Schwelm/Gevelsberg. Der Anblick seines Spiegelbildes passt Kemal Ghamlouche aus Schwelm irgendwann nicht mehr. Er setzt sich ein Ziel und krempelt sein Leben um.

Irgendwann im Sommer des vergangenen Jahres stand Kemal Ghamlouche vor dem Spiegel. Was er dort von sich selbst sah, war für ihn der Tiefpunkt. 90 Kilogramm brachte er damals im Juni 2021 auf die Waage – bei einer Körpergröße von 1,68 Meter. „Da habe ich mir gesagt: ,So kann es nicht weitergehen“, sagt der Kampfsportler heute. Er setzte sich mit seinem Meister Eugen Helmut ein Ziel, auf das er hinarbeiten kann. Ein Boxkampf in der Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm, nur fünf Monate nach dem Moment der Einsicht vor dem Spiegel. Dass er das geschafft hat, ist beeindruckend – genauso wie die Art und Weise.

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Neun Kilometer trennen die beiden Kampfsportschulen Hung Choy in Gevelsberg und Schwelm. Neun Kilometer, die Kemal Ghamlouche wohl so gut kennt, wie kaum ein anderer. Jeden Stein dürfte er auf dem Weg über den Strückerberg kennen, denn Kemal Ghamlouche ist diese Strecke im vergangenen Jahr beinahe jeden Tag gelaufen. „Ich bin von zuhause zum Training, habe dann in Schwelm trainiert und bin dann wieder nach Hause gejoggt“, sagt er. Zu Beginn seines Trainings waren da immer wieder Pausen bei, Ghamlouche war körperlich nicht dort, wo er sein wollte. Doch er kam dahin.

Vor einem Jahr wiegt Kemal Ghamlouche 90 Kilogramm (links).
Vor einem Jahr wiegt Kemal Ghamlouche 90 Kilogramm (links). © Privat

Denn der 23-Jährige hatte ein Ziel. Er wollte im November des vergangenen Jahres boxen. „Weil ich aber so klein bin, hätte es keinen Sinn gemacht, in meiner damaligen Gewichtsklasse anzutreten“, schildert Ghamlouche die Beweggründe für seinen Lebenswandel. Mit seiner Reichweite hätte er schlichtweg keine Chance gegen gleichschwere Gegner gehabt, die ihm rein von der Größe her deutlich überlegen gewesen wären.

Sechs Kilo zusätzlich dabei

Also fängt Ghamlouche an, zu trainieren. Wie ein Besessener ist er fast jeden Tag in der Woche in der Schwelmer Kampfsportschule Hung Choy am Neumarkt aktiv. Damals noch wohnhaft in Gevelsberg, verzichtet er auf ein Auto für die Anreise. Er läuft den Weg. Irgendwann fängt er an, einen Medizinball in einem Rucksack mit sich rumzutragen. Sechs Kilo zusätzlich schleppte er dann auf dem Rücken mit.

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Und so verliert er den Ballast, denn er sich zugelegt hat, immer mehr. Auch, weil er seine Ernährung umstellt. „Ich habe vorher oft auf Montage gearbeitet und abends dann nur Mist gegessen“, sagt er. Zusätzlich wird er Vater, für Sport ist neben der Arbeit und seiner neuen Rolle als junger Vater kaum noch Zeit. Von 2017 bis Anfang 2021 ist Ghamlouche nicht aktiv, sein Körper verändert sich. Die Grundlagen aber bleiben, schließlich war er bereits als Kind schon sehr erfolgreich: Mit elf Jahren wird Ghamlouche Kung Fu-Weltmeister in seiner Altersklasse.

Fünf Monate später: Die körperliche Veränderung bei Kemal Ghamlouche ist eindeutig sichtbar.
Fünf Monate später: Die körperliche Veränderung bei Kemal Ghamlouche ist eindeutig sichtbar. © Privat

Inzwischen steht täglich Salat auf dem Speiseplan, morgens kocht sich Ghamlouche Zitrone und Ingwer ab. „Das ist gut für den Stoffwechsel“, sagt er. Manchmal gönnt er sich zum Salat noch Hähnchen, ab und an wird aber auch er schwach und nascht ein wenig – zu sehen ist das an seinem durchtrainierten Körper allerdings nicht. Insgesamt 22 Kilogramm verliert er in den fünf Monaten von Trainingsbeginn bis zum Kampf.

Sechs Mal in der Woche verausgabt er sich. Mit Jurel Greinacher, Sohn des Großmeisters Frank Greinacher, und Eugen Helmut geht es zum Sparring in den Ring, um sich optimal auf den Kampf vorzubereiten. Die Arbeit, die er in sich selbst investiert, zahlt sich letztendlich aus. Am 6. November des vergangenen Jahres steigt Ghamlouche in Oberhausen in den Ring. Seinen Gegner schlägt er nach Punkten eindeutig, selbst schreibt er in den sozialen Medien zu seinem Sieg: „Disziplin schlägt Talent.“

Wird es einen weiteren Kampf geben?

Genau diese Disziplin, die er an den Tag legt, um sein Ziel zu erreichen, beeindruckt auch seinen Meister Eugen Helmut. Ghamlouche hat sein ganzes Leben auf links gedreht, inzwischen hat er seinen Job als Handwerker aufgegeben und arbeitet als Trainer in der Kampfsportschule Hung Choy in Schwelm. Dadurch bleibt wohl nicht mehr viel Zeit, um sich auf weitere Kämpfe vorzubereiten. „Beides miteinander zu vereinbaren, ist fast unmöglich“, sagt Eugen Helmut. Ghamlouche sieht das ähnlich. „Mal sehen, was die Zeit noch so bringt“, sagt er.

Die Voraussetzungen hat er in jedem Fall geschaffen. Dafür war eine kompletter Lebenswandel notwendig. Ein Wandel, der Kemal Ghamlouche inzwischen zufrieden in den Spiegel blicken lässt – und das merkt man ihm an.