch vor der Kickerin. Dass sie das Zeug hat, in den kommenden Jahren nicht nur zur Europas, sondern auch zur besten Spielerin der ganzen Welt gewählt zu werden, davon sind ihre Wegbegleiter überzeugt. Denn bisher verlief ihre Karriere nur steil bergauf.
Die ersten Ballkontakte
Der Sprung zurück: Wir sind im vergangenen Jahrzehnt und Lena, die gerade im Kindesalter steckt, entdeckt den Fußball für sich. Beim TuS Ennepetal schnürt sie zum ersten Mal ihre Fußballschuhe, um sich auf dem Platz mit Jungs in den Trainingseinheiten und Spielen zu messen.
Dass die junge Lena Oberdorf ein besonderes Talent hat, das nur wenige besitzen, das war ihren Weggefährten schon damals klar. Einer ihrer ersten Trainer beim TuS Ennepetal war Adnan Yalcinkaya, der schon damals eine gewisse Ahnung hatte: „Das hört sich vielleicht etwas abgedroschen an“, schickt der Übungsleiter vorweg, „aber es war sehr früh zu sehen, dass sie ein besonderes Talent hat – und auch besser war als die Jungs in der Mannschaft“, erinnert er sich an die ersten Ballkontakte der heutigen Nationalspielerin.
Turnerische Begabung
Aber Yalcinkaya trainierte sie damals nicht alleine, sondern zusammen mit Peter Boers sowie Siegfried Flüshöh. Letzterer kann sich den Schilderungen seines Trainerkollegen nur anschließen.
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Dabei hebt er aber eine Sache hervor, die ihn seinerzeit beeindruckt hat und die man im ersten Augenblick wohl nicht erwarten würde. Die Gevelsbergerin hätte in ihren Anfangsjahren auch eine turnerische Begabung an den Tag gelegt, formuliert Flüshöh. „Wir haben viele Sachen trainiert, die weniger mit dem Fußball zu tun hatten. Und auch dabei hatte sie ein großes Talent, das nur sehr selten ist“, erinnert er sich.
Konkret meint er beispielsweise Hindernisläufe, bei denen die junge Oberdorf und ihre Mannschaftskameraden über Bänke balancieren oder Rollen machen mussten. Bei diesen Geschicklichkeitsübungen sei sie überragend gewesen. Aus ihrem Bewegungstalent schließt der Coach: „Sie hätte auch Tennis spielen können und hätte Wimbledon gewonnen.“
Neue Herausforderung
Vor vielen Jahren sah man also schon, dass Lena Oberdorf es eines Tages zur professionellen Fußballspielerin bringen würde – zu einer der besten der Welt noch dazu.
So sehr sie sich bei den Ennepetalern als Kind auch wohlfühlte, hielt es sie dort nicht für immer. Nach einigen Jahren beim TuS suchte sie sich in der D-Jugend eine neue Herausforderung. Sie wechselte in die Jugendabteilung der TSG Sprockhövel, in der sie wie auch zuvor in einer Jungenmannschaft trainierte. In ihrem neuen Verein ging es jetzt leistungsorientierter zu. In der B-Jugend spielte sie in der Westfalenliga, der zweithöchsten Liga in dieser Altersklasse.
Ihre Karriere verlief seitdem rasant. Mit zwölf Jahren spielte Lena Oberdorf schon in der deutschen U15-Nationalmannschaft – mit zum großen Teil deutlich älteren Mitspielerinnen. Doch sie hielt dennoch mit, als sie sich damals das erste Mal das Trikots ihres Landes überstreifte.
Trainer behält Recht
Dass es so kam und sie in den Kader des DFB berufen wurde, war abzusehen, wie einer ihrer Trainer findet. „Als sie zehn Jahre alt war, habe ich gesagt, dass sie Nationalspielerin wird“, erinnert Yalcinkaya sich noch gut. Aber damals wollte noch keiner davon hören, schiebt er hinterher. Nur zwei Jahre später sollte es schon soweit sein und der Trainer sollte Recht behalten.
Es blieb nicht bei der Juniorennationalmannschaft und der Sprockhöveler Nachwuchsabteilung, immer schneller ging es für sie auf der Karriereleiter steil nach oben: Mit 16 Jahren wechselte die Gevelsbergerin erneut den Verein – dieses Mal ging es von der TSG-Jugend zu den Senioren-Bundesliga-Fußballerinnen der SGS Essen. Ein gewaltiger Schritt, vor allem in diesem Alter.
Großer Fleiß
Doch genau der richtige, wie sich rasch herausstellt. Bei den Essenern wurde Oberdorf in ihrer Debütsaison direkt zur wichtigen Stammspielerin. Ein wichtiger Faktor für ihre Entwicklung war dabei ihr großer Fleiß, der sich immer mehr bezahlt machte.
Es folgte noch während ihrer ersten Saison in der Bundesliga ihr Debüt bei der A-Nationalmannschaft – mit schlanken 17 Jahren. Weil immer mehr deutlich wurde, dass sie zu diesem Zeitpunkt zu eine der besten Fußballerin Deutschlands reifte, wechselte sie nach einer Spielzeit bei der SGS zum VfL Wolfsburg, bei dem sie noch einen Schritt nach vorne machte und schließlich das Double aus DFB-Pokal und Meisterschaft holte.
Wir sind wieder in der Gegenwart und beim vorläufigen Höhepunkt ihrer bisherigen Karrie: Die vergangenen Europameisterschaft in England, in der Oberdorf mit ihrer Mannschaft im Finale gegen den Gastgeber nur knapp am Titel scheiterte. Doch ganz Europa sag Lobeshymnen auf die Gevelsbergerin. Dass sie nun knapp auch an der Auszeichnung zur Europas Fußballerin des Jahres scheiterte, wird sie verkraften können.
Denn der 20-jährigen Gevelsbergerin steht noch Großes bevor, wie ihr ehemaliger Trainer Adnan Yalcinkaya glaubt: „Lena hat alles, um eines Tages Weltfußballerin zu werden. Sie ist in ihrer Entwicklung noch lange nicht am Ende.“