EN-Südkreis. Die Bedeutung von Ecken und Freistößen ist im Profifußball riesig. Wir haben nachgefragt, wie die Amateurvereine im Südkreis zu Standards stehen.

Wer in letzter Zeit die Berichterstattung der Fußball-Bundesliga verfolgt hat, wird mitbekommen haben, dass immer wieder die Bedeutung von Standardsituationen betont wird. Teams wie der SC Freiburg und der 1. FC Köln, die eine starke Saison spielen, sind besonders gefährlich nach ruhenden Bällen. Wir haben uns gefragt, wie viel Wert die Teams im Südkreis den Standardsituationen beimessen und uns dafür einmal umgehört.

Direkt der erste Gesprächspartner, Alexander Thamm, Trainer des Oberligisten TuS Ennepetal, gerät ins Schwärmen. „Unfassbar wichtig“ seien gerade Freistöße und Ecken aus seiner Sicht. Thamm erklärt seine Begeisterung: „Als bekennender Fan des VfL Bochum kann ich mich noch gut daran erinnern, wie wir 2004 unter Peter Neururer in den Europapokal eingezogen sind. Da haben die Innenverteidiger viele Tore beigesteuert, Frank Fahrenhorst war mit sieben Treffern einer der besten Torschützen im Team.“

Thamm erinnert sich an Zeit als Profi

Thamm ist ein großer Freund davon, möglichst schnell in den Strafraum des Gegners zu kommen, weil von dort die meisten Tore erzielt werden. „Was gibt es da Besseres als Standardsituationen?“, fragt der Ex-Profi, der sich noch an seine Zeit als Aktiver erinnern kann. „Ich war selbst Innenverteidiger und habe mich immer auf die Standards gefreut, weil ich eine gewisse Größe mitgebracht habe und weil die Standards praktisch die einzige Möglichkeit waren, selbst einmal ein Tor zu erzielen.“

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Zwei Ligen tiefer, beim Bezirksligisten BW Voerde, wird dem Thema eine nicht ganz so große Bedeutung beigemessen – vor allem aus Zeitgründen. „Im Profifußball fallen viele Tore nach Standards, im Amateurbereich hat man aber wenig Zeit, komplexen Fußball in der Gänze zu trainieren“, sagt Marco Polo. „Wir haben es hin und wieder gemacht, aber es ist kein großer Fokus bei uns“, bekennt der Voerder Coach.

Wolfgang Hamann, Trainer beim Bezirksligisten FSV Gevelsberg, hält grundsätzlich viel von Standardsituationen. „Wir machen viele Tore nach Standards. Es gibt da klare Absprachen, wer Ecken und Freistöße schießt, wir schicken unsere Abwehrspieler da nicht umsonst nach vorne.“ Besonders trainiert würden diese Szenen in Gevelsberg aber während der Saison nicht mehr, sondern vor allem vor Beginn der Spielzeit und in der Anfangsphase, wenn die Temperaturen wärmer sind. „Im Winter würde der Körper zu schnell auskühlen, wenn die Jungs nur herumstehen und Eckenvarianten einüben“, sagt Hamann. Genau dieses Argument nennt auch Thamm, der in Ennepetal eigene Trainingseinheiten für Standards nur im Sommer abhält.

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Biniam Ghebremeskal, der beim VfB Schwelm das Sagen hat, erklärt hingegen, dass er sich einmal in der Woche die Zeit nehme, um Standardtraining mit in seine Einheiten einzubauen: „Diese Situationen sind sehr wichtig und oft spielentscheidend“, betont er, schränkt aber ein: „Man muss auch sehen, wer die Fähigkeit hat, diese Situationen zu schlagen. Rico Hein hat gerade erst im Derby einen direkten Freistoß verwandelt. Der muss das nicht mehr trainieren, er kann das einfach.“

Auf die Bedeutung wird hingewiesen

In der Kreisliga A bleibt im Vergleich zur Bezirksliga noch weniger Zeit für Training im Allgemeinen und daher auch für Standardsituationen im Speziellen. Luca Schreiber, Interimstrainer bei der SpVg Linderhausen sagt: „Wir trainieren nur zweimal in der Woche. Da müssen wir fußballspezifischer arbeiten und können keine ganze Einheit für Standards nutzen.“ Auf die Bedeutung werde trotzdem auch immer wieder hingewiesen – je nachdem, wie der Gegner heißt: „Man schaut schon ein bisschen auf die Größe der Gegenspieler und macht die Jungs darauf aufmerksam, wenn in einem Spiel die Standards besonders entscheidend werden können“, so Schreiber.

Thomas Schuhmacher, Trainer bei Linderhausens Ligarivalen FC Schwarz-Weiß Silschede, lässt Standards „hin und wieder“ einüben, betont aber auch: „Es hängt im Amateursport auch davon ab, welche Spielertypen man im Team hat. Wenn man einen Spezialisten für das Kopfballspiel hat, oder jemanden, der sehr gute Flanken schlagen kann, dann kann man den Fokus darauf richten.“ Aber Spieler speziell dafür zu verpflichten, dass sei in der Kreisliga nun einmal nicht möglich. Daher nehme das Trainieren von Standards bei ihm auch „nicht die Hauptzeit des Trainings“ ein.

Über Profivarianten wird gewitzelt

Unterschiede zeigen sich bei der Frage, ob sich die Vereine aus dem Südkreis auch Eckball- und Freistoßvarianten aus dem Profifußball abschauen. Thamm sagt: „In meinem ersten richtigen Trainerjahr bei Horst-Emscher haben wir immer am Sonntag eine aktuelle Bundesliga-Stunde gemacht und sind Tore durchgegangen, die da gefallen sind. Natürlich guckt man sich auch mal einen Trick ab, aber es ist dann nicht so, dass man wie beim American Football 250 Spielzüge einstudiert und auswendig können muss.“

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Ghebremeskal betont hingegen: „Wir kopieren gar nichts. Ich habe da eigene Ideen, auch aus dem Team kommen welche.“ Bei Linderhausen wird laut Schreiber „eher in der WhatsApp-Gruppe darüber gewitzelt, wenn wir eine kuriose Variante sehen. Dann schreibt einer: ‘Guck mal Coach, das könnte ich nächste Woche sein.’“ FSV-Coach Hamann hingegen hält nicht viel davon, Tricks zu kopieren: „Mir ist es lieber, wir machen weniger Zirkus Roncalli, sondern besser klare Sachen.“